High Tech für den Alltag Intelligente Kleidung: Klamotten mit Pfiff

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Microsoft-Entwickler Neugebauer wünscht sich nicht nur Anwendungen im Katastrophenschutz. Er sucht auch nach „verspielten Ideen, die schneller begeistern“ und Umsatz bringen. Auf solche Ideen wartet auch der Spielemarkt – logisch. Neugebauer glaubt, dass der in den nächsten fünf Jahren zu den Ersten gehört, in dem sich die smarten Klamotten durchsetzen: „Technikbegeisterte Fans warten sehnsüchtig auf Spiele, die durch Bewegungssensoren gesteuert werden oder bei denen das 3-D-Display in eine Brille integriert ist.“

Den größten Nutzen könnte die Technik allerdings im Gesundheitswesen bringen. Wer krank ist, dem soll zukünftig High-Tech-Kleidung beistehen, sozusagen als elektronischer Krankenpfleger. Mehr Sicherheit für Patienten verspricht etwa das 2,6 Millionen Euro teure Forschungsprojekt NutriWear. Es wurde im März 2007 von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen zusammen mit Motorola, Philips, dem Stoffhersteller Elastic aus Neukirchen und der auf Alten- und Krankenpflege-Produkte spezialisierten Suprima aus Bad Berneck ins Leben gerufen. Ziel des Projekts: Bei Krankenhauspatienten und Pflegeheim-Bewohnern soll mit intelligenter Kleidung der Ernährungszustand und vor allem die ausreichende Versorgung des Körpers mit Wasser überwacht werden.

Den Ingenieuren und Forschern des Lehrstuhls für Medizinische Informationstechnik ist es in Zusammenarbeit mit dem Institut für Textiltechnik bereits gelungen, Sensoren und stromleitende Bahnen in dehnbare Strickstoffe einzuarbeiten. Solche Trikotstoffe sollen zum Beispiel zu Unterwäsche oder Pyjamas verarbeitet werden – vor allem die eng sitzenden Bündchen an Hand- und Fußgelenken haben es den Forschern angetan. Sobald ein Mensch die so präparierte Kleidung trägt, könnten mehrere Sensoren rund um die Uhr den elektrischen Widerstand eines Körpers messen – die sogenannte Bio-Impedanz. Sie gibt Auskunft darüber, ob der jeweilige Patient genug isst und trinkt. Gerade bei alten und kranken Menschen ist das ein Problem, weiß Projektleiter Marian Walter: „Nach neuesten Studien sind über 40 Prozent der Menschen in Kliniken und Pflegeeinrichtungen chronisch mangelernährt.“

Ein weiteres Beispiel für den Einsatz intelligenter Textilien ist Sensave, ein Gemeinschaftsprojekt von fünf Fraunhofer-Instituten. Funkvernetzte Sensoren im Hemd checken den Gesundheitszustand und messen wichtige Werte wie die Herzschlag-Frequenz oder den Atemrhythmus. Ein speziell ausgestattetes Smartphone speichert und analysiert die Daten. Tritt eine Verschlechterung ein, dann sendet es einen Notruf an den Arzt.

An der High-Tech-Zukunft der Textilien arbeiten auch die Hohensteiner Institute. Martin Rupp, Direktor der Abteilung Bekleidungstechnik, und sein Team beschäftigen sich unter anderem damit, Kleider mit extrem dünnen Solarzellen zu bestücken. Solartex heißt das Projekt. Damit könnte ein Nutzer beim Spaziergang schon Kleingeräte wie MP3-Player oder Mobiltelefon mit Strom versorgen – vorausgesetzt, der Spaziergang findet bei Sonnenschein statt. Solartex, ursprünglich vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg unterstützt, entwickelt das Institut jetzt in Eigenregie weiter. Rupp wünscht sich aber noch „Umsetzungspartner aus der Industrie“. Ein solcher Partner könnte die Berliner Firma Sunload sein, die auf der Ispo Winter 08 in München einen Solarrucksack präsentiert.

Marktforscher sehen die weltweite Nachfrage nach High-Tech-Textilien jährlich um 10 bis 20 Prozent wachsen. Die Analysten des US-Marktforschungsunternehmens Venture Development prognostizieren für das Jahr 2010 einen Umsatz mit intelligenten Textilien von 700 Millionen Dollar.

Allerdings haben auch hier die Verbraucher noch ein Wörtchen mitzureden. Begeistern lassen werden sie sich von High Tech im Hemd nur dann, wenn die Aufrüstung einen echten Nutzen im Alltag bringt. „Die Technik muss unsichtbar sein. Kein Mensch will mit Helm, klobiger Brille, Datenkabel und Akku am Gürtel rumlaufen“, weiß Microsoft-Forscher Neugebauer.

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