David Cheriton Der Anti-Bezos

Amazon: David Cheriton warnt vor Jeff Bezos' Methoden

David Cheriton hat einst jene Technologie entwickelt, auf der Internettycoone wie der Amazon-Gründer Jeff Bezos ihre Imperien errichtet haben. Nun warnt er vor den Tücken des Cloud Computings – wenn auch nicht ganz selbstlos.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Am Ende eines muffigen Ganges im vierten Stock der Fakultät für Informatik schließt David Cheriton sein Büro auf. Mit dem sorgsam gestutzten Bart, tiefer Gesichtsbräune, kurzer Khakihose und kurzärmligem Hemd in grünbraunem Tarnmuster wirkt er wie ein Förster. Sein Traumjob, als er ein Kind war. Dann entdeckte er in seiner Jugend die Welt der Computer. Fast 40 Jahre lang hat er Tausende Studenten in diese Welt eingeführt. Mehr als 35 Jahre davon hat er an der Universität Stanford gelehrt, der Eliteschule des Silicon Valley.

Im vergangenen Jahr ist Cheriton, 67, in den Ruhestand gegangen. Trotzdem hat er sich an diesem Sommertag auf sein Fahrrad geschwungen, ist mit einem verstaubten schwarzen Rucksack auf dem Rücken von seinem Haus in Palo Alto rübergeradelt. Er hat sich den Nachmittag freigeräumt, um etwas zu tun, was im Silicon Valley kaum einer tut: vor Amazon-Chef Jeff Bezos warnen. Vor dessen Methoden, genauer gesagt.

Denn ausgerechnet das Cloud Computing, die Profitmaschine, die Amazon antreibt und überhaupt erst ermöglicht, dass der Konzern immer neue Branchen durcheinanderwirbelt, droht anderswo neue Ideen und Innovationen zu zerstören. Seit 2006 bietet Jeff Bezos, der den Grundstein zu seinem Imperium einst mit dem digitalen Buchhandel legte, Rechenleistung übers Internet gegen Gebühr an. Heute erwirtschaftet die Sparte Amazon Web Services (AWS), in der dieses Geschäft inzwischen gebündelt ist, den gesamten Gewinn. Im vergangenen Jahr lag er bei 4,3 Milliarden Dollar, während Amazon beim Onlinehandel 200 Millionen Dollar Verlust verbuchte.

Die Warnung, die Cheriton nun zwischen überfülltem Bücherregal und allerlei durcheinandergestapelten Geräten spricht: Die Unternehmen, die auf Bezos’ Versprechen vertrauen, mit der gemieteten Rechenkraft Geld zu sparen, flexibler und schneller zu sein, manövrierten sich in eine Sackgasse. „Das ist so, als ob man sein Gehirn an Bezos auslagert und ihm das Denken überlässt“, schimpft der Professor. „Es ist töricht und gefährlich.“

Nun ist Cheriton weder von Neid getrieben noch einer jener Akademiker, die von den Mechanismen der Techwirtschaft keine Ahnung hätten. Zusammen mit dem deutschen Unternehmer Andreas von Bechtolsheim, das ist die Ironie dieser Geschichte, hat er einst jene Netzwerktechnologien mitentwickelt, auf denen Internettycoons wie Bezos ihre Imperien errichtet haben. Und: Er hat Google mit auf den Weg gebracht, was erklärt, dass er ebenso wie der Amazon-Gründer auf der Liste der reichsten Menschen der Welt steht. Bezos belegt in dem Ranking des US-Wirtschaftsmagazins „Forbes“ mit einem Vermögen von 150 Milliarden Dollar den ersten Platz, Cheriton Nummer 289 – mit 6,7 Milliarden Dollar.

Geburtshelfer von Google

Ende der Neunzigerjahre suchen die Stanford-Studenten Larry Page und Sergey Brin den Rat des Professors. Sie haben eine neue Suchtechnologie entwickelt und wollen diese gegen eine Lizenzgebühr auch anderen Unternehmen zur Verfügung stellen. Eine schlechte Idee, findet Cheriton. Von seinem Geschäftspartner Bechtolsheim weiß er, dass dieser, als er Anfang der Achtzigerjahre die Sun-Microsystems-Hochleistungscomputer mit entwickelt hatte, sich ebenfalls an Lizenzen dafür versucht hatte. Und dass sich das als eine enorme Zeitverschwendung herausgestellt hatte. Viele Unternehmen bekundeten zwar Interesse, doch bewegten sich dann nicht. Cheriton dachte, dass er die beiden Google-Gründer, wenn Bechtolsheim ihnen von seinen Erfahrungen berichtet, dazu bringen kann, eine eigene Suchmaschine zu starten, statt diese zu lizenzieren.

Vor allem aber ärgert sich Cheriton damals über das dreiste Angebot eines Silicon-Valley-Anwalts: Der wollte Brin und Page, die den Prototypen ihrer Suchmaschine mit Ersparnissen und ihren Kreditkarten finanziert hatten, Investoren vermitteln – gegen fünf Prozent Unternehmensanteil als Provision. „Ich habe den beiden gesagt, dass ich das kostenlos mache, wenn ich mit investieren darf“, erzählt Cheriton.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%