Computerspiele Wie Facebook-Spiele die Branche verändern

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Zynga-Spiel Café World: Social Games sind „typische Managementspiele“

Heimlicher Gewinner des Spielebooms ist das Online-Versandhaus Amazon. Von der Masse der Online-Nutzer unbemerkt, hat Amazon ein neues Geschäft etabliert, die Vermietung von Serverkapazitäten. Spieleanbieter können dort flexibel Speicherplatz und Rechenleistung buchen und abgeben – binnen Minuten. Dieses sogenannte Cloud Computing sowie immer schnellere Internet-Leitungen haben den Aufstieg von Facebook, Zynga und Playfish überhaupt erst möglich gemacht.

Keines der Startups hätte so schnell eigene Serverparks aufbauen können, um die explosionsartig steigenden Spielerzahlen zu bewältigen. „Wir besitzen keinen einzigen Server, nur Laptops, Internet-Anschlüsse und Büroräume in London, San Francisco und Peking“, sagt Playfish-Chef de Halleux. Vergangenes Jahr ist Playfish nach eigenen Angaben von 22 auf 55 Millionen Nutzer gewachsen, ohne Cloud-Dienste, wie Amazon sie bietet, wäre das unmöglich gewesen. Ebenso geht es Zynga. Mietet ein Spielehersteller einen Amazon-Server, kostet das zwar doppelt so viel wie ein eigener Großrechner. Doch in schwachen Zeiten steht der nicht ungenutzt herum. Durch diese Flexibilität sparen Unternehmen die Mehrkosten wieder ein, sagt der Gründer und Chef des deutschen Spieleanbieters GameDuell, Kai Bolik.

Damit die virtuelle Ökonomie in den Social Games aber wirklich gedeihen kann, brauchen sie ein reibungslos funktionierendes Zahlungssystem. Bislang müssen die Spieler externe Bezahldienste wie Social Gold nutzen. Ein integrierter Bezahldienst in den Plattformen wie Facebook würde es den Spielern noch leichter machen, Geld auszugeben, heißt es bei den Spieleanbietern. Das will Facebook möglich machen – gegen 30 Prozent Umsatzprovision. Eine Vorversion des Zahlsystems namens Facebook Credits testet das soziale Netzwerk seit vergangenem Sommer. Nutzer können dort ihr Geld gegen die virtuelle Währung Facebook Credits tauschen, mit der sie dann problemlos virtuell Getreidedünger, Waffen und zusätzliche PS anschaffen können.

Auch hierzulande kommt Spiele-Szene in Gang

Um das Projekt nun endlich offiziell starten zu können, sucht Facebook per Stellenanzeige nach Experten: In einer Ausschreibung etwa fahndet das Unternehmen nach Zahlungs- und Risiko-Spezialisten, die neue Zahlungssysteme testen und in Europa einführen können. Gerüchten zufolge will Facebook alle Anbieter von Facebook-Anwendungen künftig zwingen, Nutzern die Zahlung per Facebook Credits anzubieten. Einige Branchenbeobachter spekulieren nun schon, dass das soziale Netzwerk seine neue Währung auch außerhalb des Netzwerkes anbieten könnte. Von manchen sozialen Spielen werden Facebook Credits schon akzeptiert, darunter FarmVille, Island Paradise und Happy Aquarium.

Und obwohl die meisten großen Social-Games-Hersteller aus dem angloamerikanischen Raum stammen, kommt die Szene nun auch hierzulande in Gang: Der Hamburger Online-Spielehersteller Bigpoint, der weltweit größte seiner Art, testete im Dezember mit dem Straßenlebensimulator Trash Heroes sein erstes Facebook-Spiel. Und beim Berliner Online-Spieleportal -GameDuell arbeitet derzeit ein Drittel der Entwickler an sozialen Spielen, sagt dessen Chef Bolik. „Wir wollen auf den amerikanischen Markt, dort kommt man an Facebook überhaupt nicht mehr vorbei.“ Kinder, Eltern, Großeltern – alle seien sie in dem Netzwerk unterwegs.

In Großbritannien und Australien sei es ähnlich, und auch in Frankreich und Spanien gebe es eine riesige Facebook-Mitgliederschar. Deutschland sei zwar nicht annähernd auf dem Niveau. Doch Bolik ist überzeugt, dass sich die Entwicklung hier nur zwei Jahre verzögert vollziehen wird. Game-Duell hat neben seinem unternehmenseigenen Spieleportal zwei soziale Facebook-Spiele im Programm – das Sortierspiel Jungle Juwels und das Klickspiel Bubble Pop. Auch hier zahlen Nutzer für virtuelle Güter, etwa einmal 50 Cent für die Funktion, die es erlaubt, eine Pause beim Spielen einzulegen, ohne abzubrechen. Weil das 200-Mitarbeiter-Unternehmen seit Jahren Browserspiele entwickelt, ist der Aufwand gering. Technisch unterscheiden sich Browserspiele und Social Games nur dadurch, dass sie nicht auf der firmeneigenen Plattform laufen, sondern bei Facebook. Die Entwicklung eines Spiels koste GameDuell daher nur 10 000 Euro, sagt Firmenchef Bolik.

Als Problem betrachten die Deutschen allerdings die Abhängigkeit von Facebook als Plattform. Der GameDuell-Gründer beklagt, dass die Kalifornier ständig Änderungen vornehmen, etwa bei Privatsphäre-Einstellungen. „Im schlimmsten Fall funktioniert das eigene Produkt von heute auf morgen nicht mehr “, sagt er. Sende man Anfragen, bekomme man nur manchmal eine Antwort. Playfish-Chef de Halleux wiederum verteidigt Facebook: Die Plattform sei erst vier Jahre alt, müsse sich entwickeln. Doch wird es für Neulinge schwieriger, sich gegen Zynga und Playfish durchzusetzen. Die bewerben in ihren Spielen andere eigene Spiele. Hat der Nutzer eines satt, steigt er auf eines dieser um. Zudem wird das Angebot im Netzwerk unübersichtlich, gibt es doch schon über 500 000 Anwendungen.

Eine weitere Spezies sozialer Spiele hat ihren Durchbruch bei Facebook noch vor sich: die ortsbasierten Spiele, die den Aufenthaltsort des Nutzers hinzuziehen. Für das iPhone gibt es erste Versuche. Mit Gowalla etwa kann der Nutzer an öffentlichen Orten wie Flughäfen oder Cafés virtuelle Geschenke sammeln, die andere Mitspieler dort abgelegt haben. In den USA ist zudem MyTown sehr erfolgreich, eine Art Monopoly für die wirkliche Welt. Inzwischen arbeitet Facebook an einer Einbindung von Ortungsdiensten in die Plattform. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis Spielehersteller solche Ideen massenhaft umsetzen. Und das dürfte die nächste Welle auslösen.

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