Digitaler Impfpass Wie Altötting zum Impfpass-Vorbild wurde – und was man dort als nächstes plant

In Altötting bekommen Menschen schon seit Januar einen Impfnachweis samt QR-Code auf der Rückseite. Quelle: PR

Eigentlich sei er „kein besonders Digitaler“, sagt der Altöttinger Landrat Erwin Schneider. Beim digitalen Impfpass wurde er dennoch zum Vorbild für Deutschland. Ein Gespräch über Zufälle und den Mut „einfach mal anzufangen“.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

WirtschaftsWoche: Herr Schneider, in Deutschland soll der digitale Impfnachweis im Mai eingeführt werden, EU-weit ab Sommer verfügbar sein. Bei Ihnen in Altötting aber bekommen ihn die Menschen schon seit Januar. Wieso haben Sie geschafft, wofür der Rest des Landes noch Monate braucht?
Erwin Schneider: Um ehrlich zu sein, dass es ein computerlesbarer Nachweis wird, hatte ich anfangs gar nicht geplant. Ich habe im Herbst, als klar wurde, dass die Impfstoffe tatsächlich kommen, nur überlegt, wie ich die Zurückhaltung mancher Menschen überwinden und sie ermuntern könnte, sich impfen zu lassen. Da hatte ich die Idee, dass wir ihnen eine Art Ausweiskarte anbieten, mit der sie später mal bequem ihre Impfung belegen könnten. Sei es beim Eintritt in ein Museum, oder bei was auch immer. 

Das war noch als rein analoger Ausweis gedacht?
Ja, wie ein Führerschein oder so. Ich habe dann dem Bürgermeister von Marktl am Inn, Benedikt Dittmann, in einem Telefonat von meiner Idee erzählt. Der ist einiges jünger als ich und meinte, „So eine Impfkarte muss man doch richtig machen, also gleich digital und computerlesbar.“ Ein paar Tage später habe ich dann mit Rudolf Schleyer telefoniert, dem Chef der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern, der AKDB. Ich habe von meiner Idee gesprochen und da sagt der: „Ich hab‘ die Technik, die Du brauchst.“ Die hatten diese Blockchain-Lösung schon parat, die wir jetzt für unseren Ausweis verwenden – und die ja nun auch bundesweit eingesetzt werden soll.

Das heißt, Ihr Impfnachweis war eher ein Zufallsprodukt?
Nicht der Nachweis selbst, der war schon so geplant. Aber halt nicht von Anfang an computerlesbar und per Blockchain abgesichert. Ich bin ja bald 60 und kein besonders Digitaler. Dass wir im Landkreis Altötting schon im Januar fertig hatten, was nun Vorbild ist für ganz Deutschland, das hat sich halt Schritt für Schritt ergeben und am Ende einfach perfekt gefügt.

Erwin Schneider, 59, ist seit 2000 Landrat im bayerischen Landkreis Altötting an der Grenze zu Oberösterreich. Der CSU-Politiker ist Agrarwissenschaftler und war unter anderem Geschäftsführer beim Arbeitgeberverband Land- und Forstwirtschaft. Von 1994 bis 2000 war er Mitglied im Bayerischen Landtag. Quelle: PR

Wie lange hat es gedauert, vom Beschluss, den Impfbeleg zu digitalisieren, bis zu dem Moment, als das System bei Ihnen lief?
Nicht mal einen Monat. Mitte Dezember war klar, dass wir’s machen. Dass wir die Plastikkarte ausgeben – vorne mit Foto, Name, Geburtsdatum, Adresse, Impfterminen und Impfstoff; hinten mit einem QR-Code, in dem die Informationen computerlesbar und mit einem digitalen Schlüssel signiert gespeichert sind. Und zum Jahreswechsel stand die Technik bereits. Die Leute bei der AKDB, bei Ubirch, von denen die Plattform stammt, und bei der IT-Genossenschaft GovDigital, die die Blockchain verwaltet, über die die Ausweise abgesichert sind, die haben alle auch zwischen den Weihnachts- und Neujahrstagen gearbeitet, damit das rechtzeitig klappt. 

Dass Ihr Impfnachweis schon bald durch eine bundesweite Lösung überholt sein könnte, hat Sie nicht geschreckt?
So groß waren das Risiko und der technische Aufwand nicht, als dass wir es nicht hätten versuchen können. Man muss halt mit der Digitalisierung auch einfach mal anfangen.

Wie ist die Resonanz der Menschen auf die Karte?
Die hat mich echt umgehauen. Wir haben hier bisher mehr als 11.000 Menschen geimpft und mehr als 90 Prozent davon wollten das Kärtchen haben. Das hätte ich nicht erwartet. Denn das sind ja erst einmal alles ältere Leute gewesen, die damit jetzt eher nicht mehr weit ins Ausland in den Urlaub fliegen, ein Kino oder Rockkonzerte besuchen wollen. 

von Thomas Kuhn, Thomas Stölzel, Cordula Tutt, Silke Wettach

Wie groß ist der Aufwand, den Nachweis auszustellen?
Das sind ein paar Minuten, die es im Impfzentrum zusätzlich braucht, wenn die Menschen die Karte haben wollen. Dann machen wir ein Digitalfoto, erfassen die Daten an einem Laptop, der an unsere IT angeschlossen ist. In der Software wird der Kryptoschlüssel erstellt und ein Prüfcode, der zum Datensatz passt, mit der Blockchain verknüpft. Persönliche Daten werden da übrigens nicht gespeichert. Und am Ende wird alles auf die Karte gedruckt. Das passiert in der Zeit, in der die Menschen eh nach der Impfung noch zur Kontrolle auf Impfreaktionen warten müssen.

Rund 2,7 Millionen Euro kalkuliert der Bund für Aufbau und Betrieb der deutschlandweiten Impfnachweis-Plattform. Wie viel zahlen Sie pro Ausweis?
Pro Eintrag in die Blockchain zahlen wir acht Cent, dazu kommen Kosten für die Kartenrohlinge, fürs Bedrucken und halt das Personal. Wir haben dazu ein paar Mitarbeiter extra eingestellt. Alles zusammen sind das vielleicht 1,50 Euro pro Ausweis. Und wenn ich mir die positive Resonanz ansehe, die wir damit erzeugen, ist es das sicher wert. Aber es ist natürlich auch klar, dass die Lösung, die nun bundesweit kommt, komplexer sein wird. Sie soll ja noch mit anderen Systemen im digitalen Gesundheitswesen verknüpft werden – mit den Arztpraxen und der Erfassung fürs Robert-Koch-Institut beispielsweise, die heute schon bei in den Impfzentren läuft. 

Das heißt, wer jetzt schon einen Altöttinger Impfausweis hat, muss sich später noch einen zweiten, nationalen besorgen?
Das kann sein, aber das wissen wir noch nicht. Das Gute ist ja, dass der Bund im Grunde auf genau die technische Lösung setzt, die wir schon laufen haben. Das heißt, es könnte sein, dass wir unsere Daten am Ende einfach dort einspielen können. Künftig sollen die Leute ja auch einen QR-Code bekommen, in dem ihre Daten erfasst sind. Nur halt auf Papier und nicht auf einem schönen Kärtchen wie bei uns. 

Das interessiert WiWo-Leser heute besonders

Geldanlage Das Russland-Risiko: Diese deutschen Aktien leiden besonders unter dem Ukraine-Krieg

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine belastet die Börsen. Welche deutschen Aktien besonders betroffen sind, zeigt unsere Analyse.

Krisenversicherung Warum Anleger spätestens jetzt Gold kaufen sollten

Der Krieg in der Ukraine und die Abkopplung Russlands von der Weltwirtschaft sind extreme Inflationsbeschleuniger. Mit Gold wollen Anleger sich davor schützen – und einer neuerlichen Euro-Krise entgehen.

Flüssigerdgas Diese LNG-Aktien bieten die besten Rendite-Chancen

Mit verflüssigtem Erdgas aus den USA und Katar will die Bundesregierung die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland mindern. Über Nacht wird das nicht klappen. Doch LNG-Aktien bieten nun gute Chancen.

 Was heute noch wichtig ist, lesen Sie hier

Und dann schalten Sie die Altöttinger Blockchain wieder ab?
Es ist ja nicht unsere. Die läuft schon weiter, auch wenn unser Ausweis irgendwann mal durch eine bundes- oder Europa-einheitliche Lösung abgelöst ist. Aber das heißt nicht, dass dann das Thema für uns erledigt wäre. Im Gegenteil, ich bin nach den guten Erfahrungen mit der Technik richtig zum Blockchain-Fan geworden. Nun prüfen wir, welche Dokumente wir damit noch alles fälschungssicher machen können. Da gehen wir in den kommenden Monaten und Jahren ganz sicher einige spannende Projekte an.

Mehr zum Thema: Der europäische digitale Impfpass birgt das Versprechen auf Sommerferien im Ausland – aber auch die Gefahr von Datenmissbrauch dort, warnt der EU-Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiórowski.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%