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BrandIndex

Facebook trotzt dem Image-Schaden

Holger Geißler
Holger Geißler Psychologe, Werbepsychologe

Facebook sammelt mehr Daten als je zuvor und wird dafür heftig kritisiert. Das Ansehen leidet – doch das wird nicht von langer Dauer sein. Die Nutzer vergessen schnell.

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Facebook Quelle: dpa

Aufmerksamkeit ist Facebook derzeit gewiss. Rund 40 Prozent aller Deutschen, die Facebook kennen, geben im YouGov-Markenmonitor BrandIndex an, sich in den vergangenen zwei Wochen über die Marke unterhalten zu haben. Genauso viele haben aktuell etwas – ob positiv oder negativ – über die Marke gehört. Vor zwei Wochen waren es noch sieben Prozentpunkte weniger. Das war vor der Einführung der neuen Geschäftsbedingungen und Datenschutzeinstellungen von Facebook.

Und damit dürfte auch klar sein, dass es sich tendenziell um etwas Negatives handelt, das die Befragten wahrgenommen haben. Die neuen Regeln ernten viel Kritik, die Politik fordert neue Datenschutzverordnungen, die dem Datensammeln von Facebook Einhalt gebieten. Facebook gab zu verstehen, dass es an den neuen Regeln nichts ändern wird. Ab sofort wertet das soziale Netzwerk also beispielsweise aus, welche Webseiten oder Apps der Nutzer besucht. Wird bei Google nach Toastern gesucht, liefert Facebook die passende Werbung dazu. Auch nutzt das Netzwerk die Standortdaten der Nutzer, um Werbung zu Angeboten in der Nähe zu schalten.

Was sich bei Facebook ändert
Ab Freitag, 30. Januar, gelten bei Facebook neue Geschäftsbedingungen. Nun haben Nutzer mehr Möglichkeiten, Privatsphäre- und Sichtbarkeitseinstellungen zu kontrollieren. Auf der anderen Seite bringen die neuen AGB aber auch eine viel detailliertere und zielgerichtete Verfolgung des Nutzerverhaltens mit sich. Mit einem Log-in nach dem 30. Januar stimmen Nutzer den neuen AGB automatisch zu, ein Widerspruch ist nicht möglich. Nutzer haben zwei Möglichkeiten: Akzeptieren oder Abmelden. Doch auch, wenn man einzelnen Punkten nicht widersprechen kann, ist es wichtig, sich darüber bewusst zu sein, was mit den eigenen Daten geschieht. Hier die wichtigsten Änderungen im Überblick. Quelle: dpa
DatenschutzFacebook will es Nutzern leichter machen, zu entscheiden, wer ihre Inhalte sieht. Dazu gibt es jetzt interaktive Anleitungen und auch Möglichkeiten, die Analyse von besuchten Seiten und Apps zu kontrollieren. Hier muss der Nutzer aber aktiv tätig werden. Neue Funktionen müssen in der Regel abgestellt werden, wenn man mit ihnen nicht einverstanden ist. Und trotz aller Einstellungen: Facebook erfährt alles und kann es möglicherweise auswerten. Quelle: REUTERS
StandortdatenKünftig können Standortdaten mit denen der Freunde und mit Werbeanzeigen verbunden werden. Wer seinen Standort teilt, kann etwa Informationen über Restaurants in der Nähe oder Neuigkeiten von Freunden angezeigt bekommen. Wer das nicht möchte, sollte der Facebook-App auf seinem Smartphone wenn möglich keinen Zugriff auf das GPS-Modul gewähren. Allerdings räumt nicht jede Plattform diese Möglichkeit ein. Quelle: dpa
Werbung IFacebook will Werbung auf den Einzelnutzer zuschneiden. Bislang werden die Inhalte der Werbeanzeigen aus „Gefällt mir“-Angaben und anderen Aktivitäten im Netzwerk generiert. Bald sollen auch besuchte Webseiten und genutzte Apps ausgewertet werden. Das Netzwerk ist in der Lage, die Aktivitäten seiner eingeloggten Nutzer im Netz teilweise nachzuvollziehen. Wer dann online ein Paar Sportschuhe kauft, könnte beispielsweise Anzeigen für Sportkurse oder andere Trainingskleidung sehen. Wer Urlaubsziele recherchiert, sieht Werbung von Reiseveranstaltern. Quelle: REUTERS
Werbung IIKünftig sollen Facebook-Nutzer Werbeanzeigen auf ihre Relevanz bewerten können. Dazu wird auch sichtbar gemacht, in welche Zielgruppe Facebook die Nutzer einordnet und warum man eine bestimmte Anzeige sieht. Laut Facebook soll so sichergestellt werden, dass Nutzer nur relevante Werbung sehen. Die neue Einstellung für Werbeanzeigen geben dem Nutzer zwar mehr Kontrolle, ein großer Gewinn sind sie aber nicht, wie Staatssekretär Ulrich Kelber (SPD) vom Bundesverbraucherschutzministerium bei der Vorstellung der neuen AGB Ende November 2014 urteilte: „Gleichzeitig erhält Facebook so aber auch noch mehr werberelevante Informationen über den Nutzer.“ Quelle: REUTERS
Neue FunktionenDas Netzwerk will seine Kunden durch neue Optionen wie einen „Kaufen“-Knopf enger an sich binden. So könnte der Kauf von Waren direkt über das Facebook-Konto erfolgen. Damit könnte das Unternehmen neben Nutzungsdaten auch an Einkaufsgewohnheiten und Zahlungsdaten der Kunden kommen. Durch Zusammenführung dieser Daten lassen sich umfassende Personenprofile erstellen. Quelle: AP
Verbraucherschützer empfehlen grundsätzlich, die Sichtbarkeit von Beiträgen stark zu kontrollieren und in den Privatsphäre-Einstellungen auf minimale Auswertung der persönlichen Daten zu Werbezwecken zu setzen. Und Facebook-Nutzer müssen wachsam sein, sagt Rechtsanwältin Sabine Petri von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen: „Man sollte regelmäßig nachsehen, ob die Einstellungen noch so sind, wie man sie eingestellt hatte.“ Quelle: AP

Schlechtes Image, viele Nutzer

Dass diese Nachrichten bei den Nutzern nicht gut ankommen, zeigt der Buzz, der misst, wie positiv oder negativ eine Marke im öffentlichen Gespräch ist. Facebook hat schon vor den neuen Regeln negativ abgeschnitten, doch bis heute ist der Buzz-Wert nochmal um neun Punkte auf jetzt -18 gesunken (auf einer Skala von -100 bis +100 Punkte). Über keine andere Marke der BrandIndex-Kategorie „Websites und soziale Netzwerke“ wird derzeit so schlecht gesprochen wie über Facebook.

Gleiches gilt für den Index-Wert, der mehrere Kategorien wie Qualität und Weiterempfehlungsbereitschaft zusammenfasst. Er zeigt: Facebooks Image ist seit Ende Januar gesunken und mit -2 Punkten aktuell im negativen Bereich – zum ersten Mal seit einem halben Jahr. Auch in anderen Kategorien hat Facebook eingebüßt – und Schuld daran ist Facebooks mal wieder gesteigerte Lust auf Daten.

Doch das alles muss Mark Zuckerberg keine Sorgen machen. Die Facebook-Nutzer vergessen in der Regel schnell. Im März 2014 ging es mit Facebooks Index- und Buzz-Werten schon mal bergab, als es den Messenger WhatsApp übernommen hatte. Auch damals gab es Bedenken zum Datenschutz. Doch bereits im Oktober war Facebook genauso beliebt wie vorher.

Woran das liegt: Änderungen im Datenschutz sind für die Nutzer vergleichsweise abstrakt, es gibt in der Regel keine unmittelbar wahrnehmbaren Konsequenzen. Das wäre sicherlich anders, wenn Facebook z.B. auf einmal etwas kosten würde. So werden die Änderungen zwar in den Medien kurz hochgekocht, aber schon beim nächsten Facebook-Besuch fühlt sich die Nutzung wie in der Vergangenheit auch an. „So schlimm kann das wohl dann nicht gewesen sein“, werden sich die Nutzer sagen. Und deshalb bleiben auch die Nutzerzahlen in den USA und in Deutschland konstant. In Großbritannien gibt es inzwischen sogar mehr Facebook-Nutzer als Ende 2013.

In allen drei genannten Ländern sind laut unseren Erhebungen heute mehr als die Hälfte aller erwachsenen Online-Nutzer bei Facebook registriert. Ein sehr hoher Wert, der schwierig zu steigern ist und den Facebook darüber nachdenken lässt, wie noch mehr Nutzer gewonnen werden können. Der Plan: In Ländern ohne Internetanschluss per Drohne einen Anschluss zum Netz schaffen.

Instagram bei den Jüngeren beliebt

Eine Frage muss aber lauten: Wie lange kann Facebook die Nutzerzahlen in den Ländern halten, wo die Mehrheit schon Facebook-Mitglied ist? Denn bei den unter 30-jährigen Deutschen ist das Netzwerk inzwischen weniger beliebt als früher. Im September 2013 betrug der Index-Wert in dieser Altersgruppe noch +18 Punkte. Bis Ende Januar 2015 (vor den neuen Datenschutzrichtlinien) war er auf +8 Punkte gesunken. Aktuell liegt er bei +2. Bei den über 50-Jährigen dagegen ist die Entwicklung umgekehrt. Sie bescheinigen Facebook heute trotz der aktuellen Lage ein besseres Image als 2013. In Großbritannien ist ein ähnlicher Verlauf festzustellen.

Doch Facebook ist auch für das vermeintliche Altersproblem gut gerüstet. Mit der Übernahme des in allen Altersschichten beliebten Messengers WhatsApp und des vor allem bei Jüngeren angesehen Foto-Netzwerks Instagram hat Facebook für die Zukunft vorgesorgt. Vor allem Instagram gewinnt in Deutschland bei den bis 30-Jährigen zunehmend an Ansehen. Der Index-Wert stieg innerhalb eines Jahres um 8 Punkte.

So sehr Facebook derzeit für den fehlenden Datenschutz kritisiert wird – auch diesen Imageeinbruch wird das Netzwerk überstehen, so wie die Letzten. Die Nutzerzahlen sind stabil oder steigen, im Mutterland USA ist Facebook sogar ziemlich beliebt. Und sollten die Jüngeren zu WhatsApp oder Instagram abwandern – es bleibt ja in der Familie.

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