
Es ist eine Weile her, dass Fans einer Smartphone-Gattung für ihre Mobiltelefone einen kollektiven Spitznamen hatten. „Crackberry“, ein Wortspiel aus dem realen Namen der Blackberry- Handys und der Droge „Crack“, stand Mitte der 2000er-Jahre für den Suchtcharakter, den die handlichen E-Mail-Maschinen auf ihre Nutzer ausübten.
Gut zehn Jahre später ist davon kaum etwas geblieben. Gerade einmal 0,3 Prozent Anteil am weltweiten Smartphone-Markt hat der kanadische Handyproduzent aktuell noch. Das ist gut die Hälfte weniger als noch vor einem Jahr. Und vor allem ist es Welten entfernt von jenen knapp 20 Prozent, dank derer Blackberry vor fünf Jahren immerhin noch zweitgrößter Smartphone-Produzent nach Apple war.
Angesichts dieses Niedergangs ist es wohl auch der Mut der Verzweiflung, der Blackberry-CEO John Chen zum radikalen Bruch mit der Vergangenheit getrieben hat. Denn Chen bringt mit dem neuen Modell Priv ein erstes Smartphone in die Läden, das statt des eignen Betriebssystems BB10 Googles Android-Software nutzt. Ein Schritt so drastisch, als lieferte VW-Chef Matthias Müller nach dem Abgas-Desaster seine Pkws nun mit BMW-Motoren aus.





In Deutschland ist das 780 Euro teure Geräte jetzt zu haben. Die ersten Modelle sind gerade in die Läden gekommen. "Der Verkauf hat vor einigen Tagen begonnen", bestätigt Blackberry-Deutschland-Chef Jürgen Müller auf WirtschaftsWoche-Anfrage. Die ersten Geräte sind über Vodafone, Media Markt, Saturn sowie den temporären BlackBerry Shop in Frankfurt erhältlich. "Wir sehen, dass wir mit dem Priv auf großes Interesse auf allen Kanälen stoßen", freut sich Müller.
Der Verkauf über die eigene, deutschsprachige Web-Seite starte in der dritten Dezember Woche, so der deutsche Blackberry-Manager. Bisher konnten sich Interessenten dort nur für die Bestellung vormerken lassen. Zudem hatte sich die ursprünglich schon für November geplante Auslieferung verzögert.
Grund dafür ist offenbar der unerwartete Run auf die Geräte nach dem Verkaufsstart in den USA. Dort konnten Interessenten das Gerät bereits seit Anfang November für rund 700 Dollar ordern. Dabei wurde Blackberry offenbar von der Nachfrage nach dem Neuling überrascht: Die erste Charge bei Amazon war binnen Stunden ausverkauft und auch Blackberry selbst ist erst einmal blank. Ein Teil der Vorbesteller jedenfalls musste bis zum 23. November auf die nächste Lieferung warten. Und nun sind offenbar auch genug Geräte für den Vertriebsstart in Deutschland produziert.
In Zukunft Android
Hielte der unerwartete Run auf die neuen Telefone an, wäre das mehr als ein Lichtblick für Chen. Es wäre auch ein Indiz dafür, dass die verbliebenen eingefleischten Blackberry-Fans den Plattformwechsel tatsächlich akzeptieren, dass die entscheidenden Produktivitäts-Apps attraktiv genug sind, die der neue Priv aus der BB-10-Welt auf die Android-Plattform bringt.
Denn das ist das Versprechen, mit dem Blackberry für seinen Neuling wirbt: Er sei so sicher, wie die bisher für ihre Daten- und Hackersicherheit geschätzten Originals, biete ebenso ausgefeilte Anwendungen zum E-Mail-, Termin- und Kontaktemanagement und erschließe seinen Nutzern zusätzlich die Programmvielfalt der Android-Welt. Am chronischen Anwendungsmangel im eigenen App-Store krankte die Blackberry-Plattform schließlich.
Smartphones: diese Betriebssysteme verkaufen sich am besten
Android hat sich seit 2014 mit Abstand am besten verkauft. Ging es vor zwei Jahren bereits über eine Millionen Mal über den Ladentisch, so wird es sich 2016 - Expertenschätzungen zufolge - vermutlich fast1,4 Millionen Mal verkaufen.
Auch das Betriebssystem von Apple schlägt sich gut. Von fast 192.000 Verkäufen konnte es sich 2015 auf über 209.000 steigern, Tendenz für 2016 steigend (über 221.000).
Das nach Umsatz drittgrößte Smartphone-Betriebssystem Windows hat im Jahr 2014 über 35000 Smartphones ausgestattet, 2015 bereits über 44000. 2016 werden es voraussichtlich über 58.000 sein.
2014 wurden fast 8000 Smartphones mit dem Betriebssystem von Blackberry verkauft. Die Verkaufszahlen sind allerdings rückläufig. 2015 sind es nur noch knapp über 5000, 2016 schätzungsweise nur noch unter 4000.
Auch für Firefox OS sieht es nicht gerade rosig aus. 2014 wurden gerade einmal 2256 Smartphone mit diesem Betriebssystem verkauft. Die Tendenz ist weiter abnehmend. (2016:2178).
Andere Anbieter haben insgesamt etwa 3500 Smartphones mit ihrem Betriebssystem ausgestattet. Gartner schätzt, dass 2015 nur noch knapp über 3000 Smartphones mit anderen Anbietern ausgestattet werden, 2016 sogar noch weniger (1835)
Quelle: Gartner (Juni 2015)
Nun also soll es die Abkehr von der Vergangenheit richten. Die Zukunft – so viel ist klar – wird, wenn sich der Priv tatsächlich so gut verkauft, wie die ersten Bestellungen erhoffen lassen, „Android by Blackberry“ heißen. Auch wenn Chen versichert hat, BB10 mindestens einmal im kommenden Jahr weiter entwickeln zu lassen. Ob das Unternehmen aber künftig noch neue BB10-Geräte auf den Markt bringen wird, ist offen. Wahrscheinlicher ist, dass Blackberry Anfang 2016 ein weiteres Android-Modell vorstellen wird. Erste (unbestätigte) Illustrationen des angeblich unter dem Codenamen „Vienna“ entwickelten Gerätes jedenfalls zirkulieren bereits im Netz.
Der neue Priv ist in Kürze auch in Deutschland verfügbar. Was der erste Android-Berry leistet und wie gut die Transplantation der Kern-Features in die Google-Welt gelungen ist, haben wir bereits vor dem Marktstart testen können. Lohnt sich der Umstieg für Blackberry-Fans? Und wie attraktiv ist der Priv für Nutzer anderer Android-Handys?