Auf meinem Konto befinden sich 150 Millionen Dollar. Schon bei den Torhütern kann ich mich nicht entscheiden, wie ich sie investieren soll. Bayern-Keeper Manuel Neuer erreicht dank seiner guten Form Topbewertungen, ist mit 11,2 Millionen Dollar aber auch der teuerste Keeper auf dem virtuellen Transfermarkt. Der Schalker Ralf Fährmann ist für läppische 7,5 Millionen zu haben – eine gute Wahl. Für die Viererkette kaufe ich Hummels, Träsch, Aogo und Alaba – und habe immer noch 107,5 Millionen Dollar auf dem Konto. Ein paar Klicks und Millionen Dollar später steht mein virtuelles Superteam – das Bundesliga-Wochenende kann kommen. Daily Fantasy Sports, eine Onlinevariante der klassischen Tippgemeinschaft im Büro, ist in den USA schon ein Milliardengeschäft. Millionen Amerikaner wetten auf die Resultate ihrer Woche für Woche in virtuellen Ligen antretenden Fantasiemannschaften.
Je besser die darin vereinten Einzelsportler am Wochenende in realen Spielen abschneiden, desto besser die Performance der simulierten Teams. Der Mix aus echtem Einsatz auf dem Platz und virtuellem Spielgeschehen boomt. US-Wetter zahlten vergangenes Jahr mehr als eine Milliarde Dollar Turniergebühren – für Matches von Basketball bis American Football, der nach Umsatz beliebtesten Sportart im Fantasy Sports. Bis 2020 sollen es rund 30 Milliarden US-Dollar werden, hofft der Branchenverband Fantasy Sports Trade Association.
Nun soll die Idee auch in Deutschland zünden. Angesicht von Millionen Möchtegernbundestrainern könnte das klappen. „Mit Poker hat das vor ein paar Jahren auch funktioniert“, sagt André Handrup. Er ist Marketingmanager bei Fanteam, dem ersten deutschsprachigen Anbieter für Daily Fantasy Sports in der Bundesliga. Einige Tausend registrierte Nutzer spielen in zwölf Ligen um 1500 Euro Preisgeld. „Daily Fantasy Sports ist wie ein Fußballmanager-Spiel, in dem Sie jeden Tag eine andere Mannschaft betreuen“, erklärt Handrup.
Der Einnahmenmix der Bundesliga
Mit Spielertransfers nahm die Bundesliga 171 Millionen Euro ein. Das klingt nach viel Geld, entspricht aber nur sieben Prozent der Gesamteinnahmen.
Quelle: DFL, Saison 2013/14
Etwas mehr Geld floss aus dem Verkauf von Fanartikeln: 187 Millionen Euro. 7,6 Prozent der Bundesliga-Einnahmen stammten 2013/14 aus Schals, Trikots, Toastern oder Wecker mit dem Aufdruck der jeweiligen Lieblingsmannschaft.
249 Millionen Euro der Einnahmen (10,2 Prozent) kamen aus "sonstigen" Quellen.
Den Spieltag lassen sich die Fans etwas kosten: Tickets, Bier und Würstchen bescheren der Bundesliga 19,7 Prozent ihrer Gesamteinnahmen. 483 Millionen Euro kamen in der Saison durch die Einnahmen der Spieltage 2013/14 zusammen.
Mit Werbeplätzen nahm die Bundesliga 640 Millionen Euro in der Saison 2013/14 ein. Das sind 26,2 Prozent der Gesamteinnahmen.
29,3 Prozent der Gesamteinnahmen der Saison 2013/14 kamen aus dem Verkauf der Medienrechte: 717 Millionen Euro.
Der Hobbymanager betreut also nicht ein Team über eine ganze Saison, sondern kann sich jedes Wochenende eine neue Mannschaft zusammenstellen. Um mitmachen zu können, investiere ich zum Beispiel elf Euro in mein virtuelles Budget. Das Geld wird in einige Millionen Euro Spielgeld umgerechnet, die elf Euro gehen in einen Wetttopf. Vor jedem Spieltag der Bundesliga lege ich dann meine Aufstellung fest. Ich darf Spieler aus allen Mannschaften mischen, so ich sie mir leisten kann: Einzige Einschränkung ist das virtuelle Budget. Für die Leistung der echten Spieler in der realen Welt, gibt es Punkte. „Wir bewerten fast alles“, sagt Handrup. Tore, Fouls, Freistöße, Karten, Einwürfe, Pässe – all das wird längst routinemäßig erhoben. Liegt mein Team am Ende des Spieltags punktemäßig weit vorn, bekomme ich einen Teil des Wetttopfs. Aus elf Euro Einsatz können so etwa 150 Euro werden.
Rund zehn Prozent der Einsätze kassiert der Anbieter
Der Rest wird verteilt. Fußballmanager-Simulationen haben in Deutschland schon eine große Fangemeinde. So etwa das durch Werbung und kostenpflichtige Dienste finanzierte Browserspiel Comunio. Die Fußballsimulation Fifa 16 des Herstellers Electronic Arts zählt zu den beliebtesten Computerspielen überhaupt. Allerdings können die Mitspieler dort weder echtes Geld gewinnen noch verlieren. In den USA ist Daily Fantasy Sports schon fester Bestandteil der Sportkultur. Der Platzhirsch heißt FanDuel. Das 2009 gegründete und mit Wagniskapital finanzierte Unternehmen wird derzeit mit umgerechnet 1,2 Milliarden Euro bewertet. Hinter dem Start-up stecken Investoren wie Comcast, der größte Kabelnetzbetreiber der Welt, und die amerikanische Basketball-Profiliga NBA.
Schärfster Konkurrent ist die mit rund einer Milliarde Marktwert kaum kleinere DraftKings, FanDuel und DraftKings haben bisher über 200 Millionen Euro für Werbung ausgegeben. Im US-TV kommt kaum eine Werbepause eines realen Spiels ohne Spots für Daily Fantasy aus. In Deutschland ist es noch nicht so weit. „Wir fangen gerade erst mit dem Marketing an“ sagt Handrup von Fanteam. Mit Sportportalen, Firmen aus der Sportindustrie und Bundesligisten verhandele er bereits.
Die umsatzstärksten Fußballclubs
Everton
Position im Vorjahr: -
Umsatz 2014*: 144,1 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 100,8 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Newcastle United
Position im Vorjahr: -
Umsatz 2014*: 155,1 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 111,9 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Galatasaray
Position im Vorjahr: 16
Umsatz 2014*: 161,9 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 157,0 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Inter Mailand
Position im Vorjahr: 15
Umsatz 2014*: 164,0 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 164,5 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
SSC Neapel
Position im Vorjahr: -
Umsatz 2014*: 164,8 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 116,4 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Atlético Madrid
Position im Vorjahr: 20
Umsatz 2014*: 169,9 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 120,0 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
FC Schalke 04
Position im Vorjahr: 13
Umsatz 2014*: 213,9 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 198,2 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Tottenham Hotspur
Position im Vorjahr: 14
Umsatz 2014*: 215,8 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 172,0 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
AC Mailand
Position im Vorjahr: 10
Umsatz 2014*: 249,7 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 263,5 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Borussia Dortmund
Position im Vorjahr: 11
Umsatz 2014*: 261,5 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 256,2 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Juventus Turin
Position im Vorjahr: 9
Umsatz 2014*: 279,4 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 272,4 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Liverpool
Position im Vorjahr: 12
Umsatz 2014*: 305,9 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 240,6 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Arsenal
Position im Vorjahr: 8
Umsatz 2014*: 359,3 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 284,3 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Chelsea
Position im Vorjahr: 7
Umsatz 2014*: 387,9 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 303,45 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Manchester City
Position im Vorjahr: 6
Umsatz 2014*: 414,4 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 316,2 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Paris Saint-Germain
Position im Vorjahr: 5
Umsatz 2014*: 474,2 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 398,8 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
FC Barcelona
Position im Vorjahr: 2
Umsatz 2014*: 484,6 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 482,6 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
FC Bayern München
Position im Vorjahr: 3
Umsatz 2014*: 487,5 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 431,2 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Manchester United
Position im Vorjahr: 4
Umsatz 2014*: 518,0 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 423,8 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Real Madrid
Position im Vorjahr: 1
Umsatz 2014*: 549,5 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 518,9 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Quelle: Deloitte
In den USA galt Daily Fantasy Sports bislang dank einer Ausnahmeregelung nicht als Glücksspiel. Das hat der Branche geholfen. Mittlerweile sehen einzelne Bundesstaaten dies offenbar anders, sie ermitteln gegen die Anbieter. Die wollen deshalb nun in Europa wachsen. DraftKings hat gerade eine Lizenz für den britischen Markt erhalten, FanDuel einen entsprechenden Antrag gestellt. Für Deutschland gebe es noch keine konkreten Pläne, erklären die Unternehmen. Das mag auch an der schwierigen deutschen Rechtslage liegen.
Denn das bei Onlineglücksspielen federführende hessische Innenministerium hält Daily Fantasy Sports nach derzeitiger Gesetzeslage für „nicht erlaubnisfähig“. Ob das den Trend stoppt, ist fraglich. Nicht zufällig residiert Anbieter Fanteam mit seinen 15 Mitarbeiter unter dem Firmennamen Scout Limited auf Malta. Die Mittelmeerinsel bietet ein liberales Glücksspielrecht und vergleichsweise moderate Steuersätze. Auch klassische Onlinesportwettenanbieter, wie etwa Tipico, bei denen Kunden auf Spielergebnisse setzen, haben dort ihren Sitz – und bieten munter ihre Dienste in Deutschland an. Auch weil die Position der hessischen Juristen noch nicht abschließend gerichtlich geklärt ist. Bis es so weit ist, vergehen noch einige Bundesliga-Wochenenden. Für mich ein Aufschub, der es erlaubt, an der eigenen Spitzenelf zu arbeiten – denn die hat beim ersten Testspiel total versagt.