
Internetfirmen, die lediglich ein Produkt anbieten, setzen damit zwar viel auf eine Karte und profitieren nicht von Effekten der Risikostreuung, müssen sich aber auch nicht an an unzähligen Fronten mit Wettbewerbern auseinandersetzen. Je mehr Onlinedienste in unterschiedlichen Segmenten der digitalen Sphäre angeboten werden, desto mehr Kontrahenten gilt es in Schach zu halten, und desto wahrscheinlicher ist das Auftreten von Komplikationen.
Vor einem Jahr beschrieben wir die Risiken der Transformation in Online-Gemischtwarenläden, die seit einiger Zeit bei den Netzgiganten wie Facebook, Google und Apple zu beobachten ist. Einer der in dem damaligen Artikel aufgeführten Aspekte sind Interessenkonflikte, die entstehen, wenn einstige Partner oder zumindest bisher friedlich Seite an Seite existierende Nachbarn in fremdes Territorium eindringen. Das Ergebnis sind teils unschöne Feindseligkeiten.





Es besteht kein Zweifel daran, dass die Auseinandersetzungen zwischen den Webriesen im Laufe der Zeit nur an Intensität zunehmen. Denn freiwillig werden sich die nach ewigem Wachstum strebenden Konzerne aus den als lukrativ angesehenen Kernbereichen der Wettbewerber nicht wieder verabschieden. Die Konsequenz: Unvermeidbare Konflikte, die sogar zur Folge haben können, dass die Firmen ihre eigenen Philosophien verleugnen, weil sie sonst einen Konkurrenten bevorteilen würden.
Ein besonders deutliches Beispiel dafür sind die Lobby-Bestrebungen von Facebook, den Funktionsumfang moderner Browser um möglichst viele HTML5-Funktionalitäten zu erweitern. Im Kern entwickelt das soziale Netzwerke sein gesamtes mobiles Angebot in HTML5 – und liefert das Ergebnis dann je nach Zugriffsform aus, entweder über Facebooks mobile Website m.facebook.com oder über die mobilen Applikationen. Bei diesen ist eigentlich nur das Grundgerüst wirklich “nativ”, sämtliche Inhalte und Navigationselemente werden dynamisch mittels HTML5 dargestellt und können sich deshalb optisch und strukturell verändern, obwohl kein Update der Facebook-Applikation durchgeführt wurde.
Facebooks Gründe für den HTML5-Evangelismus
Ob HTML5-basierte Browser-Anwendungen in Zukunft tatsächlich die sich bei Nutzern enormer Beliebtheit erfreuenden nativen Apps verdrängen werden oder nicht – das Netzwerk aus Kalifornien hat mindestens zwei Motive, eine Entwicklung in diese Richtung zu forcieren: Zum einen verringert sich so der Programmieraufwand, weil nicht für jede mobile Plattform ein eigenes Angebot gestrickt werden muss. Zum anderen entfällt die Notwendigkeit, dem Regelwerk des jeweiligen App-Store-Betreibers folgen zu müssen. Das Social Network betreibt seit einiger Zeit eine eigene, auch innerhalb der iOS-App verfügbare App-Plattform, wird jedoch in der Monetarisierung selbiger durch Apples Richtlinien im Bezug auf Zahlungsvorgänge stark eingeschränkt.
Dass Facebook angesichts dieser Sachlage sein Heil in HTML5-Anwendungen sieht, die direkt im jeweiligen mobilen Browser ausgeführt werden, verwundert also nicht. Doch die neue Websprache ist als Standard noch nicht finalisiert, weshalb je nach Browser nur unterschiedliche Teilaspekte von HTML5 unterstützt werden. Mit der im Februar präsentierten Interessengruppe W3C Community Group bringt Facebook über 30 Hardware-Hersteller, Provider und Entwickler unter ein Dach, um gemeinsam für eine schnelle Adaption der HTML5-Spezifikationen in alle gängigen Browser zu werben.