
Die Namen der Titel, um die es vordergründig ging lösen spontanes mittelschweres Frösteln aus: „Zwei kleine Italiener“ von Cornelia Froboess etwa sind dabei, „Rivers of Babylon“, mit denen Boney M. anno 1978 in die Hitparaden schwappte, oder auch Nana Mouskouris „Lieder, die die Liebe schreibt“.
Besonders letzteres Werk hat immerhin schon auf den ersten Blick einen starken Bezug zu dem Verfahren, das zumindest in erster Instanz an diesem Freitag vor dem Hamburger Landgericht entschieden wurde – würden Lieder tatsächlich von der Liebe geschrieben: OK, dann kann sich ja jeder bedienen. Werden sie aber nicht. Sie stammen von Komponisten und Textern, Sänger interpretieren sie – und damit wird es komplex. Denn die Schöpfer wollen beteiligt sein, wenn mit ihren Werken ein Dritter Geld verdient.
Darum ging es im Kern im Verfahren, das die Verwertungsgesellschaft Gema gegen die Google-Tochter YouTube vor dem Hamburger Landgericht angestrengt hatte. Zwölf Titel unterschiedlicher Komponisten und Sänger hatte die Gema ausgesucht, um in einem Musterprozess zu klären, ob YouTube die Rechte der Urheber ausreichend schützt. YouTube behauptet, dies zu tun. Die Gema bezweifelte dies.
Und stellt generell die Frage, um was es sich bei YouTube überhaupt handelt: um eine Plattform, die Dritten die Möglichkeit bietet, Werke auf die Seiten der Plattform hochzuladen und damit Geld zu verdienen. Dies ist die Sicht von YouTube: „Wir sind eine Hosting-Plattform, die die keinen Einfluss darauf nimmt, welche Inhalte Nutzer hochladen“. Oder, und das ist die Haltung der Gema, handelt es sich bei YouTube nicht vielmehr um einen Inhalteanbieter, einen Content-Provider, „der sich Inhalte zu eigen macht und mit Werbung verknüpft“.
YouTube muss Uploads kontrollieren
Bis 2009 hatten Gema und das Google-Beiboot eine Abmachung. Die war jedoch ausgelaufen und ein Nachfolger nicht in Sicht. Daraufhin war die Gema 2010 vor Gericht gezogen. Das urteilte nun, YouTube habe tatsächlich sieben der aufgeführten Titel und ihre Rechteinhaber nicht ausreichend geschützt. Der Plattform-Betreiber müsse diese Titel – darunter auch „Rivers of Babylon“ - nun aus dem Angebot entfernen. Wie auch immer. Bei fünf der Stücke sah Richter Heiner Steeck die Notwendigkeit nicht, die Stücke wurden offenbar schon länger nicht mehr bei YouTube angeboten.
Für YouTube entscheidend ist vor allem die Begründung von Richter Steeck: Die Google-Tochter habe eine sogenannte „Störer-Haftung“. Das heißt, dass sie für das Verhalten ihrer Nutzer mitverantwortlich gemacht werden könne. YouTube, so der Richter, muss erstens darauf achten, was seine Nutzer da so alles auf die Plattform hochladen und zweitens in Fällen, in denen Urheber oder ihre Vertreter sich entsprechend melden, mit Hilfe geeigneter Software dafür sorgen, dass betroffene Titel nicht wieder hochgeladen werden können. Hält sich YouTube nicht daran, drohen Knast oder Kohle – sechs Monate Ordnungshaft oder Geldbußen von im Einzelfall bis zu 250000 Euro.
Erlangt das Urteil Rechtskraft, wird es lustig für YouTube – denn damit stellte Richter Steeck klar, dass es sich beim Videogiganten um mehr handelt als um einen unschuldigen Anbieter von Schaufensterfläche. YouTube verdient Geld mit den Leistungen Dritter. Und die soll es bezahlen. Noch kann YouTube Revision gegen das Urteil einlegen. Doch bereits im Vorfeld hatten Vertreter des Unternehmens durchblicken lassen, lieber auf neue Verhandlungen mit der Gema zu setzen.
Die Verwertungsgesellschaft und die Künstler, die sie vertritt, haben jedenfalls nun mit dem heutigen, wegweisenden Urteil, ein ordentliches Pfund in der Hand.