ZEIT: Wie viele E-Books verkaufen Sie überhaupt?
Schöffling: Nicht so viele. Zwischen einem halben und einem Prozent der im Hardcover verkauften Bücher. Ein aktuelles Hardcover, das wir 20.000 Mal verkauft haben, ging als E-Book gerade 270 Mal raus.
ZEIT: Bei den E-Book-Preisen – kein Wunder.
Zeh: Sehe ich genauso.
Schöffling: Billiger als das normale Buch ist es bei uns schon. Bei Neuerscheinungen liegt das E-Book fünf bis sechs Euro unter Ladenpreis. Kommt das Taschenbuch, müssen wir automatisch auch das E-Book billiger machen. Aber ich kann es nicht für drei Euro verramschen.
ZEIT: Ihre Gewinnmarge ist doch trotzdem größer als beim gedruckten Buch, weil Druck, Vertrieb und Handelsspannen wegfallen!
Schöffling: Von Gewinn will ich gar nicht sprechen, dafür ist der elektronische Verkauf zu marginal. Die Herstellungskosten sind zwar geringer. Aber Werbung und Vertrieb kosten weiterhin. Wenn wir ein gebundenes Buch für 19,95 Euro verkaufen, muss der E-Book-Preis bei 14,95 Euro oder 15,95 Euro liegen.
ZEIT: Der digitale Vertrieb bringt doch aber enorme Vorteile. Angesichts des Preises, den Apple beim Verkauf eines Buches für das iPad heute von Ihnen verlangt, halbieren sich Ihre Vertriebskosten. Also müssten Sie das Buch mindestens ein Drittel billiger anbieten.
Schöffling: Ja, aber es gibt vier bis fünf verschiedene Formate für die verschiedenen Lesegeräte. Wenn dieser Aufwand irgendwann wegfällt, wird das E-Book noch einen oder zwei Euro billiger.
Zeh: Trotzdem wäre es schlau, es jetzt schon günstiger anzubieten, selbst wenn man draufzahlt.
Schöffling: Juli, das Problem ist, dass ein Verlag wie deiner bei ungefähr 90 Prozent aller Bücher draufzahlt.
ZEIT: Bei Ihren Katzen-Kalendern zahlen Sie nicht drauf.
Schöffling: Bei den Kalendern nicht und bei Juli Zeh nicht. Aber insgesamt, wenn Sie es mit der Literatur ernst meinen, machen Sie gelegentlich Verluste. Wir wissen beim Essayband oder bei Gedichten vorher, dass sie sich nicht rechnen – und machen sie trotzdem.
ZEIT: Haben Sie bei irgendeinem von Juli Zehs Büchern Geld verloren?
Schöffling: Nein. Weder die Autorin noch der Verlag.
Zeh: Ich bin sozusagen ein Kalender.
Schöffling: Stimmt.
ZEIT: Wenn Sie wissen wollen, wie die Zukunft der Literatur aussieht, schauen Sie in die Vereinigten Staaten. Dort sind die Preise für E-Books schon jetzt deutlich niedriger als hierzulande, und manche Verlage verkaufen bereits 20 bis 25 Prozent ihrer Bücher digital. Zugleich kauft der E-Book-Leser im Durchschnitt mehr Romane als der Leser gedruckter Bücher.
Zeh: Ich finde, dass so eine Datei von einem Roman nicht mehr als zehn Euro kosten kann, gerade wenn man daran denkt, was in der Musikbranche passiert ist. Denn es ist den Lesern leider schwer zu vermitteln, wie viel eine Buchproduktion kostet und wie wenig Autor und Verlag daran verdienen.
Schöffling: Das glaubt wirklich kein Mensch.
Zeh: Wenn ich erzähle, wie wenig wir für Buchverkäufe bekommen, denken alle, das ist gelogen.
Schöffling: Bei den gebundenen Büchern sind die Preise in den vergangenen 15 Jahren überhaupt nicht gestiegen, sondern um ungefähr 7 Prozent gefallen. Das Vergnügen zu lesen wird so oder so billiger.
Zeh: Aber der Endkunde glaubt es nicht. Wer im Internet eine Datei kauft, dem ist sie einfach nicht so viel wert, wie die Verlage heute verlangen, auch weil sie mit Kopierschutz belegt ist. Man kann sie nicht einfach dem besten Freund leihen wie das gute alte Buch. Nach dem Motto: Reich mir mal das E-Book rüber.
ZEIT: Wie halten Sie es dann mit der Musik?
Zeh: Ich kaufe mir immer noch eine CD, weil ich nicht einsehe, 12 oder 13 Euro für bloße Dateien zu bezahlen.
Schöffling: Irgendwann bekommen wir den Preis, den der Markt hergibt. Das ist nun mal so im Kapitalismus. Alle fangen relativ hoch an, aber irgendwann wird ein Verlag die Preise senken.
Zeh: Könnten das nicht wir sein?
Schöffling: Unsere Marktmacht reicht dafür nicht.
Zeh: Aber manchmal muss man in die Zukunft investieren, indem einer vorausdampft!
Schöffling: Nicht wir.