Die Bundeskanzlerin machte aus ihrer Verärgerung keinen Hehl. Der mutmaßliche Lauschangriff sei „völlig inakzeptabel“ und gehöre sich nicht unter Partnern. „Das ist nicht hinzunehmen“, findet auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière.
Deutlich verhaltener sind die Reaktionen in den USA. Hier taugt weder die Überwachung von ausländischen Bürgern noch Lauschangriffe auf internationale Regierungschefs zum Aufreger. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ist die innere Sicherheit das vorrangige Ziel jedweden politischen Handelns. Dass dadurch die Freiheitsrechte eingeschränkt werden, ist den US-Amerikanern mehrheitlich egal. Erst recht, da die Gefahr von Terrorangriffen nicht gebannt ist, wie die Anschläge auf den Boston Marathon am 15. April zeigten.
Die US-Sicht ist wichtig, um die Dinge einordnen zu können. Akzeptieren muss man die NSA-Praktiken deshalb noch lange nicht. Der Bekämpfung des Terrorismus darf nicht alles untergeordnet werden. Die massenhafte Ausspähung von Bürgern (und Politikern) geht zu weit. Nur in begründeten Verdachtsfällen sind solche Praktiken angemessen. Prophylaktische Lauschangriffe sind nicht hinnehmbar.
Die USA sind zu weit gegangen und dürften einen hohen Preis bezahlen. Das Verhältnis zur Bundeskanzlerin ist beschädigt. Das ist für Washington umso bitterer, da Deutschland stets ein treuer Verbündeter war und die Vereinigten Staaten auch öffentlich verteidigte.
Die Verhandlungen über eine transatlantische Freihandelszone, die die USA dringender brauchen als Europa, dürften über Jahre ins Stocken geraten. Und mit der Aussetzung des Swift-Abkommens, das den Austausch von Informationen zwischen den US- und EU-Behörden über internationale Überweisungen regelt, für das das EU-Parlament votierte, hat Europa ein Zeichen gesetzt, dass es auf Konfrontationskurs zu den USA geht.
Das gilt nicht nur für Europa. Auch einer der wichtigsten US-Verbündeten in Südamerika, Brasilien, ist durch die NSA-Praktiken verstimmt. Telefonate und E-Mails der Präsidentin Dilma Rousseff sollen ausgespäht worden sein. „Illegale Praktiken“ empörte sich die Brasilianerin, und sagte einen lange geplanten Staatsbesuch in die USA kurzerhand ab.