




Mega-Upload ist Geschichte, das persönliche Schicksal seines schillernden Gründers Kim Dotcom aber ist ebenso wenig entschieden wie der künftige Umgang mit solchen Daten-Plattformen im Internet. Ein Jahr ist die Razzia auf dem Anwesen Dotcoms in Neuseeland her. Und noch immer muss der schillernde Internet-Unternehmer die Auslieferung in die USA fürchten - die Anhörung dafür wurde auf den 12. August verschoben. Seinen Tatendrang hat das nicht gebremst. Am Samstag startet Kim Dotcom seinen neuen Dienst "Mega".
Das Nachfolger-Projekt zu “Mega-Upload” umfasst einen sogenannten Filehoster im Rahmen einer Cloud. Mega-Upload stellte seinen Nutzern - nach eigenen Angaben waren das rund 50 Millionen am Tag - Server zur Verfügung, auf die alle möglichen Dateien kostenlos hochgeladen werden konnten. Das waren persönliche Fotoalben ebenso wie urheberrechtlich geschützte Musik oder Filme. Wurde etwa ein Film bei Mega-Upload hochgeladen, erstellte der sogenannte File-Hoster einen Link, der weiterverbreitet werden konnte. Für bevorzugte Verbindungen beim Download der Daten kassierte das Unternehmen Geld. Außerdem zeigte Mega-Upload Online-Anzeigen im Umfeld der Download-Links. Allein 2010 soll Megaupload so nach Angaben der US-Ermittler mehr als 42 Millionen Dollar eingenommen haben.
"Mega" soll sicherer werden
Anders als andere cloudbasierte Projekte soll Schmitz' neuer Dienstleister “Mega” komplett verschlüsselt und dadurch sicherer werden. Darüberhinaus will Kim Dotcom mit dem Dienst einen besonders schnellen Datentransfer sicherstellen. Dafür will er mit externen Partnern zusammenarbeiten, die wiederum ihre Server für “Mega” bereitstellen. Und dabei kann eigentlich jeder mitmachen.
Wie das ganze aussehen wird, hat der gebürtige Deutsche auch schon verraten. Via Twitter verbreitete er einen Screenshot.
Ein Jahr nach der spektakulären Razzia in seinem Haus in der kleinen Ortschaft Coatesville nördlich von Aukland soll “Mega” ein echter Neuanfang für Kim Dotcom werden. Der gebürtige Kieler und Hobby-Musiker ist gut drauf, schaut positiv in die Zukunft und veröffentlicht wieder erste Songs. "Good bye shitty 2012. Welcome awesome 2013", twitterte er in der Silvesternacht. Die dunklen Zeiten des vergangenen Jahres will er offensichtlich hinter sich lassen.
Damals schlugen die Behörden in enger Zusammenarbeit mit der US-Bundespolizei FBI in der Nacht vor dem 38. Geburtstag Kim Dotcoms zu - so konnten sie sicher sein, dass alle Mitbeschuldigten anwesend sein würden. Dotcom und drei Mitarbeiter wurden verhaftet. 70 Beamte durchsuchten das ausgedehnte Anwesen und stellten Gegenstände und Geld im Wert von sechs Millionen neuseeländischen Dollar (etwa 3,7 Mio Euro) sicher. Darunter waren auch Computer, Gemälde und mehrere Luxusautos - ein Rolls-Royce Baujahr 2008, ein Lamborghini aus dem Jahre 1989 und ein neuer Maserati, auf den Nummernschildern klare Signale wie „CEO“ (Vorstandschef), „HACKER“ oder „GUILTY“.
Die Razzia im Stil einer Kommando-Aktion galt der Web-Plattform “Megaupload”, die einmal auf Platz 14 der meistbesuchten Websites stand und über die zeitweise vier Prozent des gesamten weltweiten Internet-Datenverkehrs liefen.
Der Rapper verteilt Geschenke





Die von den USA gewünschte schnelle Auslieferung mit einem anschließenden Prozess unter anderem wegen massiver Urheberrechtsverletzungen kam aber nicht zustande. Der gebürtige Deutsche - als Kim Schmitz einst in der frühen Aufbruchsstimmung der jungen Internet-Wirtschaft unterwegs - steht nach einmonatiger Haftzeit weiter unter Hausarrest und hält sich in einem Gebäude neben dem von ihm gemieteten Anwesen in Coatesville auf.
Die Behörden in Neuseeland stellten Dotcom zuerst als einen flüchtigen Kriminellen dar. Dann aber wurde bekannt, dass er entgegen der geltenden Rechtslage vom neuseeländischen Nachrichtendienst GCSB (Government Communications Security Bureau) ausgespäht wurde - als leidenschaftlicher Computerspieler hatte Dotcom bemerkt, dass seine Hochgeschwindigkeitsverbindung ins Internet immer langsamer wurde und fragte nach den Ursachen.
Neuseelands Weihnachtsmann
Dotcom hat es geschafft, dass die Bespitzelung vom Gericht ebenso für illegal erklärt wurde wie die Razzia vom 20. Januar. Es räumte ihm auch die Möglichkeit ein, deswegen gegen den GCSB und die neuseeländische Polizei vorzugehen. So konnte Dotcom auch etliche Vermögenswerte zurückerlangen. Er verkaufte einige Autos, um seine Anwaltskosten zu begleichen und seine Frau und die fünf Kinder zu versorgen.
Der Fall hat auch die neuseeländische Regierung belastet. Der für den GCSB zuständige Ministerpräsident John Key entschuldigte sich öffentlich. Der Regierungschef habe den Fall völlig falsch in die Hand genommen, sagte Jacinda Arden von der Arbeiterpartei der Nachrichtenagentur dpa. Die Oppositionspartei fordert eine unabhängige Untersuchung. Inzwischen geht es nicht mehr nur um Megaupload und Kim Dotcom, sondern um den Schutz der Privatsphäre und die Fähigkeit Neuseelands, politischem Druck aus den USA zu widerstehen.
Die Chronologie des Falls Megaupload
Die US-Behörden werfen Megaupload massive Urheberrechtsverletzungen vor und veranlassen, dass die Website vom Netz genommen wird.
Polizisten durchsuchen das Anwesen von Megaupload-Gründer Kim Dotcom (ehemals Kim Schmitz) in Coatesvilla nördlich der neuseeländischen Stadt Auckland und nehmen diesen, zwei weitere Deutsche und einen Niederländer fest. Die US-Justiz verlangt die Auslieferung der Beschuldigten. Beschlagnahmt werden Gegenstände und Geld im Wert von umgerechnet 3,7 Millionen Euro. Aus Protest legen Hacker aus dem Umfeld der Anonymous-Bewegung Webseiten des FBI, des US-Justizministeriums und der Musikindustrie lahm. Tags darauf durchsuchen Zollfahnder Büros und Luxushotels in Hongkong.
Ein Richter in Wellington lehnt eine Freilassung Dotcoms gegen Zahlung einer Kaution ab und begründet dies mit erhöhter Fluchtgefahr. Einen Tag später kommen zwei führende Mitarbeiter von Megaupload, ein Deutscher und ein Niederländer, gegen Zahlung einer Kaution frei.
Die US-Staatsanwaltschaft kündigt die Löschung der Megaupload-Daten in den Rechenzentren von IT-Dienstleistern an.
Auch der zweite deutsche Megaupload-Mitarbeiter wird gegen Zahlung einer Kaution freigelassen.
Kim Dotcom wird nach einmonatiger Haft gegen Zahlung einer Kaution freigelassen. Der Richter verhängt strenge Auflagen für einen Hausarrest. Exakt einen Monat später räumt ein Richter Dotcom die Möglichkeit ein, monatlich auf eine begrenzte Menge Geld aus seinem Vermögen zuzugreifen und erlaubt ihm die Nutzung eines Autos.
Knapp zwei Wochen darauf werden die Bedingungen für den Hausarrest weiter gelockert, Kim Dotcom darf nun auch wieder das Internet nutzen.
Das Oberste Gericht in Neuseeland erklärt die Razzia auf dem Megaupload-Anwesen für rechtswidrig. Der Durchsuchungsbeschluss gegen Kim Dotcom sei zu allgemein formuliert und damit ungültig gewesen.
Die neuseeländische Justiz verschiebt den im August geplanten Termin für eine erste Anhörung zum Auslieferungsantrag der USA auf 2013.
Nach einer kritischen Äußerung zu den USA gibt der zuständige Richter im Auslieferungsverfahren, David Harvey, den Fall ab.
Dotcom erhält einen Teil seines konfiszierten Vermögens zurück.
Gerichtsdokumente belegen, dass Dotcom vor seiner Festnahme Ziel einer illegalen Abhöraktion des neuseeländischen Geheimdienstes GCSB war. Für den Einsatz gegen einen Ausländer mit Aufenthaltsgenehmigung gab es keine rechtliche Grundlage. Zwei Tage später entschuldigt sich der neuseeländische Ministerpräsident John Key bei Kim Dotcom wegen der illegalen Abhöraktion des Geheimdienstes.
Eine Richterin räumt Dotcom das Recht ein, den Geheimdienst wegen der illegalen Abhöraktion auf Schadenersatz zu verklagen.
Dotcom ist guter Dinge. Der schwergewichtige Unternehmer spielte in Auckland den Weihnachtsmann, spendete Geld für Wohlfahrtsorganisationen und versprach allen Neuseeländern einen freien Internetzugang. Im September kündigte er den baldigen Start einer neuartigen Musik-Plattform namens “Megabox” an. Sich als Rapper stilisierend veröffentlicht Dotcom immer wieder Songs und Videos im Internet und zieht bei Twitter über die USA her. Dort warf sein Anwalt Ira Rothken dem US-Justizministerium vor, den Gerichten wesentliche Fakten vorenthalten zu haben.
Digitale Welt
Letztlich ist es die bei Mega-Upload verwendete Technik, die es den Ermittlern schwer macht, den Vorwurf der Urheberrechtsverletzung nachzuweisen. Es könne kaum in jedem Fall gesagt werden, wo ein solcher Rechtsverstoß vorliege, sagte Ben Cain von der neuseeländischen Anwaltskanzlei James & Wells. Wenn Megaupload eine reine technische Plattform für den Austausch von Daten gewesen sei, könnte es sein, dass Dotcom nicht haftbar gemacht werden könnte.