Juliane Belman (Name von der Redaktion geändert) liebt die Sonne. Deshalb fährt sie in diesen heißen Sommertagen nach Dienstschluss gerne an die Isar und tankt ein oder zwei Stunden Sonne. Belman arbeitet bei einem großen Technologiekonzern am Stadtrand von München. Da sie demnächst bei einem längerfristigen Bauprojekt in Frankreich mitarbeiten soll, hat ihr Chef ihr empfohlen, ihre Französischkenntnisse aufzubessern. Einen Zuschuss für den Sprachkurs hat er auch versprochen.
Den Kurs macht Belman auch brav, aber immer erst spätabends gegen halb elf: Sie hat Französisch für Fortgeschrittene beim E-Learning-Anbieter Babbel gebucht. Und so verbringt sie jeden Abend vor dem Schlafengehen eine halbe Stunde mit ihren Lektionen, die via Internet auf ihr Notebook kommen. Leseverständnis, Hörverständnis, Lückentexte, kurze Videos für Alltagssituationen – das ganze Programm.
Zehn Tipps für Online-Sprachkurse
Wie variabel ist der Lehrplan?
Kann man den Schwerpunkt auf einzelne Themen legen oder gezielt bestimmte Kompetenzen trainieren?
So könnte man beispielsweise "Telefonieren auf Englisch" oder die Aussprache trainieren.
Ein Einstufungstest hilft, von Anfang an das richtige Kursniveau zu finden.
Auch, wenn das Demovideo vielversprechend aussieht, die kostenlose Probelektionen sollte man auf keinen Fall auslassen. Erst hier sieht man die Machart und Qualität des Kurses.
Kann man Wortschatz oder Grammatik separat nachschlagen?
Orientiert sich der Lehrplan an anerkannten Standards oder Zertifikaten?
Als Englisch-Test ist beispielsweise TOEFL (Test of English as a Foreign Language) allgemein anerkannt.
Sprache verändert sich schnell. Ein gut gepflegter Online-Kurs ist deshalb auch beim Wortschatz und beim Bildmaterial immer auf dem neuesten Stand.
Je mehr Abwechslung und Vielfalt bei den Übungsformen, desto besser. So kommen unterschiedliche Lerntypen auf ihre Kosten.
Wer gerne unterwegs oder zwischendurch lernt, profitiert von Kursen, die sich über Apps auf dem Smartphone oder Tablet ausführen lassen.
Nützlich sind auch Zusatzübungen oder Materialien, die sich offline nutzen lassen. Und sei es nur eine Konjugationstabelle als PDF-Dokument.
Manche Kurse bieten die Möglichkeit, individuelle Online-Sitzungen mit Muttersprachlern oder Tutoren zu organisieren.
So wie Belman geht es vielen. Sie müssen eine Fremdsprache lernen, haben aber keine Lust, regelmäßig zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zu sein. Im Zeitalter von Mobilität und Home Office scheint das nicht mehr so recht zu passen.
Die Vorteile des Online-Lernens
Das ist ein Hauptgrund, warum E-Learning-Portale wie Babbel, Rosetta Stone oder Lingorilla seit Jahren dicke Zuwachsraten verzeichnen. Die Vorteile sind offensichtlich. Da die Lernsoftware auf dem Server des Unternehmens läuft und übers Internet abgerufen wird, kann man den jeweils gebuchten Sprachkurs Zeit- und Ort-unabhängig absolvieren.
Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Kurse enorm flexibel sind. Jeder Lerner kann sich seinen Sprachkurs in einer Art Baukastensystem zusammenstellen. Man wählt die Themenfelder oder die Fertigkeiten, die man trainieren will. Egal, ob Business-Englisch am Telefon, Konversation für den Urlaub, Grammatik oder Leseverständnis, fast alle Anbieter setzen ihre Kurse aus frei wählbaren Modulen zusammen.
In der Regel ist die Software auch so intelligent, dass sie merkt, wenn man in bestimmten Lektionen häufig Fehler macht. Bei den Wiederholungen kommen diese Lerninhalte erneut auf den Bildschirm. Wer will, lässt sich Statistiken über den Lernfortschritt anzeigen.
Viele Anbieter sind inzwischen dazu übergegangen, ihre Kurse auch für Smartphones oder Tablets anzubieten. Dazu muss man sich nur die passende App herunterladen. Und meist gibt es auch Inhalte, die offline funktionieren. So kann man sich Lernspiele für zwischendurch oder Vokabellisten herunterladen. Juliane Belman etwa hat sich einen Vokabeltrainer auf ihr Smartphone geladen. So kann sie auch unterwegs oder in der U-Bahn mal eine Runde lernen. Eine praktische Sache also.
Dementsprechend geht es dem Markt richtig gut. Bis 2017 soll der E-Learning-Markt weltweit ein Volumen von etwa 2,3 Milliarden US-Dollar aufweisen. Vor allem die Lern-Apps für Smartphones oder Tablets liegen im Trend. Dieses Marktsegment soll allein im Bereich Englisch bis 2018 weltweit um 15 Prozent wachsen, schätzt das Marktforschungsunternehmen Ambient Insight. Nach Angaben des Statistik-Instituts Statista wächst der Markt für digitale Sprachkurse bis 2017 jährlich sogar um 20 Prozent.
Wie gut die Deutschen Englisch können
Die Englischkenntnisse der Deutschen sind durchaus verbesserungswürdig. Im aktuellen English Proficiency Index (EF EPI) des internationalen Bildungsinstituts Education First liegt Deutschland zwar auf einem guten zehnten Platz von insgesamt 63 Ländern. "Gute Kenntnisse" bescheinigt EF den Deutschen.
Aber zu einem "Sehr gut" und einem besseren Platz unter den Top Ten reicht es nicht. In diese Spitzengruppe haben es unsere Nachbarn Polen und Österreich geschafft, denen EF "sehr gute Kenntnisse" bescheinigt. Auf dem ersten Platz liegt Dänemark, gefolgt von den Niederlanden und Schweden. Die Länder-Rangliste basiert auf den "Prüfdaten" von 750.000 Erwachsenen, die 2013 den Englisch-Test des EF absolviert hatten.
Nachteile der Sprachportale
Trotz des Booms bei den E-Learning-Portalen sollten auch die Nachteile bedacht werden. So ist in jedem Fall eine stabile und breitbandige Internetverbindung nötig. Manchmal erfordern die Antwortzeiten der Server etwas Geduld, wenn besonders viele Lerner gleichzeitig auf die Kurse zugreifen.
Das Lernen funktioniert natürlich nur, wenn der Teilnehmer Disziplin und Durchhaltevermögen von selbst aufbringt. Es ist nun mal kein Kursleiter da, der regelmäßig zum Lernen anhält und kein Banknachbar im Klassenzimmer, dessen Ehrgeiz einen zusätzlich anstachelt.
Nicht zuletzt deshalb bauen viele Anbieter inzwischen Online-Communities auf, bei denen sich die Teilnehmer via Internet gegenseitig unterstützen. Manche Dienste wie EF Englishtown stellen eigene Englischlehrer zur Verfügung, die der Teilnehmer in regelmäßigen Abständen für Einzelunterricht buchen kann. Selbstverständlich virtuell und online.
Datenschützer sehen die Entwicklung durchaus skeptisch. Denn die Privatsphäre beim Lernen könnte gefährdet sein. Vor allem, wenn Unternehmen ihren Mitarbeitern E-Learning-Dienste am Arbeitsplatz spendieren. Unter Umständen könnte dann der Vorgesetzte sehen, wie oft und wie lange der Mitarbeiter den Sprachkurs nutzt und sogar, welche Fortschritte er gemacht hat.
Skeptisch darf man auch sein, wenn die Sprachlern-Portale die didaktische Raffinesse und die Vielfalt der Übungsformen anpreisen. Vielfältige Übungsformen bieten nämlich auch klassische Lernprogramme für den PC, etwa von Anbietern wie Digital Publishing oder Langenscheidt. Und jeder engagierte Kursleiter im vermeintlich altmodischen Präsenzunterricht weiß, wie man Videos, Bilder, Texte, Hörbeispiele und dazu passende Übungen so miteinander kombiniert, dass keine Langeweile aufkommt. So völlig neu ist das didaktische Konzept der Online-Anbieter also nicht.
Videos als Lernmethode
Eine Ausnahme bilden allerdings die Videos. Anbieter wie der Dalango, Lingorilla oder Yabla begnügen sich nicht damit, Videoclips abzuspielen und danach passende Übungen zu präsentieren. Die Übungen werden vielmehr direkt in die Videos integriert. Der Anwender kann dann beispielsweise in einem Video auf ein Wort in den mitlaufenden Untertiteln klicken und sieht sofort die Übersetzung und gegebenenfalls weitere Worterklärungen. Überhaupt scheint sich das Medium Video beim digitalen Sprachunterricht durchzusetzen.
Alle Anbieter bemühen sich, das eher unbeliebte Thema Grammatik in einem freundlichen Licht erscheinen zu lassen. Die Auffassung, dass Sprache lernen nur über langes Wortschatztraining und Grammatik büffeln möglich ist, wird eher in den Hintergrund geschoben. Sprachenlernen soll Spaß machen. Ob das tatsächlich ganz ohne Konjugationstabellen und Vokabelpauken gelingt, muss jeder selbst ausprobieren.
Außerdem ist man ja nicht darauf angewiesen, nur einen einzigen Sprachkurs zu nutzen. In vielen Fällen mag es sinnvoll sein, den Online-Sprachkurs mit zusätzlichen Lernmaterialen zu verbinden. So wie Juliane Belman, die auf dem Heimweg vom Job den Vokabeltrainer im Smartphone startet.
Wenn sie dann abends um sieben an der Isar sitzt und in die Sonne blinzelt, hat sie mindestens zehn neue Vokabeln gelernt.