Gesetz gegen Hasskommentare YouTube-Chefin Wojcicki warnt vor Zensur

Bis zu 50 Millionen Euro Strafe sollen soziale Netzwerke in Deutschland zahlen, wenn sie problematische Inhalte nicht schnell genug löschen. YouTube-Chefin Susan Wojcicki hält nichts von den Plänen der Bundesregierung.

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Impressionen vom Kamingespräch in Berlin
Willkommen in Berlin: WirtschaftsWoche Digital Scout Léa Steinacker, Ressortleiterin Innovation&Digitales Astrid Maier und WirtschaftsWoche-Chefredakteurin Miriam Meckel (v.l.n.r.) empfangen YouTube-Chefin Susan Wojcicki in Berlin. Quelle: Dominik Butzmann für WirtschaftsWoche
Beim Event herrscht großer Andrang ... Quelle: Dominik Butzmann für WirtschaftsWoche
...die Gäste diskutieren angeregt und knipsen den ein oder anderen Schnappschuss. Quelle: Dominik Butzmann für WirtschaftsWoche
Noch sitzen Wojcicki und Meckel im Publikum... Quelle: Dominik Butzmann für WirtschaftsWoche
... doch gleich geht es los! Quelle: Dominik Butzmann für WirtschaftsWoche
Bühne frei für YouTube-Chefin Susan Wojcicki und WirtschaftsWoche-Chefredakteurin Miriam Meckel. Quelle: Dominik Butzmann für WirtschaftsWoche
Wojcicki und Meckel beginnen das Kamingespräch. Eine der zentralen Fragen: Was treibt das weltgrößte Videoportal um? Quelle: Dominik Butzmann für WirtschaftsWoche

Eigentlich sollten die beiden Google-Gründer nur rechtszeitig die Miete bezahlen und ab und zu den Müll rausbringen. „Für ihr Geschäftsmodell habe ich mich am Anfang nicht interessiert“, erinnert sich Susan Wojcicki, die 1998 ihre Garage an Larry Page und Sergej Brin vermietet hatte. Wenig später kündigte die damals schwangere Wojcicki ihren Job bei Intel und fing bei Google an. Heutet leitet sie die Videoplattform YouTube, seit 2006 eine Tochtergesellschaft von Google.

Bei einer Diskussionsrunde in Berlin sprach Wojcicki am Donnerstag mit WirtschaftsWoche-Chefredakteurin Miriam Meckel über die Zukunft der Plattform. Ihre wichtigste Botschaft: Eine Entschuldigung an Werbekunden, deren Anzeigen im Umfeld von extremistischen Inhalten auf YouTube gezeigt wurden. „Es war nie unsere Absicht, Werbung um Inhalte zu platzieren, die unangemessen sind oder nicht im Einklang mit der Marke unserer Werbepartner stehen“, sagte Wojcicki. „Wir entschuldigen uns bei unseren Partnern, bei denen das passiert ist. Das Thema hat die höchste Priorität für uns. Jeder arbeitet rund um die Uhr daran, um das Problem zu lösen“, sagte die Top-Managerin.

Kürzlich war bekannt worden, dass Konzerne wie Daimler, Wal Mart und Starbucks ihre Werbung auf YouTube in Großbritannien abgezogen haben, da diese bei Videos ausgespielt wurde, die unter anderem für den Islamischen Staat warben. Allein in der vergangenen Woche verlor YouTube-Mutterkonzern Alphabet an der Börse 26 Milliarden Dollar an Wert.

YouTube-Chefin Wojcicki: Arbeiten weiter an Lösung für Ärger mit Werbekunden

Zugleich beklagten LGBT-Vertreter – die Abkürzung steht für Lesbisch, Schwul, Bisexuell, und Transgender – die Zensur ihrer Inhalte auf YouTube. „Das war keine Absicht“, versicherte Wojcicki. Vielmehr biete YouTube seit sieben Jahren einen „sicheren Modus“ für Bildungseinrichtungen an. So sollen beispielsweise pornografische Inhalte rausgefiltert werden.

„Wir schauen uns unseren Algorithmus jetzt genau an, werden ihn verbessern und das Problem lösen“; versprach die YouTube-Chefin. Der Streit mit den Werbekunden und der LGBT-Community seien zwei Seiten derselben Medaille. „In einem Fall haben wir zu viel gefiltert, im anderen zu wenig.“

„Das Prinzip der Selbstregulierung hat sich bewährt“

Trotz der Patzer auf Seiten von YouTube hält die Managerin nicht viel von staatlichen Interventionen. Im Gegenteil: Wojcicki geht auf Konfrontationskurs mit der deutschen Bundesregierung. Zwar würden sich Google und YouTube immer an bestehende Gesetze halten. Von dem Gesetzesentwurf, wonach Facebook oder YouTube bis zu 50 Millionen Euro Strafe zahlen müssten, wenn sie offensichtlich strafbare Inhalte nicht innerhalb von 24 Stunden löschen, hält Wojcicki aber nichts. „Ich denke, dass sich das Prinzip der Selbstregulierung bewährt hat.“

Die Debatte um Hasskommentare konzentriert sich vor allem auf Facebook, das bedeutendste und wichtigste soziale Netzwerk derzeit. Aber auch die Videoplattform YouTube ist ein social network, auf dem tagtäglich millionenfach neue Videos hochgeladen und kommentiert werden. Insofern schauen auch Google und YouTube besorgt auf das Vorhaben von Bundesjustizminister Maas. Doch selbst aus dessen eigener Partei, der SPD, kommt Widerstand, allen voran von netzaffinen Sozialdemokraten, die sich im Verein D64 organisieren. Der Gesetzentwurf sei unausgegoren und missachte „zum wiederholten Male Grundsätze des Internets“, kommentierten die Experten Maas’ Pläne.

Die Sorge von vielen: Facebook oder Google könnte Inhalte selbst in großem Maße löschen, um sicherzugehen, gegen keine Gesetze zu verstoßen. Susan Wojcicki meint, dass das genau jener staatliche Einfluss sei, der gefährlich werden könnte. „Ich möchte mich nicht in einer Umgebung wiederfinden, in der zensiert wird“, sagte die YouTube-Chefin in Berlin.

Auch die Rolle von Frauen im Silicon Valley und bei Tech-Unternehmen allgemein war beim „Fireside-Chat“ ein Thema. Unter Wojcickis Ägide konnte der Anteil weiblicher Mitarbeiter von 24 auf 30 Prozent gesteigert werden. 50 Prozent ist ihr Ziel. Doch warum ist das so schwer? „Zu wenige Frauen studieren Informatik“, sagte Wojcicki. Sie habe sogar mal ihre eigene Tochter in einen Ferienkurs geschickt, um sich mehr mit Computern zu beschäftigen. „Als sie nach Hause kam, hasste sie Computer noch mehr als vorher.“ Ihre Lösung: Spezielle Kurse für Mädchen und Frauen, in denen die relevanten Inhalte geschlechtsspezifisch vermittelt werden. Bei ihrer eigenen Tochter hatte Wojcicki Erfolg. „Sie studiert jetzt Informatik“, sagte die YouTube-Managerin stolz.

Welche Zukunftsvisionen hat YouTube-Chefin Susan Wojcicki? WirtschaftsWoche-Chefredakteurin Miriam Meckel diskutierte exklusiv. Das Kamingespräch können Sie sich hier im Video ansehen.

Wir haben am Rande des Kamingesprächs ein exklusives Interview mit Susan Wojcicki geführt, das Sie in der nächsten Ausgabe der WirtschaftsWoche (Nummer 15, ab 7. April am Kiosk) lesen. Mit dem WiWo-Digitalpass erhalten Sie zudem die komplette Ausgabe bereits am Vorabend als eMagazin. Alle Abo-Varianten finden Sie auf unserer Info-Seite.

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