GoEuro-Gründer Naren Shaam „Alle Verkehrsmittel in Echtzeit kombinieren“

Mit GoEuro sollen sich bald komplette Reisen buchen lassen – von der Bahnfahrt zum Flughafen über den Flug selbst bis zur Busreise zum Zielort. Quelle: PR

Mit GoEuro können Reisende bald ihre komplette Reise über eine App planen und buchen – Bahn, Bus und Flug. Gründer und Chef Naren Shaam spricht über die größten Herausforderungen und wie das Start-up Geld verdient.

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Das Start-up GoEuro will Reisenden ermöglichen, Bahn-, Bus- und Flugverbindungen in einer einzigen App zu suchen und auch gleich zu buchen. Die Kunden bekommen eine Übersicht der Verbindungen, abhängig von Kosten, Reisezeit und kombinierbaren Teilstrecken. Dazu haben die Berliner 800 Transportunternehmen als Partner gewonnen, etwa die französische und Deutsche Bahn, Flixbus und zahlreiche Fluggesellschaften.

2016 erhielt GoEuro 70 Millionen US-Dollar von Investoren wie Silver Lake, Kleiner Perkins und Goldman Sachs. Am Dienstag wird GoEuro eine weitere Finanzierungsrunde über 150 Millionen Dollar bekanntgeben. Geldgeber diesmal: der schwedische Fonds Kinnevik (der unter anderem in Zalando investiert ist), Temasek aus Singapur (mit fast 200 Milliarden US-Dollar Volumen einer der größten Investmentgesellschaften der Welt), sowie Hillhouse Capital. Ein Gespräch mit dem Chef und Gründer von GoEuro, Naren Shaam:

Herr Shaam, Sie haben eben 150 Millionen Dollar von namhaften Investoren gewonnen, die wohl so gut wie jedes Start-up der Welt gerne an Bord hätte. Welche Pläne haben Sie mit dem Geld?
Wir haben drei große Baustellen, an denen wir investieren wollen: Erstens wollen wir noch mehr Transportunternehmen als Partner gewinnen; das bedeutet sehr große Datenmengen, die wir in unser Produkt integrieren müssen. Schon jetzt verarbeiten wir täglich mehrere Terabyte an Reisedaten, wie Ziel- und Abfahrtsorte, Abfahrtszeiten, Preise. Zweitens wollen wir unsere Teams vergrößern. Wir haben derzeit 300 Mitarbeiter, davon die meisten Entwickler. Diese Zahl wollen wir erheblich ausbauen. Und drittens wollen wir noch mehr Endkunden gewinnen, also auch ins Marketing investieren.

Naren Shaam ist der Gründer und Chef von GoEuro. Quelle: PR

Ihr Ziel ist, die Grenzen zwischen den Verkehrsmitteln wie Bahn, Bus und Flieger zu überwinden: Reisende sollen auf einer Plattform die schnellste oder günstigste Reise von A nach B suchen und gleich durchbuchen können. Noch funktioniert das nur für jeweils ein Verkehrsmittel. Wenn ich etwa fliegen will, muss ich nach wie vor selbst sehen, wie ich zum Flughafen komme. Wann wird das nahtlose Durchbuchen Realität, wenn ich verschiedene Verkehrsmittel kombinieren muss?
Das geht natürlich nicht auf einmal, sondern in mehreren Schritten. Wir haben als Metasuchmaschine angefangen, also als Suchmaschine für Reisen, die in mehreren anderen Reisesuchseiten recherchiert. Dann kam die Idee, den Leuten eine Reise von A nach B aus einer Hand anzubieten, inklusive der Möglichkeit, dort gleich zu buchen. Dazu mussten wir zunächst in einem extrem zersplitterten Markt mit hunderten von Transportunternehmen eine kritische Masse von Anbietern auf unsere Plattform bringen. Denn nur, wenn wir den Markt möglichst umfassend abbilden, können wir unsere Idee verwirklichen. Das ist gelungen. Wir haben mehr als 800 Partner in 35 Ländern, die einen großen Teil des Marktes abdecken.

Die schnellste Verbindung von A nach B kann ich aber auch googeln.
Richtig; aber Kunden können die gefundene Reise bei uns auch gleich buchen lassen, das können Sie bei Google nicht. Sie können dort zwar weiterklicken auf ein Angebot, nur dann sind sie eben dort: bei der Flug- oder Bahngesellschaft. Die Erfahrung zeigt aber, dass die Leute den Onlinekontakt in der Regel abbrechen, wenn sie nicht buchen können. Und wir wollen sie ja auf unseren Seiten halten. Der dritte Schritt, und das ist natürlich der schwerste, ist dann das technische Verzahnen der Daten verschiedener Transportmittel, so dass Sie tatsächlich für die schnellste Reise von A nach B verschiedene Verkehrsmittel kombinieren und gleich ein Ticket für alle buchen können.

Wann könnte das soweit sein?
Ich hoffe schon in einigen Monaten.

Das klingt sehr ambitioniert.
Ja, es wird natürlich nicht gleich weltweit funktionieren. Auch hier werden wir wieder in mehreren Schritten vorgehen. Wir werden in einem regional begrenzten Markt beginnen und das Angebot dann nach und nach geografisch erweitern.

Was sind die größten technischen Herausforderungen?
Zunächst die Datenbeschaffung. Der Markt ist zersplittert, und vergessen Sie nicht, dass unsere Datenlieferanten keine Techkonzerne mit jahrzehntelanger Erfahrung im Datensammeln sind, sondern Transportunternehmen.
Die haben ihrerseits zum Teil erst vor wenigen Jahren begonnen, die für uns unverzichtbaren Daten zu generieren. Das müssen wir dann auch noch homogenisieren. Zudem sind es sehr große Datenmengen, die wir verarbeiten. Allein die Deutsche Bahn hat 10.000 Züge jeden Tag. Schon jetzt haben unsere Partner zusammen über 80.000 Haltepunkte.

Ist das Ganze auch in Echtzeit denkbar? Könnte Ihr System Kunden also auch über Verspätungen oder Flugausfälle informieren und im Ernstfall auf andere Verkehrsmittel umbuchen?
Absolut, das ist das Fernziel. In Frankreich und Italien haben wir dieses Feature schon im Einsatz, bisher aber nur für die dortige Bahn. Bis das über verschiedene Verkehrsmittel hinweg funktioniert, ist es sicher noch ein weiter Weg.

Müssen Sie die Transportunternehmen eigentlich für deren Daten bezahlen? Die sind ja der eigentliche Rohstoff für Ihr Geschäft?
Nein. Alle Transportanbieter haben ja im Grunde das selbe Ziel: Mehr Passagiere. Und dabei können wir ihnen helfen.

Flugtaxis, Autobahnen im Untergrund und Transportkapseln per Hyperloop? Alles Unsinn. Ein verlässlicher Nahverkehr und anständige Vernetzung würden doch schon reichen. China macht längst vor, wie.
von Lea Deuber

Wie verdient GoEuro dann Geld?
Unsere Transportpartner zahlen eine Provision an uns für die Tickets, die wir über die Plattform verkaufen. Zudem haben wir weitere Partner für Services wie Unterkünfte. Dies funktioniert ebenfalls über ein Provisionsmodell.

Einer Ihrer neuen Investoren ist Temasek aus Singapur, einer der größten Staatsfonds der Welt. Wollen Sie künftig neue Kunden vor allem in Asien gewinnen?
Nicht zwingend; Temasek ist ja nicht nur in Asien, sondern weltweit aktiv. Aber ja: wir wollen auf die lange Frist nicht nur in Europa aktiv sein, und da kann es sicher nicht schaden, wenn man internationale, große Investoren hat. Aber eins nach dem anderen: zunächst wollen wir unser Produkt in Europa verbessern und ausweiten.

Ihr Produkt wäre, wenn Sie am Ziel sind, auch sehr interessant für die Großen der Branche: Google, Uber oder Apple. Würden Sie auch eine Mehrheit an GoEuro verkaufen?
Nein. Wir wollen uns nicht verkaufen, sondern unabhängig bleiben. Investoren sind willkommen, Komplettübernahmen nicht.

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