




Wie gut das Wetter draußen ist, verrät Dieter Kempf der Blick auf sein Smartphone – allerdings auf höchst unerwartete Weise. Denn statt – was naheliegend wäre – an der Wetter-App im Telefon erkennt Kempf an der Ladezeit von Webseiten oder Videostreams im Handy, ob es vor den Toren von Nürnberg, wo der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) zuhause ist, regnet oder die Sonne scheint.
Der simple Grund: „Bei uns zuhause haben wir nicht mal ein Megabit auf der Leitung“, erzählt Kempf, der vor dem Wechsel zum BDI viele Jahre Chef des IT-Verbandes Bitkom und Vorstandsvorsitzender des IT-Dienstleisters Datev war. Das Problem teilt er mit seinen Nachbarn. Deren Festnetz-Internetanschlüsse sind so langsam, „dass fast jeder hier über Mobilfunk online geht“, beschreibt der Verbandschef die zum Normalfall gewordene Notlösung – und deren verblüffenden Nebeneffekt: „Wenn’s regnet und alle drinnen übers Handy online gehen, müssen wir uns die Bandbreite einer örtlichen Funkzelle teilen.“ Je schlechter das Wetter, desto langsamer wird das Internet für jeden Nutzer. „Dabei leben wir nicht mal auf dem Land, sondern bloß am Stadtrand.“
Was für den Verbandsvertreter bloß lästig ist, entwickelt sich für die Mitglieder seiner Vereinigung zunehmend zu einem Wachstumsrisiko. Zumindest theoretisch nämlich ermögliche die Digitalisierung den deutschen Unternehmen Produktivitätssteigerungen von annähernd 80 Milliarden Euro bis 2025, hat jüngst der Bitkom hochgerechnet. Praktisch aber fehlen bisher kreuz und quer durchs Land die dafür erforderlichen Internet-Zugänge für Unternehmen: „Wir brauchen bis 2025 flächendeckende bedarfsgerechte Gigabit-Infrastrukturen im Fest- und Mobilfunknetz“, fordert Kempf daher bei jeder passenden Gelegenheit.
Er hätte sich gewünscht, erzählt er, wenn sich die Bundesregierung beim Breitbandziel mehr auf den Anschluss von Gewerbebetrieben beziehungsweise Gewerbegebieten konzentriert hätte. „Aber Gewerbegebiete gehen halt nicht zur Wahl.“
Dabei ist die Lage desolat, wie die Bundesregierung Ende 2016 auf eine kleine Anfrage der Grünen im Bundestag einräumen musste: Mehr als 23.000 Gewerbegebiete in der Republik haben bis heute keinen Anschluss an die schnellen, zukunftsträchtigen Glasfasernetze. Und dabei gibt es bundesweit gerade einmal rund 11.000 Städte und Gemeinden. Besonders schlecht sieht es in den Flächenländern Sachsen und Bayern aus, die die Liste der abgekabelten Gewerbeflächen mit immerhin 3819 beziehungsweise 3352 Standorten anführen. NRW folgt mit 2721 unerschlossenen Gewerbestandorten auf Platz drei.
Etwas Entspannung soll das mit immerhin 350 Millionen Euro finanzierte „Sonderförderprogramm Mittelstand“, das Bundesverkehrs- und -infrastrukturminister Alexander Dobrindt im Juni vergangenen Jahres angekündigt hat. Es schließt eine Förderung zur Anbindung von Gewerbegebieten an Glasfasernetze ein. Und die Deutschen Telekom hat angekündigt, beschleunigt Gewerbestandorte an die Glasleitungen anschließen zu wollen. Letzteres allerdings ist eher Kosmetik als eine wirkliche Lösung des Gesamtproblems, schließlich hat der Bonner Netzriese erst einmal nur die paar wichtigsten hundert unversorgten Firmenquartiere im Visier.