David Cheriton Der Anti-Bezos

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Deutliche Worte sind nicht gut fürs Geschäft

Was Bechtolsheim ausspricht, ist die Mehrheitsmeinung im Silicon Valley. Reed Hastings, Mitgründer und Chef des Onlinevideodienstes Netflix, verteidigt bis heute seine Entscheidung, statt eines eigenen Netzwerks auf AWS gesetzt zu haben, auch wenn ihm Amazon mittlerweile mit einem eigenen Videoservice Konkurrenz macht. „Wir hätten nie so schnell wachsen können“, sagt Hastings. Sicherlich ist diese Meinung gespeist aus Pragmatismus, aber eben auch aus der Erfahrung, dass allzu deutliche Worte gegen die Mächtigen der Techwelt selten gut fürs Geschäft sind. Hinter vorgehaltener Hand äußern sich Unternehmer inzwischen deutlich skeptischer und sorgenvoller über Bezos’ Methoden.

Und vielleicht sieht es Cheriton, der Professor, der niemandem mehr etwas beweisen muss, auch deshalb als seine Pflicht, vor den Fallstricken des Cloud Computings zu warnen: „Wir reden hier über die Zukunft der Wirtschaft.“

Mit seinem Ruf als genügsamer Milliardär, dem es doch nur um die gute Sache gehe, kokettiert Cheriton gerne: Ein perfekter Tag, das sei für ihn einer, an dem er mit seinem Fahrrad zur Universität fahren, ungestört programmieren und später in der Wildnis wandern kann. „Je älter ich werde, umso mehr verzaubert mich die Schönheit der Natur“, sagt er.

Sein Haus hat er vor fast 40 Jahren gekauft und ein wenig modernisiert. Cheriton könnte sich Dutzende Villen kaufen. Dann hätte er plötzlich vielleicht „100 Badezimmer mit 100 Toiletten“, sinniert er. Wolle man sich um so etwas wirklich kümmern? Oder Leute anheuern, die man wiederum kontrollieren und koordinieren müsste? Cheriton schüttelt den Kopf über solche Gedankenspiele: „Der Besitz von zu vielen Dingen kostet Zeit, die ich nicht opfern will.“

Auch für schnelle Autos interessiert er sich nicht. „Machen nur Scherereien, außerdem fahre ich nicht gerne Auto.“ Statt einem Sportwagen vertraut er auf seinen 32 Jahre alten VW Vanagon. Weil er immer noch tadellos funktioniere und weil man in dem Kleinbus so schön hoch über der Straße sitze. Der bessere Blick hat ihm schon mal geholfen, im dichten Verkehr zu einem Investorentreffen im nahen Menlo Park einen Ferrari abzuhängen. „Es stellte sich heraus, dass wir zum gleichen Meeting unterwegs waren“, erzählt der Professor mit einem Schmunzeln.

Also gibt er sein Geld für anderes aus. 25 Millionen Dollar hat Cheriton seiner Alma Mater, der Universität von Waterloo nahe Toronto, für einen Informatikstudiengang gespendet, der zu den besten der Welt zählt. Auch die Forschung in Stanford hat er mit Millionen unterstützt – und schließlich in mehr als 20 Start-ups investiert, vor allem solche, die sich auf Automatisierung spezialisiert haben. Mit derartigen Geldspritzen aber hält sich der Professor inzwischen zurück: All das Wagniskapital, das im Silicon Valley kursiere, habe die Bewertungen in die Höhe getrieben. Fast täglich erreichen Cheriton E-Mails mit Bitten um Finanzierung, manchmal sogar mit Forderungen über 100 Millionen Dollar. „Als ob ich mal schnell 100 Millionen Dollar schicken würde“, feixt Cheriton.

Er muss jetzt los. Wieder nach Hause. Zum Programmieren. Ohne dass Bezos ihm dabei über die Schulter schaut.

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