Flugstunden für Drohnenpiloten Sicheres Fliegen will gelernt sein

Drohne fliegen Quelle: dpa

Wer mit einer professionellen Drohne fliegen will, braucht dafür laut Gesetz keinerlei Flugerfahrung. Doch ohne die kann der erste Flug schnell zum Risiko für Mensch und Drohne werden. Das zeigt ein Selbstversuch.

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Schon wenige Momente nach dem Start passiert es: Als ich zum Landeflug ansetze, kommt die laut surrende Drohne gefährlich schnell auf meinen Fluglehrer Andreas Müller und mich zu. Verzweifelt bewege ich die beiden Steuerknöpfe auf meinem Controller hin und her. Doch das macht es nur schlimmer. Die Drohne hält erbarmungslos auf uns zu, kommt näher und näher. Andreas muss eingreifen. Er legt auf seinem eigenen Controller einen kleinen Hebel um und übernimmt so das Kommando über die Drohne. Wie ein Fahrlehrer, der auf die Bremse tritt, wenn der Fahrschüler drauf und dran ist, ein Stoppschild zu übersehen.

Andreas versucht etwas zu retten, das nicht mehr zu retten ist. Er landet die Drohne ziemlich unsanft – eine Notlandung quasi. Aber: Allen Beteiligten geht es gut, inklusive Drohne. Denn die ist mit Schaumstoff gepolstert und zum Glück nur ein Übungsgerät des Drohnen-Dienstleisters Spectair. In einer in die Jahre gekommenen Lagerhalle an der Stadtgrenze von Düsseldorf veranstaltet Spectair Flugstunden für Drohnenpiloten. Sie lernen grundlegende Manöver, fliegen Parcours ab und versuchen kontrolliert in bunten Kreisen und Rechtecken auf dem Hallenboden zu landen. Mit den vielen Formen und Farben erinnert der Boden der Flughalle an eine Schulturnhalle.

„Erfahrung mit Spielekonsolen ist ein Vorteil“

Verpflichtend sind solche Flugstunden nicht, um in Deutschland mit den unbemannten Fluggeräten in die Höhe steigen zu dürfen. Das birgt durchaus Risiken. Denn im vergangenen Jahr wurde der Flugverkehr im deutschen Luftraum 88 Mal durch zivile Drohnen behindert. Und in den ersten knapp acht Monaten des Jahres 2018 zählte die Deutsche Flugsicherung schon ganze 82 Behinderungen.

Ein Führerschein, der eigentlich keiner ist

Erst Piloten, die mit mehr als zwei Kilogramm schweren Drohnen starten wollen, müssen eine Prüfung ablegen. Den sogenannten Kenntnisnachweis, auch als Drohnenführerschein bekannt. In der Branche hört man das allerdings nicht gerne und mit einem Führerschein hat er nicht viel gemein. Denn der Kenntnisnachweis besteht lediglich aus einer theoretischen Prüfung.

Für Einsteigergeräte brauchen Hobbypiloten in der Regel keinen Kenntnisnachweis, denn solche Geräte wiegen meist weniger als zwei Kilogramm. Der „Drohnenführerschein“ ist für Piloten gedacht, die mit ihren Drohnen gewerbliche Einsätze fliegen. Bei Spectair ist Andreas Müller Prüfer für den Kenntnisnachweis. Vor etwas mehr als einem Jahr hat das Bundesverkehrsministerium die Prüfung eingeführt.

Mitarbeiter von Industrieunternehmen, wie zum Beispiel von Netzbetreibern, würden den Großteil der Prüflinge ausmachen, erzählt Müller. Aber auch Beamte aus Sicherheitsbehörden würden die Prüfung zunehmend ablegen. 

Wer den Kenntnisnachweis bei Spectair macht, erhält vorab Lehrmaterial zur Prüfungsvorbereitung. Ein umfangreiches PDF-Dokument mit allerlei Informationen zu Luftraumstruktur, Luftrecht und Meteorologie will durchgearbeitet werden – nichts für unbedarfte Laien. Wer sich überhaupt nicht auskennt, sollte an einem Seminar zur Prüfungsvorbereitung teilnehmen, empfiehlt Spectair. Andernfalls stünden die Chancen, die Prüfung zu bestehen, eher schlecht. 

Ein turbulenter Start

Mit der bestandenen Theorieprüfung in der Tasche kann das Fliegen beginnen. Doch schon der Start kann ohne Flugerfahrung zur echten Herausforderung werden: „Der linke Stick sorgt für den Auftrieb der Drohne, wenn Du ihn nach vorne schiebst. Mit dem rechten Stick kannst Du sie in die verschiedenen Richtungen neigen. Mehr brauchen wir erstmal nicht“, erklärt mir Drohnenpilot Andreas Müller vor dem Start die Funktionen der Steuerknüppel auf meiner Fernbedienung. Für mich heißt das: links Gas, rechts lenken.

Doch so einfach ist es nicht. Als ich den linken Stick freudig nach vorne schiebe, beginnen sich die vier orangenen Rotoren immer schneller zu drehen und surren um die Wette. Mehr passiert erstmal nicht. Die Drohne hebt nicht ab, doch eigentlich soll sie doch genau das. Ich schiebe den Stick noch weiter nach vorne. Und dann noch etwas weiter.

Auf einmal verlässt die Drohne mit etwas Verzögerung tatsächlich den Boden und zwar viel schneller und wackeliger als geplant. Die grauen Stahlträger unterhalb der hohen Decke kommen plötzlich immer näher. Schnell runter vom Gas. Doch zu wenig Auftrieb darf es auch nicht sein, die Drohne soll ja nicht abstürzen. Zwischen Vollgas und Absturz versuche ich eine angemessene Position für den linken Stick zu finden und den rechten möglichst ruhig zu halten. Jetzt fliegt die Drohne tatsächlich. Das war er, mein erster mehr oder weniger sicherer Drohnenstart.

Sensible Steuerung und guter Aufprallschutz

Mit einem Spielzeughelikopter für zu Hause hat das nichts zu tun. Die Drohne reagiert viel empfindlicher auf Kommandos, hat mehr Funktionen und vor allem viel mehr Sticks, Hebel und Knöpfe auf dem Controller. Dank der Schaumstoffpolsterung kann die Drohne auch gegen die Decke oder Wände fliegen, ohne gleich kaputtzugehen. Das ist offensichtlich schon das ein oder andere Mal passiert: Ein paar Dellen hat sie. Ein spektakulärer Absturz aus mehreren Metern Höhe auf den Hallenboden wäre trotz des Schaumstoffes wahrscheinlich zu viel für die Drohne.

„Die meisten ‚Consumer‘-Geräte fliegen fast von alleine“, erklärt Andreas Müller. „Jedoch kann es bei allen Drohnentypen zu technischen Problemen kommen, beispielsweise kann das GPS gestört werden. Wenn ich das Gerät dann nicht auch manuell beherrsche, ist ein Absturz beinahe programmiert. Eine Schulung kann da vorbeugen und es wäre sinnvoll, wenn sie Teil des Kenntnisnachweises wäre.“ Denn so ein Absturz kann schnell teuer werden: Professionelle Drohnen, etwa vom weltweiten Marktführer DJI, kosten mehrere tausend Euro.

Die verworrene Bürokratisierung von Drohnen

Bis zum Start muss man es allerdings erstmal schaffen: Die Regularien rund um Aufstiegsgenehmigungen und Zuständigkeiten sind für Laien nicht immer verständlich. Hier hilft die theoretische Prüfung zwar beim grundsätzlichen Verständnis, macht das Ganze für Piloten in der Praxis aber nicht einfacher. Nicht einmal für erfahrene Unternehmen wie Spectair: „Für viele Einsätze kriegen wir von den Landesluftfahrtbehörden Freigaben. Das kostet aber immer Geld, dauert teilweise recht lange und muss in jedem Bundesland separat beantragt werden. Zudem unterschieden sich bestimmte kommunale Regelungen, die einen Einsatz erschweren können“, erklärt Müller.

„Auch europaweit kocht jedes Land sein eigenes Süppchen. Wir erwarten, dass die Europäische Agentur für Flugsicherheit demnächst eine einheitliche europäische Lösung auf den Weg bringt. Das würde dem Fortschritt der Technologie helfen.“ Tatsächlich stecken Drohnen in vielen Bereichen noch in den Kinderschuhen. Anders ist das vor allem bei der Überwachung und Inspektion von Industrieanlagen. Das ist das Hauptgeschäftsfeld von Spectair. Mit ihren eigenen Kameradrohnen untersuchen sie für Kunden Schornsteine, Tanks oder riesige Werften in oft tagelanger Arbeit nach Mängeln, die beseitigt werden müssen.

Mit solcher Arbeit verdient Spectair in der Hauptsache Geld, doch die Flugstunden machen Andreas Müller sichtlich Spaß. Konzentriert versucht er die Drohne durch einen grünen Hula-Hoop-Reifen zu steuern. Beim ersten Versuch berührt er den Ring noch leicht, beim zweiten fliegt die Drohne mitten durch. Ich versuche das erst gar nicht, doch kann mit meiner Flugerfahrung – die aus wenigen Minuten besteht – schon mehr, als ich das müsste, um auch außerhalb der Übungshalle mit einer professionellen Drohne aufsteigen zu dürfen. Eine Gefahr für den Luftraum wäre ich wohl trotzdem. Eine theoretische Prüfung würde daran nur wenig ändern.

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