



Führt diese Demokratisierung von Wissen nicht dazu, dass es so etwas wie eine von allen akzeptierte Wahrheit seltener gibt?
Da verwechseln Sie etwas. Es ist ja nicht so, dass es keine wissenschaftlich gesicherten Fakten oder Naturgesetze mehr gibt. Was fehlt, ist die Möglichkeit von oben herab eine einzige Wahrheit festzulegen. Physiker und Klimawissenschaftler wissen immer noch genau, welche Methoden wissenschaftlich zulässig sind und welche Quellen sie nutzen können. Aber klar, was die breite Öffentlichkeit angeht, ist Wissen wilder geworden und schwerer zu kontrollieren.
Wie kann ich als Internet-Nutzer denn herausfinden, welches Wissen vertrauenswürdig ist und welches nicht?
Wir alle müssen in unserem Umgang mit Informationen sehr viel mehr "Meta" werden. Sich das erste Ergebnis bei einer Google-Suche durchzulesen, reicht nicht, um sich Wissen anzueignen. Stattdessen müssen wir Netzwerke finden, deren Teilnehmer von einem Thema mehr Ahnung haben als wir. Das Finden und Sichzurechtfinden in diesen Netzwerken wird in Zukunft extrem wichtig. Wenn wir diese Fähigkeiten entwickeln, dann profitieren wir von der Wissensrevolution.
Aber wenn ich morgens in der U-Bahn sitze und wenig Zeit habe, bin ich froh über vorgefilterte Informationen. Ist das Zeitalter der Netzwerke nicht einfach furchtbar umständlich und zeitraubend?
Das wäre es, wenn das Internet tatsächlich so ungefiltert wäre, wie Sie es beschreiben. Aber die Verlinkungen, die Leute herstellen, sind ja auch Filter. Nehmen Sie eine Zeitung: Der Leser ist nicht in der Lage, die Nachrichten zu finden, die bei dem Redakteur auf dem Schreibtisch lagen, aber nicht publiziert wurden. Das Internet ist besser. Zwar filtert auch die Masse, aber wenn der Leser es will, findet er auch Dinge, die früher bei Zeitungen herausgeflogen wären - ein klarer Fortschritt.





Dennoch überfordert dieser Fortschritt viele Menschen. Warum sollten wir uns die Mühe machen und uns auf den Wandel einlassen?
Nehmen wir an, dass ich recht habe und die Welt zu kompliziert oder zu groß ist, um sie zu verstehen. In diesem Fall ist ein Medium wie eine Zeitung, das die Größe nicht abbilden kann, weniger wahrhaftig als ein Medium wie das Internet, das diese Größe tatsächlich abbildet. Mit dem Internet hat die Menschheit also erstmals ein Medium, das dem ziemlich vielfältigen Leben auf diesem Planeten gerecht wird. Gleichzeitig führt uns das Internet vor Augen, dass wir tatsächlich nie alles verstehen und wissen werden, was da draußen los ist.
Wahrhaftigkeit ist ja schön und gut. Aber was bringt sie uns, wenn wir vorher in der Informationsflut ertrinken?
Digitale Welt
Ich glaube nicht, dass das passiert. In 15 Jahren haben wir Möglichkeiten und Werkzeuge entwickelt, diese Massen an Informationen zu ordnen, zu filtern und ihnen Sinn zu geben. Es verblüfft mich, wie innovativ wir in dieser kurzen Zeit waren. Was uns die aktuelle Wissensrevolution zeigt ist doch: Es gibt nicht zu viele Informationen auf der Welt, sondern die Welt ist einfach zu interessant.