Digitale Optimisten
Start-up Quelle: imago images

Zeitenwende für Start-ups: So optimieren Gründer ihre Preisstrategie

Jahrelang gab es für wagniskapitalfinanzierte Start-ups nur eine Devise: Umsatzwachstum steigern, Verluste sind zweitrangig. Jetzt brechen neue Zeiten an und Start-ups müssen strukturiert über ihre Preisstrategie nachdenken, um profitabel zu werden. Wie kann das gelingen?

  • Teilen per:
  • Teilen per:

„Land and expand“ – das ist die Maxime vieler Start-ups, wenn sie über ihre Preisstrategie nachdenken. Der primäre Fokus ist so schnell wie möglich Kunden zu gewinnen – profitabel werden kann man später immer noch. Das ist das Rezept der Quick-Commerce Anbieter Gorillas und Flink: Der „land grab“ erfolgt Stadt-für-Stadt, Bestellung-um-Bestellung. Hauptsache Kunden gewinnen bevor die App des Wettbewerbers auf dem Smartphone ist. Ein scheinbares Vorbild ist Uber, das mit Hilfe von Wagniskapital jahrelang eine aggressive Expansionsstrategie forcierte ohne Profite zu machen, und damit substanzielle Marktanteile gewinnen konnte. Es kann aber auch schief gehen: WeWork hat bis zur spektakulären Implosion kurz vor der Corona-Pandemie galoppierende Verluste gemacht, die das Unternehmen letztlich begruben.

Zeitenwende für Start-ups – Pricing rückt in den Fokus

Mit langmütigen Investoren ist es möglich dieses Spiel zu spielen, auch wenn die versprochenen Gewinnquellen erst in zehn oder mehr Jahren sprudeln. Die Zeiten für Start-ups haben sich aber fundamental geändert: Der Risikoappetit des Venture Capital ist spürbar zurückgegangen. Wer jetzt als Start-up frisches Geld aufnehmen muss, sieht sich mit der Frage konfrontiert: Was ist eigentlich euer Pfad zur Profitabilität, und wann macht ihr Gewinne?

Das vermutlich wertvollste Instrument für jedes Unternehmen, Gewinne zu erwirtschaften, ist der Preis. Betriebswirtschaftlich liegt der Wert auf der Hand, beeinflusst der Preis doch die finanziellen Mittel, die ein Start-up von Kunden einnimmt. Preise haben für Start-ups aber auch eine nicht zu unterschätzende Signalwirkung an potenzielle Kunden – ist dieses Produkt von einem Unternehmen, das keiner kennt, wirklich meine Aufmerksamkeit wert?

Gute Preisstrategien sind heute wichtiger denn je – hier sind 5 Tipps, wie Start-ups bessere Preise setzen können.

Klare Pricing-Ziele definieren

Kein Start-up ist in der exakt gleichen Situation. Das eine ist auf der Suche nach Referenzkunden, das Nächste will seine Maschinen auslasten und ein anderes möchte seine Margen erhöhen. Diese Ziele können sich gegenseitig ausschließen: wenn der Preis erhöht wird, steigt die Marge, aber möglicherweise sinkt die verkaufte Menge und daraufhin der Marktanteil. Wenn der Preis gesenkt wird, dann steigt die Adoption in der Zielgruppe, das abgesetzte Volumen mag steigen, aber die Margen sinken. Start-ups sollten sich auf wenige Metriken konzentrieren, und diese konsequent bearbeiten. Wichtiger noch: Wissen alle Entscheidungsträger, welche Kennzahl im Vordergrund steht?

Zahlungsbereitschaft von Beginn an verstehen

Auf der Suche nach dem Product-Market-Fit, also der Erkenntnis, dass das Produkt die richtige Lösung auf ein relevantes Problem der Nutzer ist, konzentrieren sich Start-ups oft darauf zu verstehen, ob es eine Gruppe von frühen Nutzern gibt, die ihr Produkt verwenden würden. Gorillas und Flink haben diesen Product-Market-Fit gefunden, als die digitale Boheme im Prenzlauer Berg und Berlin-Mitte in der Corona-Pandemie angefangen hat, für ihre Nudelpackung nicht mehr zum Späti zu gehen, sondern sich diese in 10 Minuten liefern zu lassen. Aber: Es macht einen großen Unterschied, ob Gorillas Supermarktpreise und Lieferkosten von 0 Euro verlangt, oder die Produkte 10% mehr kosten als im Supermarkt und dann auch noch 4,50 Liefergebühr anfällt. Ohne zu wissen, ob Kunden eine Zahlungsbereitschaft für den Service haben, fehlt die Basis für eine erfolgreiche Geschäftsentwicklung.

Diese willingness-to-pay ist zentral für eine erfolgreiche Preisstrategie: Welche Aspekte des Angebots haben einen so hohen Wert für die Zielgruppe, dass sie tatsächlich bereit ist dafür Geld zu zahlen. Um das herauszufinden, sollten Start-ups so früh wie möglich eine ganz simple Frage in Gesprächen mit Nutzern stellen: „Sind Sie bereit für dieses Angebot zu zahlen?“ Falls die Nutzer dazu Nein sagen – warum? Ist das Problem für die Nutzer am Ende doch gar nicht so groß, wenn sie dafür zahlen müssen? Start-ups müssen diese Information so früh wie möglich kennen, denn niemand will die Energie investieren, um am Ende ein Produkt zu entwickeln, für das niemand zahlen möchte.

Kundensegmente basierend auf der Zahlungsbereitschaft bilden

Nicht jeder Kunde ist gleich. Wie fasst man aber Gruppen von Kunden so in Segmente zusammen, dass man sie gezielt bearbeiten kann? Häufig nutzen Start-ups demografische oder verhaltensrelevante Kriterien: Alter, Geschlecht oder Personas. Selten wird die Zahlungsbereitschaft der Kunden für einzelne Features als Grundlage für die Segmentierung verwendet, obwohl das große Vorteile haben kann. Hat ein Kundensegment eine hohe Zahlungsbereitschaft für eine sofortige Lieferung, ein anderes Segment legt Wert auf besonders ökologisches Handling und ein drittes möchte nur für Basisfunktionen einen (geringen) Preis zahlen? Daraus können drei Angebotspakete werden: Eins bietet eine Lieferung am nächsten Tag, das zweite bündelt den CO2-Offset und das dritte ist das no-frills-Einsteigerpaket. Das Vorgehen kann nicht nur höhere Durchschnittspreise erreichen, sondern dem internen Sales-Team bei der Marktbearbeitung helfen.

Innovative Preismodelle können sich lohnen

Steffen Allesch ist Co-Gründer und CEO von alphin, einem Berliner Start-up, das lokalen Geschäften wie Restaurants und Einzelhändlern dabei hilft, online Kunden zu gewinnen. Bevor alphin sein Produktangebot erweiterte, brachte das junge Unternehmen in der ersten Version Social-Media-Influencer mit lokalen Geschäften zusammen: Influencer kriegen spezielle Rabatte, wenn sie mit ihrer Social Media Präsenz für einen lokalen Store werben. Zu Beginn setzt Allesch auf eine proportionale Bezahlung: Immer wenn ein Influencer einen Post absetzt, sollte das lokale Geschäft einen kleinen Beitrag an seine Plattform zahlen. Um das sicherzustellen, musste eine umständliche Prozedur aus dem Scannen von QR-Codes und einer Kontrolle der Social Media Posts funktionieren. Erst als Allesch auf ein Abo-Modell für Restaurants und co. umstellte, konnte er die Interessen aller Stakeholder zusammen bringen: Influencer müssen zwar weiterhin einen QR-Code scannen, allerdings können lokale Geschäfte mit einem fixen Budgetbetrag kalkulieren und Alleschs Start-up hatte weniger Kosten für die operative Abwicklung.

Es gibt viele Beispiele von Preisinnovationen – auch die Einführung der Flatrate in der Telekommunikation schaffte enormen Wert für Unternehmen und Nutzer. Start-ups sollten sich daher genau überlegen in welcher Form sie Kosten in Rechnung stellen. Abo-Modelle, Freemium, auktionsbasierte Modelle und verbrauchsbezogene Preise können alle den Wert verändern, den Kunden im jeweiligen Angebot sehen.

Keine Angst haben, Preispunkte zu testen

Manche Start-ups fürchten sich geradezu davor überhaupt Preise zu verlangen. Für manche Gründer fühlt es sich so an, als wenn sie auf einer Party plötzlich Geld von den Gästen einsammeln, damit der DJ noch eine Stunde länger spielt. Kein Wunder, dass einmal gesetzte Preise häufig nicht verändert werden, aus Angst davor Kunden zu verlieren. Andere Aspekte eines Start-ups, wie zum Beispiel die Marketing-Botschaften oder das Layout der Website, werden dagegen dauernd getestet – warum nicht Preise? Wie entwickelt sich die conversion rate bei potenziellen Neukunden, wenn verschiedene Produktbündel und Preispunkte variiert werden?

Eine Möglichkeit für Start-ups, Preise zu testen und effektiv zu erhöhen ist die 10-5-20 Regel. Wenn Start-ups davon überzeugt sind, einen zehnfach höheren Wert für ihre Kunden verglichen mit Wettbewerbern zu liefern, dann kann es damit beginnen die Preise schrittweise um 5 Prozent zu erhöhen. Das macht es in regelmäßigen Abständen so lange, bis 20 Prozent der Kunden abgesprungen sind. Übrig bleiben häufig höhere Gewinne und ein loyaler Kundenstamm.

Ein Jahr Atomausstieg „Natürlich wäre der Strom mit Atomkraft günstiger“

Vor einem Jahr gingen die letzten drei deutschen Atomkraftwerke vom Netz. Kritiker halten das bis heute für einen Fehler. Zu Recht? Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm über mangelnden Pragmatismus und hohe Preise.

Volkswagens Sparprogramm VW macht Ernst: So will der Autobauer den Personalabbau vorantreiben

Die Volkswagen AG startet ihren Personalabbau: Dabei soll es auch ein Freiwilligenprogramm mit Abfindungen geben. Wer besonders schnell zusagt, erhält 50.000 Euro extra. Zudem wird die Altersteilzeit ausgeweitet.

Varengold Bank Was hat diese Hamburger Privatbank mit heiklen Irangeschäften zu tun?

Die Varengold Bank war Drehscheibe für den Handel mit dem Iran. Nun geben Dokumente Einblick in die mutmaßlichen Geschäfte – und offenbaren Mittelsmänner.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Die Zeiten für Start-ups haben sich verändert – billiges Geld von Venture Capital Firmen ist nicht mehr im Überfluss vorhanden, und Geschäftsmodelle müssen sich perspektivisch von alleine tragen können. Pricing spielt eine zentrale Rolle dabei, und Start-ups sind gut beraten, wenn sie von Tag eins an aktiv darüber nachdenken.

Mehr Start-up Ideen und Strategien, diese erfolgreich zu machen, hören Sie im Podcast „Digitale Optimisten“ des Kolumnisten.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%