Foursquare-Gründer Dennis Crowley Der bessere Mark Zuckerberg

Vor gut zehn Jahren hat Dennis Crowley beim SXSW-Festival seine App Foursquare vorgestellt. Nun ist Crowley zurück – mit erstaunlichen Erkenntnissen. Quelle: PR

Vor gut zehn Jahren hat Dennis Crowley beim SXSW-Festival seine App Foursquare vorgestellt. Damals galt sie als nächstes große Ding. Der Durchbruch kam nie. Nun ist Crowley zurück – mit erstaunlichen Erkenntnissen.

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Er möchte nicht auf diese Frage antworten. Das ist Dennis Crowley anzumerken. Er zögert. Grinst verlegen. Atmet tief durch. Im Saal erklingt leises Lachen. Natürlich weiß Crowley, dass die meisten Zuhörer von ihm erwarten, dass er den Namen „Facebook“ fallen lässt. Aber er versucht, mit einer anderen Antwort durchzukommen. „Ich nutze die gleichen Dienste wie alle anderen auch“, sagt er. „Und manche Probleme ließen sich durchaus lösen.“

Das lässt die CNN-Journalistin Laurie Segall ihm nicht durchgehen. Sie wollte wissen, welches Unternehmen am ehesten solch einen Ethik-Rat bräuchte, wie ihn Crowley bei seinem Unternehmen Foursquare eingerichtet hat. Wenn sie ihm schon kein „Facebook!“ entlocken kann, will sie wenigstens wissen, welche Probleme ein Unternehmen, das Daten sammelt, eigentlich ganz gut vermeiden könnte.

„Gruselige Anzeigen zu verkaufen“, schießt es aus Crowley raus. Nun lachen im Publikum ziemlich viele Leute ziemlich laut. Da haben sie dann doch die Antwort bekommen, auf die sie gewartet haben. Facebook macht genau dies: Das soziale Netzwerk nutzt die Daten seiner 2,3 Milliarden Mitglieder, um Werbung möglichst passgenau in deren News Feed zu platzieren. Vor etwa einem Jahr wurde bekannt, wie skrupellos Facebook dazu die Privatsphäre der Menschen aushöhlt. So wusste der Konzern seit 2016 davon, dass das Unternehmen Cambridge Analytica Informationen von 50 Millionen Facebook-Mitgliedern ohne deren Einverständnis abgriff – und nutzte, um mit gezielten Anzeigen die Kampagne des Präsidentschaftskandidaten Donald Trump zu befeuern. Facebook aber begnügte sich mit der Zusicherung von Cambridge Analytica, dass die Daten gelöscht worden seien.

Seit dem Skandal ist der Druck auf Facebook gestiegen: Manche Leute haben ihren Account gelöscht. Politiker fordern eine strengere Regulierung. Mehr und mehr Menschen fragen sich, ob es nicht auch anders geht. Deshalb sitzt Crowley nun auf einer der Bühnen des Techfestivals SXSW. Es ist seine Chance, sich als die bessere Version von Mark Zuckerberg zu präsentieren.

Vor knapp zehn Jahren hat er hier beim SXSW in Austin seine App Foursquare vorgestellt. Es war ein Dienst, der den Nutzern etwas Unterhaltung versprach – und ihm eine Menge höchst interessanter Daten entlockte. Foursquare war die erste App, die einen spielerisch dazu brachte, seinen Standort preiszugeben. Man konnte an einem Ort einchecken und sich, wenn man besonders häufig dort war, irgendwann Bürgermeister nennen. Foursquare galt als das nächste große Ding. Zwischenzeitlich wurde das Unternehmen mit mehr als 500 Millionen Dollar bewertet.

Doch der Durchbruch kam nie. Vielleicht ist das ein Grund, warum Crowley nun auf der Bühne sitzt. Als good guy. Als einer, der ein Ethik-Komitee in seinem Unternehmen geschaffen hat. Der die Daten nicht so sorglos wie Facebook an andere Unternehmen rausgibt. Der sich verantwortlich fühlt für das, was mit der von ihm entwickelten Technologie möglich wird – statt nur auf den schnellen Profit zu setzen.

Der richtige Weg?

Wenige Stunden später wird die Senatorin Elizabeth Warren, die kürzlich angekündigt hat, 2020 für die Demokraten ins Rennen um das Weiße Haus zu gehen, beim SXSW-Festival ihre Forderung nach einer Zerschlagung der großen Techkonzerne wie Apple, Facebook oder Google wiederholen. Crowley macht sich das nicht so einfach. Er sei ein großer Fan von Googles Diensten, betont er. Und er wisse, dass deren Nutzen vor allem darin liegt, dass sie miteinander verbunden sind. Wenn sein Kalender einen Termin in seinen Mails entdecke und sein Smartphone eine Stunde vorher brummt, um ihn daran zu erinnern, dann sei das verdammt praktisch. „Wir sind an einem anderen Punkt als damals, als Microsoft zerschlagen wurde.“

Foursquare ist der Beweis dafür, dass ein Unternehmen Daten sammeln und trotzdem die Privatsphäre der Menschen respektieren kann. Vor fünf Jahren hat Foursquare sich gewissermaßen neu erfunden – auch weil sich die Zahlen nicht so glänzend entwickelten wie bei Facebook.

Seitdem will Foursquare weniger die lustige App sein, mit der jeder irgendwo eincheckt. Das Unternehmen ist viel mehr ein Dienstleister, der den Datenschatz aus inzwischen 105 Millionen Orten weltweit, die die Leute mit zusätzlichen Informationen und Fotos versehen, anderen zur Verfügung stellt. Verbrauchern liefert Foursquare zu Büchereien oder Bars Empfehlungen. Für Unternehmen anonymisiert und aggregiert Foursquare diese Daten, um etwa eine Fast-Food-Kette wissen zu lassen, wie viele Kunden im Vergleich zum Vortag gekommen sind – oder im Vergleich zu einer anderen Filiale.

„Warum sollten wir es jetzt vermasseln, nur um ein bisschen mehr Profit zu machen?“

Foursquare, so erklärt es Crowley, habe eine Karte von der Welt geschaffen. Es gebe nicht viele, die über solch ein Wissen verfügen. Apple, Facebook und Google haben eine solche Karte. Aber es gebe so einige Unternehmen, die sich mit diesen großen Drei nicht einlassen wollen. „Weil es denen darum geht, andere aus dem Geschäft zu drängen.“ Und da komme Foursquare als vertrauenswürdiger Partner ins Spiel, um mit seinen Standortdaten Unternehmen wie Uber, Samsung oder Twitter zu unterstützen. „Wir sind keine Bedrohung für sie, wir sind ihr Freund.“

Crowley hat sich dieses Vertrauen verdient. Er betont, dass er es sich jeden Tag erneut verdienen muss.

Es gibt in dem Unternehmen ein Ethik-Komitee – mit Mitarbeitern aus dem Vertrieb, der Rechtsabteilung, der Entwicklung. Sie sind verschiedenen Alters und verschiedenen Geschlechts. „Wir betreiben viel Aufwand, um das richtig hinzubekommen“, sagt Crowley.

Foursquare erkundigt sich auch bei externen Entwicklern, was sie mit den angefragten Daten vorhaben – und überprüft später, ob diese sich daran halten. „Wenn wir Leute nach ihren Standortdaten fragen, muss es dafür auch einen guten Grund geben“, betont Crowley. Wer nur eine Taschenlampen-App oder Poker-App entwickelt, bekommt die Daten von Foursquare nicht. Und: Etwa 20 Prozent der Standortdaten, die bei Foursquare anfallen, gibt das Unternehmen generell nicht raus – aus Angst, dass jemand dieses Wissen einsetzen könnte, um anderen zu schaden. Wer wann zu einer Chemotherapie geht oder zum Scheidungsanwalt, hält Foursquare beispielsweise zurück.

Auf die Frage, wie sie das hinbekommen haben, entgegnet Crowley: „Weil uns das von Anfang an wichtig war.“ Er sei nie der CEO gewesen, der sich in seinem schicken Büro verschanzt. Er sei rausgegangen und habe sich auch bei den Praktikanten erkundigt, was aus ihrer Sicht gut laufe – und was nicht.

Es komme immer mal wieder jemand, der einfach alle Daten von Foursquare haben wolle – um sich dann später selbst das Passende rauszusuchen. Crowley macht, wenn er davon erzählt, ein Gesicht, als könne er das gar nicht fassen. „Warum sollten wir das tun? Wir sehen doch die Fehltritte von Facebook – und all den Schlamassel, mit dem die sich dort rumschlagen müssen.“ Die Menschen, so beobachtet Crowley es, fragen sich immer öfter, ob sie einem Techkonzern wirklich alle ihre Daten überlassen sollten, nur um dessen Dienst kostenlos nutzen zu können. Oder ob sie nicht vielleicht doch fünf Dollar im Monat dafür zahlen sollten. „Da wird sich in den nächsten drei bis fünf Jahren noch einiges tun.“

Damals, als er 2010 in Austin war, um Foursquare vorzustellen, hätten ihn mehrere Unternehmen mit Kaufangeboten umgarnt. Aber er hatte zuvor schon eine Firma gegründet – und an Google verkauft. „Und ich wusste, dass das kein Riesenspaß ist.“ Google, so sieht Crowley das, habe nicht das aus seiner Firma gemacht, was er selbst darin gesehen hat. Also hat er mit Foursquare einen zweiten Versuch gestartet. Er kann es sich leisten, auch mal einen Kunden abzuweisen, dem er nicht zutraut, verantwortungsvoll mit seinem Datenschatz umzugehen. „Warum sollten wir es jetzt vermasseln, nur um mal ein bisschen mehr Profit zu machen?“

Was der größte Unterschied zwischen dem Dennis Crowley von damals und dem von heute ist, will die CNN-Journalistin Laurie Segall am Ende von ihm wissen. Wieder atmet Crowley tief durch. Auch keine einfache Frage. „Ich bin heute glücklicher“, sagt er schließlich. Er habe sich erlaubt, sein Leben weiter zu leben. „Und nicht nur Johnny- Start-up-Guy zu sein.“

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