Digitale Optimisten
Quelle: imago images

Ein Jahr nach dem Clubhouse-Hype: Was wird aus Audio?

Vor einem Jahr war Clubhouse, eine sprachbasierte Chatroom-App, der Hype schlechthin in Deutschland, heute hat die Aktivität drastisch abgenommen. Innovativ war besonders der Fokus auf Audio. Ist Audio mit Clubhouse schon wieder tot? Es gibt Gründe, warum es jetzt erst losgeht.

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Anfang 2021 waren die deutsche Gesellschaft in einer merkwürdigen Phase der Pandemie. Lockdowns in Kitas und Schulen wurden verlängert und der massenhafte Einsatz von Impfstoffen verzögerte sich. Mitten in diese Melange aus Hoffen und Warten kam eine App, die völlig unerwartet einen Hype produzierte: Clubhouse.

Es klingt eigentlich ganz banal: Mit der Clubhouse-App konnte jeder User einen Chatroom einrichten und dann mit jedem, der in diesen Raum kommt, über alle möglichen Themen sprechen. Clubhouse nahm Anleihen bei vielen bestehenden Social-Media-Netzwerken. User können Communities bilden wie bei Facebook. Berühmte Persönlichkeiten waren wie bei Twitter nah- und erreichbar: Dorothee Bär, Joko Winterscheidt oder auch Mark Zuckerberg nahmen an Clubhouse-Diskussionen teil. Es entstanden sogar virale Momente, als Bodo Ramelow offenherzig erzählte, dass er in den Ministerpräsidentenkonferenzen in langweiligen Momenten auch mal Candy Crush spielt. Aber die meisten User empfanden als größte Innovation, dass sich alles ausschließlich über die Stimme abspielte – keine Bilder, keine Videos, einfach nur eine sprachbasierte Unterhaltung. Dass der Clubhouse Hype nach kürzester Zeit wieder abgeflaut ist, hat sicher viele überrascht – am meisten wahrscheinlich diejenigen, die in der Hochzeit Einladungen zur App für bis zu 200 Euro auf eBay ersteigerten. Heute ist Clubhouse in Apples App-Store-Charts nur noch auf Platz 46 in der Kategorie Soziale Netzwerke, ein Platz hinter einem Netzwerk für Hundebesitzer.

Woran hat es also gelegen, dass die Luft so schnell raus war? Lag es etwa daran, dass Audio eben doch nicht so stark bindet wie Videos auf YouTube oder TikTok? Gibt es überhaupt eine Zukunft für audiobasierte Geschäftsmodelle in dieser attention economy, die ihren Usern immer wieder den nächsten Aufmerksamkeitshappen hinwirft? Eine mögliche Antwort liegt in der Nutzung des Smartphones begründet. Es ist eine Binsenweisheit, dass viele Menschen in der westlichen Welt ohne ihr Smartphone nicht leben könnten. Wahrscheinlich gäbe es nicht wenige, die lieber auf ihr Wahlrecht verzichten würden, als auch nur einen Monat keinen Zugriff auf ihr Handy zu haben. Im Durchschnitt verbringen Bundesbürger zwischen drei und vier Stunden täglich mit dem Smartphone, wobei es hier offensichtlich eine große Spanne zwischen den Altersgruppen gibt. In diesen drei bis vier Stunden, bleiben wir mal bei dieser Zahl, ist die Konkurrenz um die Aufmerksamkeitsspanne enorm: Handyspiele wollen gespielt, E-Mails gelesen, Likes verteilt und Chat-Nachrichten geschrieben werden. App-Entwickler lassen es sich sehr viel Geld kosten, die Aufmerksamkeit von Nutzern in dieser kurzen Spanne zu erhaschen, deshalb arbeiten sie mit massiven Werbebudgets, Notifications, E-Mail-Remindern und mehr.

Was aber passiert in den Stunden, in denen das Display des Smartphones nicht an ist? Dann gibt es plötzlich kaum Wettbewerb um die Aufmerksamkeit des Nutzers – zumindest nicht durch das Handy. Genau dann aber können Nutzer viel tiefer und länger erreicht werden – und hier spielt Audio eine bedeutende Rolle, denn genau dann entfalten audiobasierte Medien ihre volle Wirkung. Bestes Beispiel sind Podcasts: passiver Konsum in Momenten, in denen das Display des Smartphones eben nicht an ist, beim Joggen vorm Schlafen- oder beim Gassigehen. Podcasts sind sehr erfolgreich sowohl in Quantität als auch in Qualität: Etwa 41 Millionen US-Amerikaner hören monatlich mindestens einen Podcast. Mein eigener Podcast „Digitale Optimisten“ wird pro Folge durchschnittlich 45 Minuten lang angehört – wo schenken Nutzer überhaupt noch so viel Aufmerksamkeit am Stück?

Es gibt viele Start-ups, die das Potenzial von Audio erkannt haben – trotz der Schwierigkeiten von Clubhouse. Zum Beispiel Franziska Focken, die mit ihrem Start-up Wayvs eine audiobasierte Dating-App entwickelt. Laut Focken sind Tinder und Bumble, die derzeitigen Platzhirsche auf dem Dating-Markt, sehr gut darin, massenhaft Matches zu produzieren. Wenn es aber dann zum Date kommt, dann merken Menschen schnell, oft in den ersten Minuten, ob es wirklich passt – oder das Date nach zehn Minuten beendet ist. Zig Fotos und Chat-Nachrichten können dann nicht das Bauchgefühl überstimmen, das durch Körpersprache und Stimme des Gegenübers entsteht. Laut Focken nehmen wir sogar über 30 Prozent aller Informationen in einem Gespräch über die Stimme wahr. Mit dieser Strategie möchte Focken mehrere Dinge besser machen als ihre großen Wettbewerber aus den USA. Ebenjene Enttäuschungen beim ersten persönlichen Treffen sollen weniger häufig vorkommen, wenn man die Stimme des Gegenübers kennt. Außerdem sind Sprachnachrichten bei weiblichen Usern häufig sehr beliebt – dadurch, dass dieses Feature von Wayvs zum unique selling point gemacht wird, sollen mehr Frauen auf die Plattform gelockt werden. Und diese sind auf Datingplattformen aber notorisch rar. Insgesamt sollen anders als bei der Konkurrenz authentische Verbindungen auf Anhieb zustandekommen.

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Und, ist Audio also schon tot? Clubhouse war ein Hype, dem du Puste ausging. Podcasts sind ein Trend, der schon lange anhält und in den nächsten Jahren wahrscheinlich noch mehr Zug entwickelt. Das Potenzial von audiobasierten Modellen kann groß sein, wenn sie authentische Verbindungen herstellen oder einen passiven Konsum, wenn das Display eben nicht an ist, anbieten.

Mehr zum Thema: Die vollen Interviews mit allen drei Gründern hören Sie im Podcast „Digitale Optimisten“ des Kolumnisten. Apple Podcasts / Spotify

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