Elektronische Fahrkarten Sind die Niederlande auf dem Weg zum Überwachungsstaat?

Die Niederlande haben die Papier-Fahrkarten für Bus und Bahn abgeschafft. Über elektronische Tickets werden nun eifrig Daten gesammelt, alle Strecken lassen sich zurückverfolgen. Datenschützer sind erbost.

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In den Niederlanden wurden Papiertickets abgeschafft - Datenschützer schlagen Alarm. Quelle: dpa

In den Niederlanden schreitet die Digitalisierung des Alltags fort – deutlich schneller, als hierzulande. Im Juli wurden Papiertickets für den Nahverkehr komplett abgeschafft. Wer Bus und Bahn benutzen möchte, braucht eine spezielle Chipkarte, über die die Fahrstrecke automatisch abgerechnet wird. Der Fahrpreis wird dabei vom aufgebuchten Guthaben abgezogen.

Was für den Alltagsfahrer praktisch klingt, ist datenschutztechnisch ein Dilemma: Die Karte speichert auch die Fahrstrecke und enthält alle relevanten Nutzerdaten inklusive Kontonummer. Damit lässt sich das Fahrverhalten des Kartenbesitzers relativ lückenlos überblicken. Es ist möglich, den Zwang einer persönlichen Karte zu umgehen, dafür zahlt der Benutzer allerdings einen Aufpreis von einem Euro – angeblich, um die Kosten für die Einzelnutzungskarte zu decken.

Die Betreiber des niederländischen Nahverkehrs geben an, mit den übertragenen Daten vertraulich umzugehen. Was aber passiert, wenn Hacker Zugriff auf die Datenbanken erlangen, ist unklar. So können die Verkehrsbetriebe rein theoretisch ein recht klares Bewegungsprofil des Benutzers erstellen. Diese Daten könnten außerdem für Marketingzwecke genutzt werden.

Wo öffentlicher Nahverkehr am teuersten ist
Platz 10: San Francisco und Chicago Wer in der berühmten Cable Car von San Francisco (Foto) oder in der Hochbahn von Chicago unterwegs ist, muss zwei US-Dollar für das günstigste Ticket bezahlen. Das macht den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) dieser beiden Städte zum zehntteuersten der Welt, hat die Deutsche Bank ausgerechnet. Dafür hat sie die Preise des jeweils günstigsten Nahverkehr-Tarifs in Städten weltweit in US-Dollar umgerechnet und verglichen. Um einzuordnen, wie teuer oder günstig die Preise sind, hat die Deutsche Bank New York als Bezugspunkt gewählt: Die Preise in Chicago und San Francisco sind beispielsweise 20 Prozent günstiger als im Big Apple. Quelle: dpa
Platz 9: Berlin und ParisBerlin teilt sich den neunten Platz mit Paris. In beiden Städten kostet der günstigste ÖPNV-Tarif umgerechnet 2,06 US-Dollar. Das sind gerade mal 82 Prozent des New Yorker Preises. Quelle: dpa
Platz 8: SydneyWer im australischen Sydney im öffentlichen Nahverkehr unterwegs ist, zahlt 2,14 US-Dollar für das günstigste Ticket – und damit 15 Prozent weniger als in New York. Quelle: AP
Platz 7: Edinburgh und OttawaDen siebten Platz teilen sich wieder zwei Städte: Im schottischen Edinburgh und im kanadischen Ottawa (Foto) kosten die günstigsten ÖPNV-Tickets jeweils umgerechnet 2,48 US-Dollar. Das ist ein Prozent weniger als in New York. Quelle: AP
Platz 6: New YorkWer einmal in New York ist, muss in den Central Park, ins Empire State Buildung – und eine U-Bahn-Fahrt mitmachen. Ein Ticket des günstigsten Tarifs kostet 2,50 US-Dollar, was die Deutsche Bank als Bezugspunkt für alle anderen weltweiten Preise genommen hat. Quelle: REUTERS
Platz 5: TorontoIn der größten Stadt Kanadas kostet ein ÖPNV-Ticket des kleinsten Tarifs umgerechnet 2,73 US-Dollar. Damit zahlen Menschen in Toronto neun Prozent mehr als in New York. Quelle: dpa
Platz 4: FrankfurtAuch Deutschlands Bankenmetropole hat es ins Ranking geschafft: Wer mit der S-Bahn vom Hauptbahnhof zum Hauptsitz der Deutschen Bank fahren möchte, muss umgerechnet 2,88 US-Dollar zahlen. Das sind 15 Prozent mehr als der niedrigste Tarif in New York und platziert Frankfurt im weltweiten Vergleich auf Platz 4. Quelle: dpa

Datenschützer schlagen Alarm

Die Niederlande selbst sehen sich als Vorbild für andere Länder, vor allem, wenn es um politische und gesellschaftliche Belange geht. Die niederländische Stiftung Privacy First sieht dies allerdings etwas anders. Zum einen sei der zum Einsatz kommende RFID-Chip der Nahverkehrskarte eine Gefahr: er lasse sich zu einfach von Fremden auslesen oder manipulieren. Außerdem sorge die Karte für eine dauerhafte Überwachung des Nutzers, die rein technisch unnötig sei. Deshalb fordert die Stiftung eine Rückkehr zu den klassischen Papiertickets.

In London wird der Nahverkehr ähnlich gehandhabt. Die sogenannte Oyster Card ist ebenfalls mit einem RFID-Chip ausgestattet. Sie kann entweder als Prepaid-Karte oder als Abo-Karte genutzt werden, je nach Wunsch. Alternativ gibt es die Travelcard als Zeitkarte mit einer Woche Gültigkeit. Papiertickets gibt es aktuell noch, allerdings sind damit klassische Einzelfahrscheine deutlich teurer: Pro Fahrt kosten diese ein Pfund mehr. Der Grund: Nahverkehrsnutzer sollen dazu ermuntert werden, auf die Oyster Card umzusteigen. Im Gegensatz zum niederländischen System sind nur Monats- und Jahreskarten personenbezogen. Wer eine Wochenkarte oder eine Prepaidkarte benutzt, benötigt keine vorherige Registrierung und kann sie weitergeben.

In Deutschland ist ein solches System bisher nicht in Planung. Unternehmen wie die Deutsche Bahn gehen zwar einen ähnlichen Weg. Mit dem Angebot Touch&Travel können Bahnreisende ticketlos reisen. Sowohl am Start- als auch am Zielbahnhof wird per Smartphone ein- und ausgecheckt, das System rechnet anhand dessen den Fahrtpreis aus. Zudem können Bahncard-Kunden mit ihrer Karte Punkte sammeln. Beide Systeme sind aber freiwillig, müssen also im Gegensatz zum niederländischen Modell nicht zwangsweise benutzt werden.

Die niederländischen Behörden argumentieren mit größerer Sicherheit und Effizienz. Dies soll auch für das Parken in den großen Metropolen gelten: Sowohl Amsterdam als auch Rotterdam führten bereits das sogenannte Kennzeichenparken ein. Um ein Parkticket zu erhalten, muss man am Automaten sein Kennzeichen eingeben, statt mit Bargeld muss man mit Karte oder Handy zahlen. So sollen sich die Kontrollen der Parktickets leichter gestalten lassen. Parktickets können außerdem nicht mehr weitergegeben werden.

Dieser Trend verbreitet sich immer weiter, in Deutschland bleiben sie bislang Zusatzangebote, die über die bekannten Lösungen hinaus angeboten werden – es ist aber denkbar, dass sie bald die bestehenden Systeme ablösen. Die Industrie dürfte es freuen, die Bedenken der Datenschützer sollten allerdings ernst genommen werden. Immerhin schränkt die Pflicht zu digitalen Tickets die Freiheit des Einzelnen ein, sich unüberwacht zu bewegen.

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