Chinas Technologie-Scout So spürt Huawei in Deutschland neue Supertechnologien auf

Huawei-Mitarbeiter auf der Internationalen Funkausstellung am Seiteneingang ihres Standes. Quelle: dpa

Ein deutsches Idol der High-Tech-Branche sucht für den chinesischen Konzern Huawei in der Bundesrepublik nach Zukunftstechnologie. Seine Suche führt etwa zu einem Aachener Start-up, das die Computerwelt revolutionieren könnte.

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Andreas Umbach ist so etwas wie der Prototyp eines deutschen High-Tech-Unternehmers fürs 21. Jahrhundert. In den Neunzigern forscht er am Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik – an schnelleren Komponenten für die Glasfaser-Datenübertragung. Später, um die Jahrtausendwende, gründet er mit zwei Kollegen sein eigenes Optoelektronik-Start-up, dass die Technik zur Marktreife bringt. Er stattet damals Konzerne wie den US-Telekomgiganten AT&T aus, aber auch die chinesische Konkurrenz. 2014 schließlich verkauft Umbach das Unternehmen für mehrere Millionen Euro an einen US-Konzern. Inzwischen ist er Berater, probiert sich hin und wieder auch als Investor. 

In der deutschen Photonik-Szene, einer kleinen Gruppe von Wissenschaftlern, Gründern und Investoren, die sich mit der Verarbeitung und Übertragung von Daten durch Licht beschäftigen, ist Umbach heute eine Legende. Jeder kennt ihn, würde gern mit ihm arbeiten, will seinen Rat. „Andreas hat den Markt für schnelle Photonik praktisch erfunden“, sagt einer, der ihn kennt. Diese Eigenschaft macht ihn für den chinesischen Mobilfunkkonzern Huawei zu einer Person von immensem Wert. Umbach kann in Deutschland interessante Photonic-Projekte und Start-ups aufspüren, Türen öffnen.

Huawei beschäftige ihn seit zwei Jahren als selbstständigen Technologie-Scout, erzählt Umbach. Er besuche Konferenzen, höre sich Vorträge an, lese wissenschaftliche Arbeiten. Wann immer Umbach dabei auf jemanden trifft, der für die Chinesen interessant sein könnte, vermittelt er den Kontakt zu seinem Auftraggeber. Schließlich kann diese Art der Technologie in den nächsten Jahren unvorstellbar schnelle Computerchips, sogar Quantencomputer möglich machen. 

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Umbach ist nicht der einzige seiner Art bei Huawei. Der Konzern strecke seine Fühler überall an den Schnittstellen von Universitäten und Start-ups aus, heißt es in der Szene. Wenige Unternehmen, erzählt ein deutscher Gründer, seien dabei so professionell auf der Suche nach neuartiger Technik wie der chinesische Mobilfunkriese. 

Umbach erwartet in den nächsten Monaten, dass chinesische Unternehmen einschließlich Huawei ihre Anstrengungen nun noch einmal deutlich verstärken, um in Deutschland und Europa entwickelte Technologie schnell nach China zu holen. „Der große Druck, den US-Präsident Trump auf Europa ausübt, intensiviert die ohnehin schon seit vielen Jahren vorhandene Strategie“, sagt der Ex-Unternehmer auf Anfrage.

Die Freundlichsten und Produktivsten

Ein potenzieller Partner für Huawei ist das Start-up Black Semiconductor aus Aachen. Die zwei Brüder Daniel und Sebastian Schall – der eine Ingenieur, der andere Betriebswirt – tüfteln an einer neuen Technologie, um photonische Schaltungen praktisch nahtlos auf einem elektronischen Chip integrieren zu können. Das Ergebnis wären Halbleiter, die bis zu 10.000 Mal schneller sind als heutige Chips. Auf den Halbleitern ließen sich die neuronalen Netze des menschlichen Gehirns viel besser nachbilden – der Gewinn besonders für Anwendungen mit künstlicher Intelligenz wäre enorm.



Diese Technik zu entwickeln, die sich sowohl zivil, als auch militärisch – beispielsweise in Radarsystemen oder zur abhörsicheren Laserkommunikation – einsetzen lässt, kostet enorm viel Geld. Mit rund einer halben Milliarde Euro Investitionsvolumen rechnen die Gründer, um ihr Produkt marktreif zu machen, und um die teuren Maschinen zur Herstellung anzuschaffen. Das Ergebnis aber könnte ein neues Halbleiterschwergewicht für Europa sein.

Oder eben für China. Huawei ist deshalb nicht der einzige chinesische Interessent. Wie viele andere deutsche Deep-Tech-Start-ups bekommt auch Black Semiconductor reihenweise Anfragen aus China. Eine richtige Welle traf in dem Moment ein, als das Unternehmen seine Website online gestellt hatte, sagt Sebastian Schall. In vielen Fällen ging es sehr konkret zur Sache, ob das Unternehmen nicht eine Tochter in China aufbauen wolle, um staatliche chinesische Fördermittel zu bekommen, berichten die Brüder.

„Huawei aber hat eine richtig gute Strategie. Die schwärmen in Deutschland regelrecht aus, um Ideen sehr frühzeitig aufzuspüren“, erzählt Daniel Schall. Auf dem Mobile World Congress in Barcelona etwa sei der europäische Forschungschef des Konzerns schon an den Messestand jenes wissenschaftlichen Projekts gekommen, aus dem später das Start-up entstanden ist. „Von allen, die wir in den letzten Jahren gesprochen haben, waren die Huawei-Leute die Freundlichsten, diejenigen die am besten zugehört haben und wo die Gespräche am produktivsten waren“, so der Gründer.

Donald Trump als Turbo der Entwicklung

Dass dahinter die durchaus aggressive Strategie steckt, potenziell wertvolle Technologien wie ein Staubsauger aufzusaugen und nach China zu holen, darüber machen sich die Brüder keine Illusionen. Doch am Ende seien sie Unternehmer. „Wir haben eine Technologie, die nützlich und verkaufbar ist. Bevorzugt würden wir das gern in Europa tun. Aber unter den gegebenen Umständen könnte es in Asien und Amerika leichter sein, an große Summen Geld zu kommen“, sagt Daniel Schall.

Huawei geht so zielstrebig allerdings nicht nur bei Start-ups wie Black Semiconductor vor, sondern auch bei Forschungsprojekten an hiesigen Unis. Um Technologieführer bei Datenübertragungstechnik zu bleiben, nimmt das Unternehmen große Summen in die Hand, berichtet Umbach. Es finanziert damit oft direkt die Forschung von deutschen Wissenschaftlern. Beispielsweise die von Doktoranden, die an einem bestimmten Thema weiterarbeiten.

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Zugleich engagiere Huawei aber auch führende Institute, um für den chinesischen Konzern Auftragsforschung in jenen Feldern zu betreiben, wo dem Unternehmen die Fähigkeiten fehlen. Etwa, um einen schnelleren Laser zu entwickeln, oder einen, der noch weniger Energie braucht. „Da gibt es jede Menge Forschung auf dem Gebiet“, sagt Umbach. Er finde da für Huawei ein passendes Thema, das man voranbringen kann. Huawei finanziere das Projekt, bekomme am Ende die Ergebnisse und Muster zum Testen zugeschickt.

Dieses Geschäft läuft. Weil die strenge Politik von Donald Trump Huawei zwingt, sich aus der Forschung in den USA zurück zu ziehen, steigt das Interesse an Europa. So verhaftete das FBI im Februar den prominenten Harvard-Chemiker und Nanotechnologieexperten Charles Lieber. Der Wissenschaftler sei in Chinas „Tausend-Talente-Plan“ involviert gewesen, so der Vorwurf der Behörden, dem zufolge das Land führende Akademiker anzuwerben versucht. Lieber habe Hunderttausende Dollar von der Wuhan University of Technology (WUT) erhalten und darüber gelogen.

Zugleich aber macht der Druck, den die Amerikaner auf Europa aufbauen, die Arbeit auch schwerer. So dürfen etwa Messgeräte, in denen amerikanische Technik steckt, nicht mehr für Huawei-Auftragsforschung eingesetzt werden.


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Für Black Semiconductor ist diese neue politische Weltlage wenig positiv. Über Investorenangebote aus dem nichteuropäischen Ausland, besonders aus China, müssen die Brüder nun dreimal nachdenken. Zu gravierend könnten die Folgen für die Zukunft sein. Doch am Ende bleibt die Frage, ob europäische Investoren und hiesige staatliche Organisationen überhaupt selbst bereit sind, das Geld in den Aufbau einer neuen eigen Optoelektronik-Chipindustrie zu stecken. Zumindest Umbach persönlich ist an Black Semiconductor bereits beteiligt.

Mehr zum Thema: Ist Huawei ein verkappter Handlanger der Kommunistischen Partei?

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