Edeka startet App Zahl der mobilen Zahlungssysteme wird immer unübersichtlicher

Weg von Scheinen und Münzen – nicht wenige wünschen sich auch in Deutschland das bargeldlose Einkaufen. Und auch der Handel setzt darauf. Doch die Zahl der Systeme steigt.

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Bezahlung per Smartphone bei Edeka in Berlin. Mehr als 100 Berliner und erste Hamburger Edeka-Märkte führen Mobile-Payment und Mobile-Couponing ein. Quelle: obs

Nirgendwo in Deutschland ist die digitale Elite so etabliert wie in Berlin. Und genau hier hat die Supermarktkette Edeka ein neues Projekt an den Start gebracht. Künftig soll in den Filialen der Stadt das Einkaufen mit dem Smartphone möglich sein. Zunächst kann in rund 100 Berliner Edeka-Märkten mit dem Smartphone bezahlt werden, wie das Unternehmen mitteilte. Und auch erste Geschäfte in Hamburg sollen den Service anbieten.

Es ist der Anfang für eine bundesweite Einführung, die voraussichtlich bis Ende 2015 abgeschlossen sein soll. Der Edeka-Discounter Netto startete vor wenigen Wochen bereits in allen mehr als 4000 Filialen ein entsprechendes System. Sowohl bei Edeka als auch bei Netto läuft der Bezahlvorgang über die kostenlosen Apps der Handelsunternehmen. Der Kunde muss die Bezahlfunktion in der Anwendung an der Kasse aufrufen, dabei werden aktuelle Rabatt-Coupons automatisch verrechnet. Nach Eingabe einer vierstelligen PIN wird an das Gerät dann entweder ein Zahlencode geschickt - oder ein Strichcode, der an der Kasse eingescannt wird.

Zur Sicherheit können pro Woche nicht mehr als 250 Euro über die Smartphone-Apps ausgegeben werden. Dieser Betrag könnte in Zukunft erhöht werden. Die Edeka-App gibt es für Apples iPhone, Smartphones mit dem Google-Betriebssystem Android sowie Microsofts Windows Phone. Sie sei seit der Einführung vor gut einem Jahr knapp eine halbe Million Mal installiert worden.

Die Technologie für das Bezahlsystem wird von dem deutschen Software-Dienstleister Valuephone gestellt. „Auf dem Gerät selbst werden dabei keine Kontodaten gespeichert“, betonte Valuephone-Geschäftsführer Stefan Krueger. Zahlungsabwickler ist eine Tochter der Deutschen Post. Bei ihr muss man sich als Kunde zunächst online registrieren und die Bankdaten hinterlegen. Der Einkaufsbetrag wird als Lastschrift vom Konto abgebucht.

Nur eine Insellösung
Die Supermarktkette reagiert mit ihrer Initiative auf den steigenden Konsum per Tablet und Smartphone. Wie so viele andere auch. 50 Prozent der Handelsunternehmen planen laut dem „Managementkompass Neue Geschäftsmodelle“ von Steria Mummert Consulting (in Zusammenarbeit mit dem F.A.Z.-Institut), in neue Bezahlmethoden zu investieren. Ganz oben auf der Liste stehen zum Beispiel Investitionen in Near-Field-Communication (NFC), die das schnelle kontaktlose Bezahlen im Vorbeigehen ermöglicht.

So löblich das Vorhaben von Edeka ist, es bleibt eine Insellösung. Neben ihr bestehen die klassischen Zahlungsdienstleistern wie Mastercard oder Visa, Internet-Unternehmen wie Google und die Ebay-Tochter PayPal sowie auf Kartenzahlungen per Smartphone spezialisierte junge Startups wie SumUp, Payleven oder iZettle. Auch das Startup Barcoo, das mit seinem QR-Code-Scanner einen Megaerfolg landete, eine Kooperation mit dem Bezahlsystem Sqwallet angeschoben.

Ärger um Paypal

Der Stand von Paypal und Ebay beim Mobile World Congress in Barcelona 2013. Quelle: AP/dpa

Vor allem die Ebay-Tochter Paypal hat sich hier als wohl bekannteste Möglichkeit bei den Kunden durchgesetzt. Dafür geben Nutzer ihre Kontodaten in ein virtuelles Konto ein und können somit dann auf allen Seiten, die die Paypal-Zahlung ermöglichen, ihre Rechnungen zahlen. Paypal bucht das Geld des Käufers vor der Überweisung an den Händler auf ein Zwischenkonto. Weil das viel bequemer ist, als die langen Ziffern immer wieder von vorne einzugeben, haben viele Konsumenten das Angebot dankend angenommen. Inzwischen verfügt das Unternehmen über weit mehr als 15 Millionen Kundenkonten.

Der praktische Service gerät immer wieder in das Visier der Verbraucherschützer. Erst kürzlich wurde bekannt, dass der Bundesverband der Verbraucherzentralen das Unternehmen derzeit verklagt. Angeblich müsse die Zulässigkeit von insgesamt zehn Klauseln in den Paypal-Verträgen geprüft werden, hieß es in der Berliner Zeitung. Bereits im vergangenen Jahr hatte der Verband 20 Klauseln kritisiert, allerdings habe das Unternehmen nur für die Hälfte der Unterlassungen eine Erklärung abgegeben. Nun soll Paypal nachlegen.

Das Smartphone als Einkaufsbegleiter
Wo das Smartphone beim Einkauf zum Einsatz kommtVirtueller SupermarktDie Schweizer Handelskette Coop betreibt in Zürich den ersten virtuellen Supermarkt. Passanten können im Vorbeigehen auf der bunten Plakatwand das gewünschte Produkt via Smartphone einscannen und bezahlen, und erhalten den Einkauf wenige Stunden später nach Hause geliefert. Quelle: Pressebild
Produkt-ScannerDas Berliner Startup Barcoo hat eine gleichnamige App veröffentlicht, die dem Benutzer, neben den gängigen Packungsangaben, zusätzliche Informationen zu Produkten liefert. Scannt der Benutzen den Barcode eines Artikels ein, gibt die App Auskunft über Testberichte, CO²-Bilanzen, Allergenen sowie Herkunft der Inhaltsstoffe, und findet dank Preisvergleich zudem den günstigsten Anbieter. Quelle: Pressebild
Drive-in-EinkaufIn einem Real-Markt in Köln-Porz entfällt künftig auch das Schleppen der Einkäufe. Die gewünschten Produkte werden per Smartphone eingescannt, anschließend wird der Einkauf bequem an einem Drive-In-Schalter bezahlt. Supermarkt-Helfer bringen daraufhin den Einkauf bis ans Auto. Quelle: Pressebild
Mobile BestellungBei der US-Imbisskette The Melt entfällt künftig das Warten an der Theke. Per App lässt sich das gewünschte Mittagessen vorbestellen und bezahlen, der Kunde braucht es anschließend nur noch im Lokal abzuholen.
Virtueller KleidertauschMit der App der Modekette Debenhams kann man sich den Gang in die Umkleidekabine sparen. Das Sortiment des Geschäfts lässt sich bequem auf dem Smartphone oder Tablet durchstöbern - und sogar anprobieren. Quelle: Pressebild
Der AufbauhelferKünftig hilft das Smartphone auch bei der Montage von Möbeln. Wirft die handelsübliche Bauanleitung eines Möbelstücks mehr Fragen auf , als sie klärt, reicht ein kurzes Berühren des Papiers mit dem Handy, und ein Montagevideo wird abgespielt. Quelle: Pressebild

Angeblich seien immer wieder Kundenkonten geschlossen worden, ohne dass es dafür eine Erklärung gegeben habe. Außerdem kritisieren die Verbraucherschützer „sehr offene und intransparente“ Klauseln, die für Verbraucher nur schwer abzuschätzen sind. Die Nutzer wissen eigentlich nie, wann und wie sie von dem Unternehmen überprüft werden – geschweige denn wann ihre ausstehende Rechnung tatsächlich beglichen wird.

Die Klage der Verbraucherschützer kommt für Paypal zu einem äußersten schlechten Zeitpunkt. Aktuell läuft hierzulande eine große Werbeaktion, mit der das Unternehmen die letzten „Überweiser“ von ihrer Funktion überzeugen will.

Die vier Typen von Internet-Shoppern

Chaos beim mobilen Zahlen

Sowohl die Vielzahl der Angebote als auch die immer wieder auftauchende Kritik an einzelnen Micro-Bezahlsystemen zeichnen ein chaotisches Bild. Dabei wollen die Kunden nur bequem, schnell und einfach bezahlen. Und auch die Händler glauben daran, dass sie von mobilen Zahlsystem profitieren können. Das bestätigen aktuelle Initiativen deutscher Lebensmittelhändler. Immerhin sehen 45 Prozent der Handelsunternehmen in Deutschland mobile Bezahlfunktionen mit Smartphone oder Tablet-Computer als größten Innovationstreiber an - deutlich mehr als in anderen Branchen. Ergeben hat das die Studie „Managementkompass  Neue Geschäftsmodelle“.


Druck auf Unternehmen wächst

Auf diese Bonussysteme stehen die Deutschen
Görtz CardDie Kundenkarte des Schuhhändlers wurde 2012 Testsieger in einer Studie des Deutschen Instituts für Service-Qualität im Auftrag des Handelsblatts. 17 Kundenkarten wurden verglichen unter anderem danach, ob sie wirklich den versprochenen Mehrwert bieten und wie es um den Datenschutz bestellt ist. Bis 100 Euro Jahresumsatz gibt es zwei Prozent Rabatt (zwei Punkte pro Euro), der Anteil steigert sich bis fünf Prozent ab einem Jahresumsatz von 700 Euro. Quelle: dapd
dm KundenkarteDie Drogeriekette dm nimmt am Multi-Partner-System Payback teil. Pro Euro gibt es einen Punkt, jeder Punkt ist einen Cent wert. Die Kundenkarte von dm lässt sich bei allen anderen Payback-Partnern ebenfalls nutzen - dazu gleich mehr (siehe Payback Karte). Quelle: AP
Kosmetik - Beispiel Body ShopWelche Bonus- und Zahlfunktionskarten - also z.B. EC- oder Kredit-Karten - stecken in den Geldbörsen der Deutschen fragte das Marktforschungsinstitut Emnid im Auftrag des Multipartner-Bonusprogramms Payback im Jahr 2012. Mit drei Prozent der Nennungen etwa so oft vorhanden wie die Miles& More-Karte der Lufthansa sind Bonuskarten von Drogerien oder Kosmetikherstellern. Das mag auch an den teils komplexen Regeln fürs Punktesammeln und dem nur schwer erkennbaren Mehrwert liegen. Bei Body Shop etwa sind erst einmal 10 Euro Gebühr für die Aufnahme in den Love-Your-Body-Club fällig, bevor der Kunde überhaupt Punkte sammeln darf. In seinem Geburtstagsmonat bekommt er dafür ein Geschenk im selben Wert. Wer also im Januar zahlt und im Dezember Geburtstag hat, muss sich bis dahin mit dem eingeräumten Rabatt zufrieden geben - der beträgt aber immerhin 10 Prozent. Quelle: REUTERS
Miles & MoreDie Kundenkarte der Lufthansa fand sich bei drei Prozent der Befragten. Wie das System funktioniert und wo die Schwächen liegen, darüber hat die WirtschaftsWoche ausführlich berichtet: "Das Mogelgeschäft mit den Bonusmeilen". Quelle: dpa
Shell ClubsmartDiese Karte haben sechs Prozent der Befragten immer griffbereit - damit ist die Shell-Karte laut der Emind-Umfrage ähnlich populär wie die Ikea Family Card oder die Kundenkarte von Kaffeeröster Tchibo. Für die gesammelten Punkte gibt es Prämien wie Zeitschriftenabonnements, Uhren, Kleidung oder Stofftiere. Quelle: REUTERS
Tchibo PrivatCardSieben Prozent der Befragten gaben an, die Tchibo-Karte immer griffbereit zu haben. Die Karte kostet 8 Euro, dafür gibt es einen Gutschein im Wert von 10 Euro. Bei jedem Filial-Einkauf oder einer Bestellung im Internet bekommt der Kunde "TreueBohnen" - und zwar pro angefangene zehn Euro eine Bohne. Diese lassen sich dann gegen Prämien eintauschen. Für eine Tasse Kaffee mit der Kundekarte gibt es 1 "TreueBohne", um eine Tasse Kaffee zu bekommen sind fünf Bohnen nötig. Quelle: AP
Mode- und Schuhhäuser - Beispiel EspritVier Prozent der Befragten hatte eine Mode-Kundenkarte wie etwa die Esprit-Karte im Portemonnaie. Esprit schreibt Kunden e-points in Höhe von drei Prozent des Einkaufswerts gut. Ein e-point entspricht einem Cent. Wer für 1000 Euro einkauft, bekommt also einen Gutschein im Wert von 30 Euro. Ab einem Wert von 600 e-Punkten wird ausgezahlt. Quelle: REUTERS


Der Hype rund um das mobile Bezahlen mit Smartphone und Co. setzt laut Studie viele Unternehmen in Deutschland unter Druck. „Alle Marktteilnehmer sind überzeugt davon, dass Mobile Payment ein stark wachsender Markt ist“, sagt Frank Schipplick, Finanzexperte bei Steria Mummert Consulting. Doch damit hört die Klarheit schon auf. „Niemand hat eine klare Vorstellung davon, welche Lösung in der Praxis die richtige ist und wie die beste mobile Strategie für das eigene Unternehmen aussieht“, erklärt Schipplick.

Aus dieser Not heraus versuchen sich viele Firmen an eigenen Insellösungen. Wie eben auch Edeka, Barcoo, Sqwallet oder auch Netto. Der Lebensmitteldiscounter hat ebenfalls eine eigene App zum mobilen Bezahlen entwickelt. Diese Insellösung funktioniert jedoch nur in den eigenen Märkten.

Langfristig kann das kein Weg sein. Geht dies so weiter haben die Deutschen so viele Apps auf ihrem Smartphone wie Kundenkarten im Portemonnaie. Denn der durchschnittliche Deutsche deckt seinen täglichen Bedarf in mehr als neun Einkaufsstätten ein. „Aus Sicht der Verbraucher ist das Angebot an Mobile-Payment-Lösungen derzeit zu undurchsichtig.

Viele mobile Bezahllösungen sind nicht attraktiv und haben eine geringe Akzeptanz“, sagt Schipplick. Eine „historische" Analogie sind Kundenkarten. Nach einem anfänglich großen Interesse sank später die Akzeptanz vieler individueller und kleiner Lösungen. „Es folgte eine Konsolidierung, bei der sich einige große Anbieter mit vielen Akzeptanzstellen wie beispielsweise Payback durchsetzten“, sagt Frank Schipplick von Steria Mummert Consulting.

„Ein wichtiger Erfolgsfaktor für eine größere Verbreitung von Mobile Payment ist die Bereitschaft der Marktteilnehmer zur Standardisierung. Handelsfirmen, Banken, Zahlungsdienstleister und Mobilfunkanbieter müssen geeignete Partnerschaften prüfen, um sich bei einer möglichen Konsolidierung richtig im Markt positionieren zu können“, rät Mobile-Payment-Experte Schipplick.

Mit Material von dpa

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