Google Now Wie das Web 3.0 die Bürokratie besiegen kann

Würden wir das Internet noch immer in Versionsnummern unterteilen, dann wäre es jetzt langsam so weit: Das Web 3.0 ist da. Intelligente Mitdenkdienste und mobile Hubs wie Google Now machen sich daran, unsere Alltagsprobleme zu lösen. Sie dürften in absehbarer Zeit sogar endlich die elektronische Steuererklärung für uns erledigen.

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"Wann kommt endlich das Beamen?"
HolodeckWas für Science-Fiction-Fans schon lange bekannt ist, beschäftigt derzeit ein Team von amerikanischen Wissenschaftlern: Lee Sheldon, Professor am Rensselaer Polytechnic Institute und Star-Trek-Autor, versucht ein Holodeck zu bauen, wie es in der SciFi-Serie Star Trek vorkommt. Das "Emergent Reality Lab" soll seinen Benutzern das Gefühl von Temperatur, Wind, Bodenbeschaffenheit und Gerüchen vermitteln - ganz so, als befinde er sich in einer realen Umgebung. In einem Testlauf habe man Studenten mit dem Holodeck nach China versetzt, damit sie die chinesische Sprache lernen. Quelle: Screenshot
Bereits im Vorfeld hatten Forscher der University of Southern California versucht, virtuelle Welten innerhalb eines Raumes zu schaffen. Die Universitätsforscher nutzen unter anderem die Virtual-Reality-Brille Oculus Rift, einen Motion Controller Razor Hydra und Playstation Move, um durch die virtuellen Welten zu wandern. Mit einem Holodeck, wie in der TV-Serie, hatte das aber noch nicht viel zu tun. Wissenschaftler der Universität in Tokio arbeiten eher an 3D-Projektionen als Grundlage für das Holodeck. 2009 stellten sie erstmals Holoprojektionen vor, die bei Berührung Druck ausübten. Quelle: dpa
BeamenKönnten wir uns von einem Ort zum anderen beamen, wären so viele Probleme gelöst: Keine Fernbeziehungen mehr, Familien könnten sich öfter sehen und weder Autos, noch Schiffe, noch Flugzeuge würden die Luft verpesten. Im Kleinen ist das sogar schon möglich. Wissenschaftlern ist es bereits gelungen ein Photon über eine Distanz von 144 Kilometern zu teleportieren. Doch vielmehr als eine verschlüsselte Nachricht, ist das noch nicht. Quelle: dpa
Augmented RealityEine Brille oder Kontaktlinsen, die einem die Fähigkeiten des Terminator verpassen - daran wird schon lange geforscht. Erste Ergebnisse sind auch schon auf dem Markt. So zum Beispiel die Ski-Brille Oakley Airwave. Das Display der Brille blendet Informationen wie Geschwindigkeit und Temperatur oder SMS ein. Für das nächste Jahr wird mit der Markteinführung der Googles Project Glass gerechnet, die ebenfalls Informationen über die Umgebung ausspuckt. Ein relativ neuer Trend ist die Kontaktlinse, mit der künftig auch das US-Militär arbeiten könnte, um den Soldaten so zusätzliche Informationen zu Drohnen und Satelliten zu liefern. Quelle: dpa
Autonome FahrzeugeGoogle hat im Mai 2012 die erste US-Lizenz für ein fahrerloses Auto erhalten, sofern sich Personen an Bord befinden, die im Notfall eingreifen könnten. Bislang sind die Testfahrzeuge unfallfrei unterwegs. Auch Toyota soll inzwischen mit recht weit sein und erste fahrerlose Autos getestet haben. Mit einer Markteinführung wird jedoch nicht vor 2020 gerechnet. Quelle: rtr
Der schlaue KühlschrankIntelligente Haushaltsgeräte gibt es bereits: Zum Beispiel den berühmten Kühlschrank, der sich per Online-Bestellung selbst wieder auffüllt. Im September 2011 stellte Siemens ein solches Gerät vor, das die fehlenden Lebensmittel per Smartphone-App orderte. Auch LG hat schon Schränke dieser Art entwickelt. Einheitliche Betriebssysteme oder Standards haben sich bisher allerdings noch nicht durchgesetzt. Quelle: dpa
SolarantriebEin Dach aus Photovoltaik treibt dieses Fahrzeug an. Während Hybrid-Fahrzeuge schon in Serie hergestellt werden, scheint dies für solarbetriebene Fahrzeuge erst einmal nicht möglich - witterungsbedingt. Quelle: dpa

Kürzlich recherchierte ich für einen Beitrag, wie es eigentlich um die mittlerweile recht zahlreichen Startups für Dokumentenmanagement steht. Schon jetzt zeigt sich: Erste Ansätze sind da und sehr viel versprechend, aber einen lange gehegten Traum von mir löst erst einmal noch keiner der Dienste: meine Steuererklärung automatisch zu erledigen. Ist natürlich auch nicht wenig, was ich da verlange. Aber parallel zu meinen Recherchen stellte Google neue Karten seines “Mitdenkdienstes” Google Now für Android 4.1 und 4.2 vor. Was viele womöglich nur nebenbei wahrgenommen haben: Das ist der Beginn dessen, was wir vor einigen Jahren als “Web 3.0” bezeichnet haben.

Zunächst nur in den USA, bald aber auch in Deutschland, soll Google Now etwa Bordkarten so pünktlich aus dem E-Mail-Postfach herausfischen, dass man damit direkt einchecken kann. Vorher wird mir noch angezeigt, wie ich am schnellsten zum Flughafen komme und wie lange die Fahrt dahin dauern wird. Reisen meine Lieblingsbands zu Auftritten an, erhalte ich Nachricht darüber, wann und wo genau. Wann muss ich aus meinem Hotel eigentlich auschecken? Wann trifft meine online bestellte Ware bei mir ein? Läuft ein Film, nach dem ich gesucht habe, bald in einem Kino in meiner Nähe? Wie viele Kilometer habe ich im vergangenen Monat eigentlich zu Fuß oder mit dem Auto zurückgelegt?

Google Now weiß es und zeigt es ohne Nachfrage gleich an. Und Google kann über seinen Knowledge Graph künftig auch in Deutschland genauer zwischen Suchbegriffen unterscheiden. Im offiziellen Blogpost wird Dschingis Khan genannt, was einmal die 70er-Jahre-Band oder der Mongolenfürst des 13. Jahrhunderts sein kann. Semantische Suche, ein Netz, das mitdenkt: Wir sind jetzt so weit.

Ein Blick in das Berliner Google-Büro
Google Berlin
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Geschickte Verknüpfung der Funktionen

Viele dieser Dinge, die Google da vereint, sind für sich genommen nicht neu. Bordkarten archivieren? Apple PassBook. Wie viele Minuten ich bei aktueller Verkehrslage zum Flughafen brauche? Nokia Drive. Wann meine Lieblingsbands in meiner Nähe spielen? Songkick. Neu ist allerdings die Verknüpfung und Sammlung dieser Möglichkeiten in nur einem Dienst. Ich muss nichts aufrufen, es wird mir angezeigt, wann ich es brauche. So heißt es zumindest in der Werbung. In der Praxis ist der Beweis noch schuldig, dass das funktioniert. Lange dürfte es aber nicht mehr dauert, bis Google und sicher auch andere Anbieter unsere Alltagsprobleme auf diese oder ähnliche Weise erfolgreich lösen werden.

Um auf das Anfangsbeispiel mit den Steuern zurückzukommen: Ich bin sicherlich kein fauler Mensch, aber wenn es um die Themen Steuererklärung, Versicherungen und Buchhaltung geht, ist mein Terminkalender plötzlich prall mit anderen Dingen wie “WC reinigen” gefüllt. Die Steuererklärung für 2011 habe ich dem Finanzamt vor einer Woche geschickt. Voraus gingen Wochen, in denen ich mich ärgernd, fluchend und die wenigen noch verbliebenen Haare raufend vor den Anträgen des Finanzamtes saß. Elektronische Steuererklärungen mit Elster-Schnittstelle sind in den vergangenen Jahren sehr viel besser geworden, aber ein roter Faden fehlt noch immer und lästige Aufgaben werden einem nicht abgenommen. Mobile Apps werben mit Screenshots in hübscher iPhone-Optik, in denen ich meine Pendlerpauschale jetzt auch mit dem Smartphone erfassen kann. Startups wie Reposito werben mit der Möglichkeit, dass ich Kassenzettel, Garantieerklärungen und Gebrauchsanweisungen jetzt auch elektronisch erfassen kann. Das löst das Problem aber nicht: Ich will überhaupt nichts erfassen. Ich will meine Ruhe vor Belegen und Rechnungen haben.

Immer einen Schritt voraus

Zehn Vorurteile gegen die Cloud
1. Die Cloud ist nicht sicher Falsch. Vielmehr gilt: Wer billig kauft, kauft teuer. Die Begründung: Wichtig ist es, für seine Anforderungen das richtige Modell zu finden. Hierfür muss zwischen der öffentlichen Public Cloud und der geschlossenen, nur angemeldeten und abgesicherten Nutzern zugänglichen Private Cloud unterschieden werden. In vielen Public Cloud Angeboten gibt es bis dato keine Modelle, die dem Kunden Sicherheit garantieren. In einem Private Cloud Modell dagegen lassen sich Sicherheitszusagen sowie Zusagen für Performancewerte durchaus treffen. Wichtig ist es, für seine Anforderungen das richtige Modell zu finden. Ob ein Service die für den Kunden ausreichende Sicherheit liefert, wird in Private Clouds durch Zertifikate wie zum Beispiel das SSAE16 sowie die verwendete Architektur und Technologie  sichergestellt. Neben einem Zertifikat ist das SLA (Service Level Agreement) zwischen Anbieter und Nutzer von entscheidender Bedeutung. Im Übrigen kann selbst ein Cloud-Anbieter nicht auf die Daten des jeweiligen Kunden zugreifen. Auch dann nicht, wenn er zu administrativen Zwecken auf die Netzinfrastruktur und Systeme zugreifen muss. Quelle: dapd
2. Ich verliere die Rechte an meinen DatenFalsch. Lesen Sie das Kleingedruckte. Die Begründung: Tatsächlich ist es oft schwierig, seine Daten einfach und sicher zu einem Cloud Provider zu migrieren. Man sollte denken, es wäre selbstverständlich, die Hoheit über seine Daten zu behalten. Leider sehen die SLA´s einiger Anbieter hierfür keine geregelte Strategie vor. Daher müssen Unternehmen bei manchen Anbietern mit hohen Aufwänden für die Migration ihrer Daten rechnen. Dann wird ein vermeintlich attraktives Angebot schnell zum kommerziellen Desaster. Es lohnt sich, das Kleingedruckte aufmerksam zu lesen, zu verstehen, und gegebenenfalls Transparenz einzufordern.  Quelle: dapd
3. One size fits allEine flexible, uneingeschränkte Skalierung ist Trumpf. Die Begründung: Cloud Angebote basieren auf Virtualisierung, also einer vernünftigen Auslastung von Ressourcen, um die Kosten niedrig zu halten. Darum sollten Anwender darauf achten, daß sie Ressourcen gemäß ihrer individuellen Anforderungen frei skalieren können. Nur dann lassen sich weitreichende kommerzielle Vorteile erzielen. Quelle: dpa/dpaweb
4. Es gibt nur zwei Abrechnungsmodelle: "Pay as you go" oder LaufzeitenvertragFalsch. Die Lösung liegt in einer klugen Mischung aus beidem. Die Begründung: Es ist klar, dass das "Pay as you go", also ein bezugsabhängiges Abrechnungsmodell ohne Vertragsbindung, grundsätzlich teurer ist als eine vertraglich vereinbarte Abnahme von Leistungen. Sobald Anwender jedoch eine maximale Flexibilität oder stark schwankende Anforderungen erkennen, ist es lediglich ein Rechenbeispiel, welches Modell ihren Anforderungen am besten entspricht. Spielen der Faktor Flexibilität in Zukunft eine wesentliche Rolle, kann sich ein "Pay as you go"-Modell schnell rechnen.  Quelle: dpa
5. Cloud Services reduzieren ArbeitsplätzeFalsch. Durch die Nutzung von Coud Services entstehen neue Arbeitsplätze, beim Anbieter wie beim Anwender. Die Begründung: Die Nutzung von Cloud Services dient zunächst der Reduzierung von Bedarf und Kosten in der IT. Im Anschluss werden dadurch Ressourcen für hochwertige Aufgaben verfügbar gemacht, die bis dahin nicht oder nur extern bedient werden konnten. Damit führt die effektive und exzellente Unterstützung der Unternehmensprozesse durch die Cloud zu mehr Produktivität und damit zu mehr Geschäft– was zusätzliche Arbeitsplätze im Unternehmen schafft. Quelle: dapd
6. Die Cloud ist nur das Outsourcing von gesternFalsch. Jeder kann seine Cloud selbst betreiben. Die Begründung: Unternehmen können ihre Private Cloud im eigenen Hause betreiben und lediglich die Vorteile nutzen. Letztendlich bieten die verschiedenen Modelle der Cloud-Anbieter eine maximale Anpassung an den individuellen Bedarf der Anwender. So ist im Private Cloud Modell von Dimension Data auch vorgesehen, die Hardware im Rechenzentrum des Kunden zu platzieren. Anwender können hierbei die IT-Kontrollsoftware des Anbieters nutzen, welche Orchestrierung und Provisionierung sowie Reporting und Billing in einer einfachen Nutzeroberfläche zur Verfügung stellt. Das Hosted Private Cloud Modell hingegen sieht die Hardware in einem der Rechenzentren des Dienstleisters vor. Eine Kombination ist möglich, ebenso wie eine Kombination von Private Modellen und Pay as you go Modellen innerhalb der Public Services.   Quelle: REUTERS
7. Anforderungen weltweit tätiger Unternehmen kann die Cloud nicht bedienenFalsch. Verlässliche Anbieter liefern heute auf allen Kontinenten und in mehreren Rechenzentren global ausgerichtete Cloud-Angebote. Die Begründung: Verteilte Rechenzentren in jedem Kontinent sowie eine technologisch fortschrittliche Verwaltung der Cloudressourcen ermöglichen den Rollout von globalen Systemen innerhalb kürzester Zeit. Anwender sollten dabei sicherstellen, dass die SLA´s sowie die Supportmodelle des Anbieters zu ihnen passen und die eingesetzte Technologie sicher und verlässlich funktioniert. Wichtig ist, dass die Administration der verschiedenen geografischen Standorte zentral zur Verfügung stehen kann und dass an allen genutzten Standorten die entsprechenden Sicherheitsstandards eingehalten werden.  Quelle: dpa

Wenn man jetzt die Möglichkeiten von Google Now noch etwas weiter denkt, dann scheint mir der Weg dahin eigentlich gar nicht mehr so weit. Google weiß also sowieso schon, wie viele Kilometer ich im Monat mit dem Auto zurückgelegt habe? Und Google weiß auch, wo ich mich tagsüber zum Arbeiten aufhalte? Dann ist doch der Weg zur automatisch erstellten Pendlerpauschale eigentlich nur noch ein Katzensprung. Google weiß, was ich mir online bestellt habe? Warum dann nicht gleich erkennen, was es ist und ob der Gegenstand/Service für meinen Beruf als Werbungkosten angerechnet werden kann?

Es muss nicht zwingend Google oder auch nur ein einzelner Anbieter sein, der diese Aufgaben übernimmt, aber es sind Aufgaben, die schon heute technisch lösbar sind. Schnittstellen zum Bankkonto, zu Steuersoftware, Dokumentmanagern und zu den Finanzbehörden sind gefragt. Dass es mittlerweile eine ElsterCloud, ElsterApp oder De-Mail gibt, zeigt mir, dass selbst beim trägen Staat der Wille dazu da ist, Bürokratie abzubauen.

Die Dienste müssten verknüpft werden, sie würden auch für eine rechtssichere Erklärung alleine momentan nicht ausreichen. Aber sie könnten an jenem unheiligen Tag des Jahres schon auf mich warten, an dem ich um meine Steuererklärung nicht mehr herum komme. Sie könnten mir bereits anzeigen, wie viel ich an Werbungskosten, Reisekosten oder Anfahrt zur Arbeitsstätte habe investieren müssen und ob ich genug gesammelt habe, um die Kosten abzusetzen. Und ganz ehrlich: Das könnte sogar ein wenig Spaß machen.

Der mobile Trend geht weg von der einsamen, für sich alleine stehenden App, hin zu Hubs, in denen Informationen aus verschiedenen Quellen clever verknüpft werden. Ähnliche Ansätze zeigen neben Android 4.1 und 4.2 auch Windows Phone 8, Blackberry 10 und eben Apple mit PassBook. Der Anfang ist gemacht, jetzt geht es für Startups darum, Ideen für solche Services zu entwickeln und sich über Schnittstellen in intelligente Hubs einzuklinken. Unliebsame Dinge wie eine Steuererklärung könnten damit schon bald entschärft werden.

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