Dass die amerikanischen und britischen (in geringerem Umfang auch andere europäische) Geheimdienste, angeblich immer im Kampf gegen Terrorismus und Drogenkriminalität, jahrelang systematisch die Daten privater Nutzer ausschnüffelten. Dass sie abermillionenfach E-Mails ausspähten, sich zehntausendfach Zugang zu Servern großer Datencloud-Betreiber von Apple über Microsoft bis Google verschafften, Konten bei sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter durchleuchteten und die Telefone bis hin zu dem der Bundeskanzlerin abhorchten.
All das wirkte auf das allgemeine Vertrauen in die Integrität des Netzes und die Freiheit der Datenkommunikation wie ein digitaler Tsunami. Der NSA-Skandal ist das Fukushima des Internets. Die öffentliche Meinung über das Internet ist nun auf Jahre hinaus kontaminiert von einem an Paranoia grenzenden Misstrauen gegen jede Form von Datenspeicherung.
Für Deutschland, wo immer schon eine leicht neurotische, von den Amerikanern milde belächelte Angst vor Datenmissbrauch herrschte, gilt das besonders. Das Letzte, was die Menschen – dank NSA – heute mit dem Internet assoziieren, ist der Begriff der Freiheit. Im Übereifer der Terrorismusbekämpfung tappte das Weiße Haus also in eine alte Denkfalle und verwechselte Freiheit mit Sicherheit. Dabei hatte doch Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten, seinen Landsleuten schon vor mehr als 200 Jahren ins Stammbuch geschrieben: „Diejenigen, die die Freiheit zugunsten der Sicherheit preisgeben, werden am Ende keines von beidem haben – und sie verdienen es auch nicht.“
Gleichwohl könnte der NSA-Skandal, ungeachtet der politischen Flurschäden, die er anrichtete, am Ende paradoxerweise vielleicht sogar auch etwas Positives bewirkt haben: Der naiven Blauäugigkeit, mit der das Internet seit dem „arabischen Frühling“ weltweit als demokratisches Befreiungsinstrument gefeiert und geradezu als Ersatzreligion glorifiziert wurde, setzte der NSA-Schock einen unerhört wirksamen Dämpfer auf.
Kurz vor dem Ausbruch des Sturms um die NSA hatte der französische Anthropologe und Medienforscher Philippe Breton von der Universität Straßburg gerade wieder einmal vor dem Trugschluss gewarnt, aus dem Internet simple digitale Patentlösungen für jedes denkbare gesellschaftliche Problem herauslesen zu wollen. „Der Internet-Zentrismus hat allmählich Züge einer Heilslehre angenommen“, kritisierte der Medienwissenschaftler und forderte die „Säkularisierung der Kommunikation“.
Mehr als alle anderen Informationsbereiche dürfte die mobile Kommunikation in den vergangenen Jahren zur Internet-Abhängigkeit beigetragen haben. Noch nie in der Geschichte waren wir als Individuen so eng, so höchstpersönlich an eine einzige Technologie gekettet.