Digitalisierung KI ist Motor der Digitalisierung, wir dürfen ihn nicht abwürgen

Symbolbild Machine Learning Quelle: imago images

KI wird künftig in jedem digitalen Gerät stecken: Vom Mixer bis zur hochkomplexen Industriemaschine. Doch Deutschland und Europa setzen auf weitgefasste Regulierung – damit droht ein großer Nachteil im Wettbewerb um die Technologieführerschaft.

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Martin Schallbruch ist Direktor des Digital Society Institute, ESMT Berlin. Zuvor war er Abteilungsleiter für Digitale Gesellschaft und Cybersicherheit im Bundesministerium des Innern.

Jedes digitale Gerät wird über kurz oder lang künstliche Intelligenz (KI) enthalten und damit effektiver sein: Intelligente Glühbirnen werden Beleuchtung verbessern und gleichzeitig Strom sparen, Autos werden viele Unfälle vermeiden können, Landmaschinen guten Ertrag mit geringerer Umweltbelastung kombinieren. Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit, Wettbewerbsfähigkeit – viele Ziele können mit Hilfe von KI deutlich besser erreicht werden. Doch in der Debatte um die Anwendung von KI werden ethische und regulatorischen Fragen überbetont, dadurch drohen sich Deutschland und Europa ins Abseits zu katapultieren.

KI zu regulieren, ist ohne Frage notwendig. Aber die Debatte um die Ethik der KI und eine entsprechende Regulierung hat sich in Deutschland und Europa verselbständigt. Zahlreiche Gremien und Einrichtungen beschäftigen sich umfassend mit der Ethik der KI. Gerade erst hat die KI-Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages ihre Ergebnisse vorgelegt, auch der KI-Ausschuss des Europäischen Parlaments debattierte in diesen Tagen wieder über die Anwendung. Doch was stets dominiert, sind die ethischen Fragen – statt sich darauf zu fokussieren, wie der Einsatz von KI in Europa besser gefördert werden kann.

Dabei soll die EU die Technologieführerschaft bei der KI übernehmen, so das Ziel der europäischen Kommission. Im Februar hat sie deshalb ein Weißbuch vorgelegt, darin beschäftigt sie sich auf acht Seiten mit Plänen zur Förderung der künstlichen Intelligenz – während auf 19 Seiten Fragen der Risiken, der ethischen Verantwortbarkeit und weitreichende Pläne zur Regulierung der KI ausgebreitet werden. Im Mittelpunkt steht eine übergreifende, alle KI-Systeme umfassende neue Gesetzgebung.

Das Europäische Parlament beschäftigt sich bereits mit konkreten Regulierungsplänen. Auf nationaler Ebene hatte die von der Bundesregierung eingesetzte Datenethikkommission im vergangenen Jahr vorgeschlagen, alle KI-Systeme gesetzlich zu erfassen, ihr Risiko zu bewerten und je nach Risiko Sicherheitsvorschriften zu erlassen. Das aber würde zukünftig jedes Fahrzeug und jeden Rasenmäher betreffen, alle Industriemaschinen, jede Kamera, elektrische Zahnbürste oder Glühbirne. Jedes System wird KI enthalten – und nun sollen tatsächlich alle durch übergreifende KI-Gesetze reguliert, bewertet, geprüft und mit Auflagen versehen werden?

Ohne Zweifel sind mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz neuartige Risiken verbunden. Spätestens dann, wenn ein KI-System Entscheidungen trifft oder vorschlägt, die gravierende Auswirkungen haben können – etwa bei autonomen Fahrzeugen oder in der Medizintechnik, stellen sich Fragen einer Kontrolle der KI-Systeme und eines angemessenen Risikomanagements – bis hin zu ethischen Fragen der Verantwortbarkeit solcher Systemen in dem jeweiligen Einsatzfeld.

Doch nach den aktuellen würden die Gesetzgeber neben die Gesetzgebung zum Datenschutz und dem stetig wachsenden IT-Sicherheitsrecht eine dritte Säule umfassender Digitalregulierung stellen: das KI-Recht. Für die meisten Systeme würden dann alle drei Gesetze mit ähnlichen Anforderungen beachtet werden müssen: Transparenz, Risikominderung, unabhängige Prüfung, Aufsichtsbehörden, Meldepflichten.

Für den Motor das derzeitige Rückgrat unserer technischen Welt bildet, gibt es eine solche übergreifende, horizontale Regulierung eines europäischen oder deutschen „Motorgesetzes“ nicht. Die Erkennung und Verminderung von Risiken erfolgt durch sektorales Recht, für Kraftfahrzeuge, Medizinprodukte, Eisenbahnen oder Energieanlagen. Auf ein übergreifendes Gesetz hat man verzichtet.

So sollte es auch für die künstliche Intelligenz sein. Europa darf sich nicht mit einer umfassenden KI-Regulierung ins Abseits katapultieren. KI kann der Motor der Digitalisierung Europas sein. Ihre Risiken müssen bedacht und auch vom Gesetzgeber aufgegriffen werden – aber da, wo Risiken konkret erkennbar und abschätzbar sind. Abstrakte allgemeine KI-Gesetze würden den Motor KI abwürgen.

Mehr zum Thema: Viele Mittelständler haben die Coronakrise genutzt, um die digitale Transformation umzusetzen – von Produktionsprozessen bis hin zur Neuerfindung von Geschäftsmodellen.

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