Entlassungen bei Bigpoint Wie es der Spiele-Branche wirklich geht

Mit Zynga und Bigpoint haben gleich zwei Unternehmen der Spiele-Branche einen massiven Stellenabbau angekündigt. Hat die Branche das Ende ihrer Erfolgssträhne erreicht?

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Mit dem Browserspiel Farmerama hat das Hamburger Unternehmen Bigpoint einen Riesenhit gelandet und kräftig verdient. Quelle: Presse

Es flossen Tränen, als Bigpoint-Chef Heiko Hubertz in der vergangenen Woche ankündigte, 120 Stellen streichen zu wollen. 80 Mitarbeiter müssen den Standort Hamburg verlassen, 40 weitere die Niederlassung in den USA. Dort dürfen lediglich die Vertriebskollegen bleiben. Alles andere wird eingestampft. Betroffen sind vor allem die Webentwickler und Programmierer, die in Übersee besonders teuer sind.

Und auch der Chef selbst kehrt nach drei Jahren in Kalifornien wieder nach Deutschland zurück. Hier will er einen Gang herunterschalten und sich mit seiner Freundin der Familienplanung widmen. Im Januar des kommenden Jahres wechselt er daher als Berater in den Aufsichtsrat des Unternehmens.

Mit Spieleklassikern wie Farmerama und Drakensang hatte Heiko Hubertz Bigpoint groß gemacht. Binnen weniger Jahre wuchs das Unternehmen auf 800 Beschäftigte an. TA Associates und Summit Partners konnten als Mehrheitseigner des Unternehmens gewonnen werden – für satte 350 Millionen Euro kauften sich die Investoren in das Hamburger Unternehmen ein. Die großen Erfolge mit den Browserspielen feierten die Bigpoint-Mitarbeiter mit rauschenden Festen im Hamburger Hafen. Auf dieser Erfolgswelle schwimmend, wollte der heute 36-jährige Gründer Hubertz auch in Übersee durchstarten. Es klingt wie eine Geschichte der New Economy Anfang der 90er Jahre, deren Börsenblase letztlich platzte und Neureiche plötzlich wieder vor dem Nichts stehen ließ.

Der Markt wächst

Mit Bigpoint hat es auch Heiko Hubertz zum Multimillionär geschafft. Dass es ihm gehen könnte wie Managern in den 90ern, scheint trotz der Negativschlagzeile um die Kündigungen unwahrscheinlich. Der Markt für Spiele ist groß und wächst weiter. Bigpoint hat das Potenzial, sich durch diese Krise zu schlagen. Doch wie das funktionieren soll, bleibt eine spannende Frage. Denn der Neuigkeitswert der kostenlosen Browsergames ist inzwischen verflogen. Zahlungswillige Kunden bei der Stange zu halten, ist mit starkem Engagement verbunden. Es lohnt ein genauer Blick auf den deutschen Markt der Zocker, der die Schwierigkeiten der Branche deutlich macht.

Wer fürs Zocken zahlt

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Eines steht fest: Die Deutschen spielen gern. Insgesamt nutzen 17,6 Millionen Bundesbürger digitale Spiele. Das hat die Studie GameStat 2011 ergeben und dabei Personen unter 14 Jahren nicht berücksichtigt. Laut Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) liegt die Zahl sogar bei 25 Millionen Spielern. Danach haben die Nutzer 2011 knapp zwei Milliarden Euro für Videospiele insgesamt ausgegeben, und die Tendenz ist weiter steigend. Einbezogen wurden hier nicht nur Browserspiele wie Farmerama, sondern auch PC- und Konsolen-Spiele sowie Mobile-Games.

Das Angebot der Spiele hat sich in den vergangenen Jahrzehnten massiv verändert. Mit jedem neuen Endgerät ist auch ein neuer Absatzmarkt entstanden. Erste Angebote waren zwar bereits in den 1970er Jahren auf dem Markt, fanden jedoch nur eine geringe Abnehmerschaft. Inzwischen ist die C64- und Atari-Generation erwachsen und sogenannte Digital Natives bereits in den Zwanzigern. Sie sind mit Unterhaltungselektronik aufgewachsen. Dass sich die Online-Games über die Jahre so stark durchgesetzt haben, liegt am Breitbandausbau in Deutschland. 2011 verfügten 28,3 Millionen deutsche Haushalte über einen Breitbandanschluss. Für 2016 wird mit einem Wachstum auf über 34 Millionen installierte Zugänge gerechnet.

Hinzu kommen neue Endgeräte wie Smartphones und Tablets. Den Umgang mit dem mobilen Internet lernen heute schon Kinder. Und das wirkt sich auf die Kundschaft von morgen aus. Sie wird das Internet mit einer noch größeren Selbstverständlichkeit nutzen, als die heutige Generation Gaming. Entsprechend sehen die Autoren der PwC-Studie auch das dominierende Segment der Zukunft bei den Online-Spielen. Hier wird mit einem Gesamtzuwachs von 560 Millionen Euro bis 2016 gerechnet.

Allerdings lässt sich dieses Klientel nicht mehr so leicht beeindrucken, wie die C64- und Atari-Generation. Eine Top-Grafik, angebundene Spieler-Communities und überraschende Effekte sind heute nichts Besonderes mehr, sondern ganz normaler Service. Wer seine Kunden überzeugen will, muss viel mehr Energie in sein Produkt stecken.

Womit wird das Geld verdient?

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Jemand tippt auf einer Tastatur Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Ein Spielzeugmonster auf einem Telefon Quelle: dpa
Jemand kopiert seinen Kopf Quelle: dpa
Jemand putzt Quelle: dpa
Jemand mit einer Portion Pommes Frites Quelle: Fotolia
Jemand sitzt mit Kopfhörern hinter einem Laptop Quelle: Fotolia
Jemand hält einen Mülleimer mit einem Briefsymbol Quelle: dpa

Insgesamt gibt es fünf Konzepte im Bereich der Games, mit denen das Geld verdient wird: der Einzelverkauf, das Abonnement, Premium Accounts, der Verkauf virtueller Güter und die Nutzung von Werbeflächen.

Bei den Online-Games, mit denen auch Bigpoint groß geworden ist, kommen vor allen Dingen die Premium Accounts zum Tragen. Hierbei haben die Nutzer zunächst die Möglichkeit ein Spiel kostenlos zu spielen. Sobald der Spieler im Spielverlauf relativ weit gekommen ist, muss er dann für einen dauerhaften Zugang zahlen. So werden die potenziellen Kunden erst an das Produkt herangeführt und dann zur Kasse gebeten. 2011 haben fast 5,1 Millionen zahlende Anwender Online-Spiele genutzt. Ausgegeben hat ein Nutzer im Durchschnitt 6,84 Euro im Monat.

Das jüngste Erlösmodell ist der Verkauf von sogenannten virtuellen Gütern. Dabei ist das Spiel in der Regel kostenlos erhältlich. Wer allerdings erfolgreich sein will, braucht bestimmte Gegenstände, ohne die ein Sieg nicht möglich ist. Diese Art des Geldverdienens hat sich in den vergangenen Jahren laut PwC-Studie als das bedeutendste Segment unter den deutschen Marktteilnehmern etabliert. Experten sind sich einig, dass dieses Modell noch weiter an Bedeutung gewinnen wird. Insbesondere da der Einzelverkauf und die Abonnements immer weniger vom Kunden in Anspruch genommen werden.

Neue Konkurrenz durch das mobile Internet

Ein weiteres wichtiges Standbein der Unternehmen, ist die Vermarktung von Werbeflächen. Bisher ist immer noch der PC die populärste Plattform für Online-Spiele. In diesem Format hat sich Werbung mittlerweile durchgesetzt. Insbesondere seitdem eigens programmierte Algorithmen es technisch ermöglichen, kundenspezifische Reklame auszuspielen.

Doch mit der Verbreitung von Tablets und Smartphones, ist auch das Kundeninteresse gestiegen, über diese Kanäle Games zu nutzen. Zwar lag der Umsatzanteil für mobile Endgeräte am gesamten Videospiele Markt 2011 bei lediglich 1,5 Prozent. Doch die Experten rechnen damit, dass aufgrund der hohen Akzeptanz der Betriebssysteme iOS und Android noch mehr Spiele-Apps auf dem Markt schwemmen werden.

Wo das Internet den stärksten Einfluss auf die Gesellschaft hat
Platz 30Tunesien belegt mit 50,68 Prozent den 30. Platz von insgesamt 61 Ländern, die auf den Einfluss des Internets auf die Gesellschaft untersucht wurden. Quelle: dapd
Platz 29Da es sich nicht um eine Rangliste handelt, in der es nur um die Freiheit des Internets und dessen Nutzung geht, landet China mit mit 51,72 an 29. Stelle. Wenig überraschend fällt vor allem der Einfluss des Internets auf die Politik mit 32,27 gering aus. Quelle: REUTERS
Platz 28Kasachstan schafft es mit immerhin 53,46 Prozent auf Platz 28. Quelle: dpa
Platz 27... geht an die Türkei mit einem Wert von 53,7. Besonders gering ist hier der Einfluss des Internets auf die Wirtschaft (45,98). Quelle: dapd
Platz 26In Kolumbien liegt der Wert bei 53,86. Quelle: dpa
Platz 25Die Polen belegen mit 54,84 Prozent Platz 25. Bei unseren europäischen Nachbarn ist vor allem der Einfluss auf die Politik durch das Internet mit einem Wert von 37,55 eher schlecht ausgeprägt. Quelle: dapd
Platz 24Brasilien liegt mit einem Wert von 56,3 auf Platz 24. Quelle: dapd

Für den Profit von Firmen wie Bigpoint birgt dies zwei Gefahren: Zum einen ist der Werbemarkt bei den mobilen Endgeräten noch lange nicht so weit verbreitet, wie der am PC. Teils liegt dies an technischen Möglichkeiten, teils an den geringeren Bildschirmgrößen. Zum anderen macht die starke Konkurrenz kleinerer Startups dem Branchenriesen das Leben schwer. Die vielen neuen Anbieter haben die Preise für Spiele drastisch in den Keller fallen lassen. Der durchschnittliche Verkaufspreis sank um 18,7 Prozent auf 2,09 Euro. Selbst die steigende Zahl von Nutzern mit plus 8,3 Prozent konnte dieses Loch nicht auffangen.

Entsprechend ist Bigpoint aus dem mobilen Geschäft ausgestiegen. "Mobile Gaming ist ein ganz wichtiger Zukunftsmarkt. Wir haben uns aber dazu entschieden, solche Spiele nicht mehr selbst zu entwickeln. Es kommen jeden Tag Hunderte Spiele in die App-Stores. Um da zu bestehen, muss man auf einen totalen Hit hoffen und von Apple prominent präsentiert werden", sagt Heiko Hubertz. Statt selbst zu entwickeln, will Bigpoint künftig Spiele anderer Entwickler veröffentlichen und vermarkten.

Cloud-Gaming ist die Zukunft

Die Computergrafik zeigt eine Szene aus dem Computerspiel

Unter diesen Vorzeichen entlässt Bigpoint nun 120 Mitarbeiter, vor allem Entwickler. Die Vermarkter dürfen bleiben.

Aber nicht nur die Hamburger bauen ab. Auch Zynga, Herausgeber des Facebook-Klassikers Farmville, hat Ende Oktober angekündigt, etwa fünf Prozent seiner 3200 Vollzeit-Mitarbeiter entlassen zu wollen.

Unternehmenschef Mark Pincus sagte, dass er damit das Geschäft straffen, die Ressourcen auf die besten strategischen Optionen ansetzen und in die Zukunft investieren wolle. Das Kerngeschäft mit Farmville lief nach einem großen Hype eher mau. Der Umsatz wuchs im dritten Quartal 2012 im Jahresvergleich nur noch um drei Prozent auf 316,6 Millionen Dollar.

Die Entlassungen bei beiden Unternehmen sind klare Reaktionen auf die sich ändernden Voraussetzungen im Markt. Im Rahmen der PwC-Studie äußerte sich ein Bigpoint-Sprecher: „Wenn man sich die Online Games anschaut, ist ,Social‘ einer der größten Faktoren, deren Bedeutung sogar über der Qualität der Grafik steht.“ Es sei möglich, ein graphisch weniger ansprechendes Games zu bauen, sofern es sehr gute soziale Faktoren habe.

Es sieht aus, als wolle Bigpoint mit dieser Strategie die derzeit schwierige Konsolidierungsphase am Markt durchschiffen. Denn trotz größerer Konkurrenz durch immer mehr Anbieter im Games-Bereich, sollte auch Bigpoint sich in der Branche behaupten können. Immerhin wird der Anteil der Gamer mit den neuen Möglichkeiten des mobilen Internets steigen und damit prozentual auch der Anteil jener zunehmen, die bereit sind für Games zu zahlen.

Außerdem werden Online-Games mit der Weiterentwicklung der Cloud laut Branchenkennern an Bedeutung gewinnen. Das sogenannte Cloud-Gaming könnte es den Nutzern ermöglichen, qualitativ hochwertige Spiele zu spielen, ohne dafür leistungsfähige Hardware einsetzen zu müssen. Die benötigte Rechenleistung würden dann externe Rechenzentren erbringen.

Die Zukunft hält also diverse Möglichkeiten für Bigpoint bereit, um wieder auf die Beine zu kommen. Aktuelle Zahlen gibt Heiko Hubertz nicht öffentlich preis. Gegenüber der Presse hat er aber schon angedeutet, dass auch 2013 ein hartes Jahr für Bigpoint wird. Gegenüber der Wirtschaftswoche sagte Heiko Hubertz: "Der Markt wird mit Spielen überflutet, und die Nutzer werden entsprechend umworben. Vor zwei Jahren hat man für einen Nutzer einen Euro bezahlt, heute kostet der drei Euro und mehr. Inzwischen ist es wichtiger, sich um die bestehenden Nutzer zu kümmern, als neue Spieler einzukaufen. Wenn ein Nutzer aufhört, ein Spiel zu spielen, muss ich ihm ein anderes anbieten, damit er nicht weggeht."

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