Cyberboss
Beeindruckend genau: Bei der Gesichtserkennung wie sie etwa deutsche Landeskriminalämter einsetzen, erzielt Künstliche Intelligenz bereits beachtliche Erfolge. Quelle: dpa

Einfach zu perfekt

Künstliche Intelligenz komponiert längst Musik, produziert Filme und gestaltet Produkte. Doch langsam werden auch ihre Grenzen klarer: Kreativ auf Menschenweise wird sie vorerst nicht sein.

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Es ist kein leichter Job, Erfinder zu sein. Erst müht man sich unendlich, bis man auf die eine neue Idee kommt. Ist die harte Kreativarbeit getan, bekommt man es mit dem Patentamt zu tun. Das musste auch ein gewisser „Dabus“ jüngst erleben: Der Erfinder eines Transportbehälters für Lebensmittel scheiterte am Europäischen Patentamt. Dabei hatten die Beamten gar nichts gegen die Erfindung, sie störten sich an Dabus selbst: Denn hinter dem Namen verbirgt sich keine Person, sondern eine Maschine mit künstlicher Intelligenz (KI).

Nach geltendem Recht können nur natürliche Personen, Menschen also, Patente erwerben. Nur sie gelten als Träger von Rechten und Pflichten, die damit einhergehen. Algorithmen werden deshalb in absehbarer Zukunft auf dem Patentmarkt keine Konkurrenz sein. Eine grundsätzliche Frage ist damit aber nicht beantwortet: Wenn Maschinen Dinge erfinden können, übertreffen sie uns bald auch in einer ureigen menschlichen Fähigkeit, der Kreativität?

Begreift man Kreativität und Innovation als Prozess der Suche und Kombination, so können dies prinzipiell auch Maschinen leisten. Wer schöpferisch arbeitet, geht von einem bestimmten Wissen aus und verbindet es mit anderen Erkenntnissen. Maschinen gestalten diesen Prozess jedoch anders als Menschen es je tun würden: Sie speichern und verarbeiten Daten, sie stellen innerhalb dieser Daten Verbindungen her. Man bezeichnet dieses Vorgehen als generative Methode, die über sogenannte generative gegnerische Netzwerke (Generative Adversarial Networks, GANs) ausgeführt wird.

Diese Netzwerke kommen beispielsweise zum Einsatz, wenn eine Maschine ein neues Bild einer Person erstellen soll. In der Filmbranche wird diese Technologie gerne verwendet, wenn Schauspieler für bestimmte Rollen älter oder jünger aussehen sollen. Leider ist sie aber auch für die sogenannten Deep Fakes verantwortlich, die echten Menschen falsche Inhalte in den Mund legen oder aber Profile in den Sozialen Medien simulieren, um Wahl- oder Kaufverhalten zu manipulieren.

Der Diskriminator entscheidet

Der technische Ablauf dieser Bildproduktion teilt sich in zwei Stränge: Ein Teil der Netzwerke, der sogenannte Generator, erzeugt über eine zufällige Pixelverteilung neue Bilder. Der zweite Teil, der sogenannte Diskriminator, überprüft, wie realistisch diese Bilder sind. Damit er überhaupt weiß, wie ein Mensch aussieht, wird er zuvor mit vielen Beispielen gefüttert. Beide Teile arbeiten parallel und interagieren: Basierend auf der Rückkopplung des Diskriminators verbessert der Generator seinen Algorithmus und schlägt neue Bilder vor. Der Prozess läuft so lange, bis der Diskriminator entscheidet, dass die Bilder den gelernten Beispielen nahe genug kommen. Die Maschine kann also nur in dem Maße kreativ sein, wie sie zuvor mit vorhandenen Bildern gefüttert wurde. Menschliche Kreativität lässt sich aus diesem System jedoch nicht ableiten. Es reproduziert vielmehr.

Wer ein computergeneriertes Musikstück hört, wird sofort den Unterschied erkennen: Diesem Sound fehlt etwas. Das Unvollkommene, das Fehlbare, die Seele. Selbstverständlich kann man einem Computer Harmonielehre beibringen. Aber dieses Wissen macht ihn noch lange nicht zu einem musizierenden Wesen, das die Zuhörer berührt und die Musik mit Emotionen belebt. Der Dirigent Mark Wigglesworth hat dies treffend in seinem Buch „The Silent Musician. Why Conducting matters“ (Der stille Musiker. Warum Dirigieren wichtig ist) beschrieben.

Wie es aussieht, wird der Mensch auf dem Feld der Kreativität so schnell also keine künstlich intelligente Konkurrenz bekommen. Leichter wird der Job dadurch aber nur bedingt. Auf die eine neue Idee muss man als Erfinder schließlich immer noch selbst kommen.

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