
Traditionell ist man vom amerikanischen IT-Riesen IBM eher zurückhaltende und ausgewogene Töne gewohnt. Vor diesem Hintergrund war der Ausspruch von Harriet Green, General Manager des IBM-Geschäftsbereichs Watson IoT, bei der feierlichen Eröffnung der weltweiten Internet-of-Things-Zentrale heute in München geradezu euphorisch zu nennen: "Lasst die Innovationen beginnen!", rief Green, als sie gemeinsam mit der stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidentin Ilse Aigner den symbolischen Knopf drückte, der das IBM-Logo an der neuen Niederlassung feierlich erleuchtete.
Mit dem Watson IoT Center in den Highlight Towers in der Parkstadt Schwabing – eine der wenigen Hochhäuser Münchens zwischen dem Mittleren Ring und der Autobahn A9 – verfügt IBM gleichsam über das höchste Unternehmenslogo von ganz München: Der IBM-Schriftzug prangt am 29. Stock des gläsernen Baus in einer Höhe von ungefähr 115 Metern.
Insgesamt haben die Amerikaner in dem repräsentativen Bürobau, konzipiert im Jahr 2004 von den renommierten Architekten Murphy/Jahn aus Chicago, 15 Etagen angemietet – mithin knapp die Hälfte des 33 Stockwerke umfassenden größeren der beiden Türme.
Eine wirklich große Zahl von Quadratmetern also – die aber zum Zweck des neuen Zentrums passt: Schließlich geht’s beim Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) vor allem um große Zahlen: Die weltweite Vernetzung aller Geräte, Maschinen, Häuser und Autos über das Internet ist einer der wichtigsten Bestandteile der digitalen Transformation, die derzeit Veränderungsstürme quer durch alle Branchen bläst. 30 Milliarden derartiger Geräte sollen bis zum Jahr 2020 miteinander kommunizieren.
So lernen Maschinen das Denken
Mit Kameras, Mikrofonen und Sensoren erkunden die Maschinen ihre Umwelt. Sie speichern Bilder, Töne, Sprache, Lichtverhältnisse, Wetterbedingungen, erkennen Menschen und hören Anweisungen. Alles Voraussetzungen, um etwa ein Auto autonom zu steuern.
Neuronale Netze, eine Art Nachbau des menschlichen Gehirns, analysieren und bewerten die Informationen. Sie greifen dabei auf einen internen Wissensspeicher zurück, der Milliarden Daten enthält, etwa über Personen, Orte, Produkte, und der immer weiter aufgefüllt wird. Die Software ist darauf trainiert, selbstständig Muster und Zusammenhänge bis hin zu subtilsten Merkmalen zu erkennen und so der Welt um sie herum einen Sinn zuzuordnen. Der Autopilot eines selbstfahrenden Autos würde aus dem Auftauchen lauter gelber Streifen und orangefarbener Hütchen zum Beispiel schließen, dass der Wagen sich einer Baustelle nähert.
Ist das System zu einer abschließenden Bewertung gekommen, leitet es daraus Handlungen, Entscheidungen und Empfehlungen ab - brems etwa das Auto ab. Bei sogenannten Deep Learning, der fortschrittlichsten Anwendung künstlicher Intelligenz, fließen die Erfahrungen aus den eigenen Reaktionen zurück ins System. Es lernt zum Beispiel, dass es zu abrupt gebremst hat und wird dies beim nächsten Mal anwenden.
Zugleich gilt IoT als eines der wichtigsten Wachstumsfelder der IT in den kommenden Jahren überhaupt – Hauptgrund für das massive Engagement von IBM, der sein künftiges Wachstum mehr oder weniger ganz auf seinen Supercomputer Watson und auf ihn aufbauend neue Produkte und Dienstleistungen rund um das Internet der Dinge verwettet. Nach jahrelangem Umsatzschwund von einstmals 107 Milliarden Dollar auf zuletzt weniger als 80 Milliarden Dollar braucht IBM-Vorstandschefin Virginia Rometty händeringend neue Erlösquellen.
Die soll künftig vor allem Watson liefern – was das heutige Marketing-Brimborium von IBM bei der Eröffnung seines Centers in München umso verständlicher macht. "Wenn IBM auf etwas wettet, dann auch mit richtig großem Einsatz", beteuerte John Kelly, Senior Vice President für Cognitive Solutions Research – und laut Harriet Green der "Godfather of Watson" bei IBM.