




Nach heftiger Kritik an den geplanten Daten-Obergrenzen im Festnetz der Deutschen Telekom hat Konzernchef René Obermann die Pläne in einem offenen Brief verteidigt. „Die Alternative wäre eine Preiserhöhung für alle Kunden, die in unseren Augen weder klug noch gerecht wäre“, argumentierte Obermann in dem Schreiben an Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). Er verwies auf den Anstieg der Datenmengen und die Milliarden-Investitionen, die die Telekom für den Ausbau der Netze machen müsse.
Obermann wies zugleich den Vorwurf zurück, die Telekom verstoße mit dem Plan gegen die Netzneutralität, weil ihr TV-Dienst Entertain nicht bei der umgeschlagenen Datenmenge mitgerechnet werde. „Die Internetdienste der Telekom wie Videoload.de, Telekom-Cloud und andere werden ebenso in das individuell verfügbare Volumen eingerechnet wie die Dienste von Wettbewerbern, wie beispielsweise Google oder Amazon.“ Entertain sei dagegen kein Internet-Dienst, „sondern eine von den Landesmedienanstalten durchregulierte separate Fernseh- und Medienplattform, für die unsere Kunden ein entsprechendes Zusatzentgelt bezahlen.“
Obermanns Brief vom vergangenen Donnerstag wurde von der Telekom am späten Sonntag im Internet veröffentlicht. Es war die Antwort auf einen Brief Röslers von Mitte vergangener Woche, der umgehend in die Medien durchsickerte.
Seit Bekanntgabe der Drosselungs-Pläne muss die Telekom viele Kundenbeschwerden samt Hohn und Spott einstecken. Eine Online-Petition gegen das Vorhaben hat bereits über 103.000 Unterschriften sammeln können. Im Internet haben die Drossel-Pläne einen Shitstorm, eine Welle der Empörung, ausgelöst. "So, die letzten Posts bitte. In 20 Minuten ist Sperrstunde. Wir schalten dann das Netz aus. Gute Nacht Follower!“, schrieb der Satire-Account mit dem bezeichnenden Namen „Deutsche Drosselcom“ Mitte vergangener Woche an seine Twitter-Leser. Das Twitter-Konto wurde unmittelbar nach der Ankündigung der Deutschen Telekom eingerichtet, sie wolle die Geschwindigkeit ihrer DSL-Internet-Zugänge drosseln. In kürzester Zeit hatte Deutsche Drosselcom mehrere Tausend Follower.
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Denn die Telekom schafft von 2016 an die Flatrate ab und verlangt zusätzliche Gebühren von Vielsurfern, die mit ihrem DSL-Anschluss ein Datenvolumen von mehr als 75 Gigabyte abrufen. Die Tarifreform gilt zwar vorerst nur für Neukunden, die ab dem 2. Mai einen neuen Vertrag abschließen. Doch viele befürchten, dass die Ankündigung nur ein Versuchsballon ist und bald auch alle anderen DSL-Kunden treffen wird. Frei nach dem Bundespost-Slogan „Fasse Dich kurz“ aus alten Monopolzeiten tritt die Telekom dann im Internet auf die Bremse. Die Kunden werden dann nur mit 384 Kilobit pro Sekunde im Schneckentempo durchs World Wide Web surfen, es sei denn, sie buchen zusätzliche Gigabytes dazu. Was die Zubuchoption kostet, ist noch offen. Details will die Telekom erst noch bekannt geben.
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Was steckt hinter dem Schachzug, was sind die Folgen
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Warum gibt die Telekom gerade jetzt die Drosselung bekannt?
Der Datenverkehr im Internet steigt exorbitant. Im Durchschnitt verbraucht jeder DSL-Kunde derzeit 15 bis 20 Gigabyte pro Monat. Doch der Boom bei Smartphones und Tabletts sorgt inzwischen dafür, dass künftig zu Hause noch mehr Geräte parallel mit dem Internet verbunden sind und permanent Daten in großen Mengen ausgetauscht werden. Denn zu Hause loggen sich auch die meisten Mobilgeräte über den heimischen WLAN-Router zwar drahtlos ins Internet ein, führen aber damit den Verkehr direkt über den Festnetzanschluss ab. In internen Hochrechnungen geht die Telekom davon aus, dass schon ab 2015 die traditionellen DSL-Anschlüsse „die Anforderungen der Kunden nicht mehr erfüllen werden“, wie es in einem Schreiben der Telekom an die Bundesnetzagentur heißt. Bandbreiten von maximal 16 Megabit pro Sekunde reichen dann nicht mehr aus, um all die sozialen Netzwerke wie Facebook sowie Web-Angebote mit hohem Datenverbrauch wie Musik und Filme online abspielen zu können. Problematisch ist insbesondere, dass viele Kunden inzwischen genauso viele Daten verschicken, wie sie empfangen. Da stoßen DSL- Anschlüsse an Grenzen.
Wieso gibt es die Engpässe im Telekom-Netz?
Die Deutsche Telekom hat in den vergangenen Jahren ihre Investitionen in neue Glasfasernetze wegen fehlender Rentabilität massiv zurückgefahren. Die Folgen bekommt sie bereits jetzt zu spüren. In Großstädten wie Köln und München bieten von Stadtwerken gegründete Telekomgesellschaften wie Netcologne und M-Net längst superschnelle Glasfaseranschlüsse an. Darüber hinaus wächst in etwa 60 Prozent der deutschen Haushalte mit den Kabel-TV-Anbietern Kabel Deutschland und Unitymedia ein Konkurrent heran, der mit deutlich schnelleren Internet-Anschlüssen und günstigeren Tarifen eine echte Alternative ist. In einigen Städten ist deshalb der Marktanteil auf unter 30 Prozent gerutscht. Damit hat die Telekom in Ballungszentren zu wenig Kunden, sodass sich ein Glasfaserausbau nicht lohnt. Die Folge: Deutschland gehört inzwischen zu den Industrieländern mit der geringsten Verbreitung von Glasfaseranschlüssen.