
Smartphones sind im Prinzip nichts anderes als kleine PCs. Deshalb gehen Sicherheitsexperten schon länger davon aus, dass all die Schadprogramme, die heute Computer befallen, ganz schnell ihren Aktionsradius auf Smartphones und Tablets ausdehnen. Der Zeitpunkt ist jetzt gekommen, wie eine heute veröffentlichte Warnung des IT-Sicherheitsunternehmen Checkpoint beweist: Auf einem Mobilgerät mit dem Betriebssystem Android hat das „Mobile Threat Prevention“-Team von Checkpoint eine äußerst ungewöhnliche Ransomware mit dem Namen „Charger“ gefunden. Der Schädling war über den offiziellen Google Play Store heruntergeladen und installiert worden.





Bisher galten vor allem die inoffiziellen App-Stores für Android-Smartphones als Einfallstor für solche Attacken. „Der Angriff macht deutlich, wie ausgereift Malware für mobile Endgeräte mittlerweile ist“, heißt es in einer offiziellen Erklärung von Checkpoint. „Charger“ wurde in einer Energiespar-App mit dem Namen EnergyRescue gefunden und war dort fest implementiert. Die App stiehlt SMS und Kontakte, fragt zudem nach Administrator-Rechten. Werden diese gestattet, sperrt die Erpressersoftware – im Fachjargon Ransomware genannt – den Zugang und folgende Meldung erscheint auf dem Display:
"You need to pay for us, otherwise we will sell portion of your personal information on black market every 30 minutes. WE GIVE 100% GUARANTEE THAT ALL FILES WILL RESTORE AFTER WE RECEIVE PAYMENT. WE WILL UNLOCK THE MOBILE DEVICE AND DELETE ALL YOUR DATA FROM OUR SERVER! TURNING OFF YOUR PHONE IS MEANINGLESS, ALL YOUR DATA IS ALREADY STORED ON OUR SERVERS! WE STILL CAN SELLING IT FOR SPAM, FAKE, BANK CRIME etc… We collect and download all of your personal data. All information about your social networks, Bank accounts, Credit Cards. We collect all data about your friends and family."
Angriffsziele von aufsehenerregenden Cyberangriffen
Im Dezember 2015 fiel für mehr als 80.000 Menschen in der Ukraine der Strom aus. Zwei große Stromversorger erklärten, die Ursache sein ein Hacker-Angriff gewesen. Es wäre der erste bestätigte erfolgreiche Cyberangriff auf das Energienetz. Ukrainische Behörden und internationale Sicherheitsexperten vermuten eine Attacke aus Russland.
Im Februar 2016 legt ein Erpressungstrojaner die IT-Systeme des Lukaskrankenhauses in Neuss lahm. Es ist die gleiche Software, die oft auch Verbraucher trifft: Sie verschlüsselt den Inhalt eines Rechners und vom Nutzer wird eine Zahlung für die Entschlüsselung verlangt. Auch andere Krankenhäuser sollen betroffen gewesen sein, hätten dies aber geheim gehalten.
Ähnliche Erpressungstrojaner trafen im Februar auch die Verwaltungen der westfälischen Stadt Rheine und der bayerischen Kommune Dettelbach. Experten erklären, Behörden gerieten bei den breiten Angriffen eher zufällig ins Visier.
In San Francisco konnte man am vergangenen Wochenende kostenlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, weil die rund 2000 Ticket-Automaten von Erpressungs-Software befallen wurden. Laut einem Medienbericht verlangten die Angreifer 73 000 Dollar für die Entsperrung.
Im Mai 2015 fallen verdächtige Aktivitäten im Computernetz des Parlaments auf. Die Angreifer konnten sich so weitreichenden Zugang verschaffen, das die Bundestags-IT ausgetauscht werden. Als Urheber wird die Hacker-Gruppe APT28 vermutet, der Verbindungen zu russischen Geheimdiensten nachgesagt werden.
Die selbe Hacker-Gruppe soll nach Angaben amerikanischer Experten auch den Parteivorstand der Demokraten in den USA und die E-Mails von Hillary Clintons Wahlkampf-Stabschef John Podesta gehackt haben. Nach der Attacke im März wurden die E-Mails wirksam in der Schlussphase des Präsidentschaftswahlkampfs im Oktober 2016 veröffentlicht.
APT28 könnte auch hinter dem Hack der Weltdopingagentur WADA stecken. Die Angreifer veröffentlichen im September 2016 Unterlagen zu Ausnahmegenehmigungen zur Einnahme von Medikamenten, mit einem Fokus auf US-Sportler.
Ein Angriff, hinter dem Hacker aus Nordkorea vermutet wurden, legte im November für Wochen das gesamte Computernetz des Filmstudios lahm. Zudem wurden E-Mails aus mehreren Jahren erbeutet. Es war das erste Mal, dass ein Unternehmen durch eine Hackerattacke zu Papier und Fax zurückgeworfen wurde. Die Veröffentlichung vertraulicher Nachrichten sorgte für unangenehme Momente für mehrere Hollywood-Player.
Bei dem bisher größten bekanntgewordenen Datendiebstahl verschaffen sich Angreifer Zugang zu Informationen von mindestens einer Milliarde Nutzer des Internet-Konzerns. Es gehe um Namen, E-Mail-Adressen, Telefonnummern, Geburtsdaten und verschlüsselte Passwörter. Der Angriff aus dem Jahr 2014 wurde erst im vergangenen September bekannt.
Ein Hack der Kassensysteme des US-Supermarkt-Betreibers Target macht Kreditkarten-Daten von 110 Millionen Kunden zur Beute. Die Angreifer konnten sich einige Zeit unbemerkt im Netz bewegen. Die Verkäufe von Target sackten nach der Bekanntgabe des Zwischenfalls im Dezember 2013 ab, weil Kunden die Läden mieden.
Eine Hacker-Gruppe stahl im Juli 2015 Daten von rund 37 Millionen Kunden des Dating-Portals. Da Ashley Madison den Nutzern besondere Vertraulichkeit beim Fremdgehen versprach, erschütterten die Enthüllungen das Leben vieler Kunden.
Im Frühjahr 2016 haben Hacker den Industriekonzern Thyssenkrupp angegriffen. Sie hatten in den IT-Systemen versteckte Zugänge platziert, um wertvolles Know-how auszuspähen. In einer sechsmonatigen Abwehrschlacht haben die IT-Experten des Konzerns den Angriff abgewehrt – ohne, dass einer der 150.000 Mitarbeiter des Konzerns es mitbekommen hat. Die WirtschaftsWoche hatte die Abwehr begleitet und einen exklusiven Report erstellt.
Im Mai 2017 ging die Ransomware-Attacke "WannaCry" um die Welt – mehr als 200.000 Geräte in 150 Ländern waren betroffen. Eine bislang unbekannte Hackergruppe hatte die Kontrolle über die befallenen Computer übernommen und Lösegeld gefordert – nach der Zahlung sollten die verschlüsselten Daten wieder freigegeben werden. In Großbritannien und Frankreich waren viele Einrichtungen betroffen, unter anderem Krankenhäuser. In Deutschland betraf es vor allem die Deutsche Bahn.
Das Lösegeld liegt nach Angaben von Checkpoint aktuell bei 0,2 Bitcoins (ungefähr 170 Euro), ein ungewöhnlich hohes Lösegeld für ein Smartphone. Im Vergleich dazu verlangen die Angreifer ähnlichen Angriffen ruund 14 Euro pro Endgerät. Bisher kann Checkpoint noch keine Informationen zu der Anzahl der erfolgten Bitcoin-Bezahlungen geben.
In der Vergangenheit beschränkte sich ein Großteil der Schadsoftware im Play Store auf Adware, die durch Klicks Werbeeinnahmen generiert. Neue Malware wie zum Beispiel „Charger“ greift die Smartphones direkt an. Nach Ansicht von Checkpoint entwickeln die Cyberkriminellen immer mehr Erpresserprogramme, die sich von der PC-Malware kaum noch unterscheiden.