
Unter ausländischen Unternehmen in China war die Sorge groß: Von einem Tag auf den anderen versagten Anfang Januar auf iPhones und iPads die VPNs, das sind spezielle Verfahren zur verschlüsselten Internet-Nutzung. Plötzlich waren Web-Sites wie Facebook und YouTube nicht erreichbar. Ausländer nutzen die in China offiziell verbotenen virtuellen privaten Netzwerke, um die „Great Firewall“ zu umgehen, die chinesische Zensur.
Die kleinen Programme wurden bisher von der Regierung geduldet. Denn ausländische Unternehmen sind für den Datenverkehr mit dem Heimatland auf sicherere Verbindungen angewiesen – unter anderem auch, um sich mit dem internen Firmennetz in der Heimat zu verbinden. Viele von ihnen befürchteten nun, die Sperrung könnte auf Desktops und Laptops ausgeweitet werden. „Eine Komplettsperrung von VPN-Verbindungen wäre extrem schädlich für alle Unternehmen, die auf sicheren Datentransfer zwischen China und dem Ausland angewiesen sind“, warnt ein deutscher Unternehmer in Shanghai.
Trends zur CeBIT 2015
Mit diesem Begriff wird in Deutschland die Vernetzung von Maschinen und anderer Technik vor allem im industriellen Betrieb bezeichnet. Es geht etwa um Industrieanlagen, die aus der Ferne gewartet werden können und sich auch selbst zum Austausch verschlissener Teile anmelden könnten. So zeigt der Fahrstuhl-Hersteller ThyssenKrupp Elevator in Hannover, wie schon erste Anzeichen von Unregelmäßigkeiten frühzeitig übermittelt werden.
Die datenhungrigen IT-Anwendungen der Zukunft werden auch viel leistungsstärkere, schnellere und flexiblere Netze erfordern. Dafür soll die nächste Mobilfunk-Generation 5G sorgen. Im Moment geht es noch darum, die Eckpunkte des Standards festzulegen. Es gibt ein Gerangel unter anderem zwischen verschiedenen Netzwerk-Ausrüstern und Mobilfunk-Betreibern. „Ein Patentkrieg droht auf jeden Fall“, warnte ein führender deutscher 5G-Experte, Gerhard Fettweis.
Die Enthüllungen des Informanten Edward Snowden haben auch die Wirtschaft aufgeschreckt. Zugleich haben es Unternehmen jeder Größe mit Industriespionage zu tun. Die Nachfrage nach Verschlüsselungslösungen zum Schutz von Firmengeheimnissen nimmt zu. Inzwischen gibt es neben sicheren Speicher-Angeboten auch eine Auswahl an Apps für verschlüsselte Telefonate. Auf der CeBIT wird zudem ein abgesichertes Tablet für Bundesbehörden gezeigt.
Mit der Vernetzung aller möglichen Geräte entstehen auch immer mehr Daten, die ausgewertet werden können. Heutige Computertechnik gibt die Möglichkeit, früher unvorstellbare Datenmengen umzuschlagen. Dieser sogenannten „Big Data“-Analyse kommt eine Schlüsselrolle bei digitalen Geschäftsmodellen zu. Sie dürfte unter anderem bei der Verkehrssteuerung und im Gesundheitswesen für enorme Fortschritte sorgen.
Bisher ist es dazu noch nicht gekommen. Aber das Beispiel illustriert, um was es dem diesjährigen Partnerland der Computermesse Cebit geht: Sicherheitsinteressen, Informationskontrolle und den Aufbau der eigenen IT-Wirtschaft. Freier Wettbewerb und Informationsfluss sind für Peking nur ein notwendiges Übel, um die Ziele zu erreichen. „Im Moment nimmt der Protektionismus sogar noch zu und weitet sich auf Hard- und Softwarehersteller aus“, sagt Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in Peking.
Keine amerikanischen IT-Produkte
Seit Februar dürfen Ministerien, Behörden und Staatsunternehmen keine amerikanischen IT-Produkte benutzen. Betroffen sind unter anderen Apple, Intels Sicherheitssparte McAfee und Cisco. Bis 2019 sollen zum Beispiel Chinas Banken 75 Prozent ihrer Technologie mit heimischen Produkten bestücken. Die Geldhäuser müssen das jährlich dokumentieren.

Westliche Unternehmen, die chinesische Behörden beliefern, sollen ihre Quellcodes offenlegen und eine Art Hintertür einbauen, die der Regierung permanente Überwachung ermöglicht. Und das Betriebssystem Windows soll durch eine chinesische Alternative auf Linux-Basis ersetzt werden.
Offiziell wird all dies begründet mit einem Sicherheitsrisiko, das durch Software ausländischer, insbesondere amerikanischer Hersteller entstehe. Tatsächlich aber geht es eher um eine Retourkutsche in Sachen Cyber-Protektionismus: Die USA hatten den chinesischen Telekommunikationsausrüster Huawei 2013 aus Sorge vor Spionage von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen.





Chinesischer Sicherheitsstandard
Peking entwirft zudem einen chinesischen Sicherheitsstandard mit eigenen Verschlüsselungsverfahren. Profitieren von der Initiative werden in erster Linie heimische Unternehmen wie Yonyou, Qihoo 360 und Huawei. Sie müssen bei der „Nationalen Führungsgruppe für Verschlüsselung“ eine Art Generalschlüssel hinterlegen. So sind die Daten zwar vor Hackern geschützt, aber die chinesische Regierung hat Zugriff.
Was Peking jetzt bei Hard- und Software in Angriff nimmt, ist im Internet bereits größtenteils gelungen. China ist mittlerweile das Land mit den weltweit meisten Internet-Nutzern. Doch die weit überwiegende Mehrheit der rund 670 Millionen chinesischen Surfer hat weder von Facebook und Twitter noch von YouTube je etwas gehört. Amerikanische soziale Netzwerke, die Suchmaschine Google oder Nachrichten-Web-Sites wie die der „New York Times“ sind im chinesischen Internet nicht aufrufbar.
Vordergründig geht es der Regierung darum, die eigene Bevölkerung vor „westlicher Propaganda“ zu schützen. Die Zensur erfüllt aber auch einen wirtschaftlichen Zweck. Denn unbehelligt von ausländischer Konkurrenz, konnten chinesische Internet-Unternehmen durchstarten und sind jetzt in der Lage, ins Ausland zu expandieren. „China ist es so gelungen, eine konkurrenzfähige Internet-Industrie aufzubauen“, sagt Kammer-Experte Wuttke.