Huawei Mate 30 Das kann Huaweis erstes Handy ohne Google

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Kann Huawei genug Entwickler überzeugen?

Huawei hat seinen mobilen Werkzeugkasten Googles Vorbild weitgehend nachempfunden, bis hin zur Möglichkeit, Nachrichten in Echtzeit aus dem Netz aufs Handy zu schicken oder das Telefon als digitale Geldbörse fürs mobile Bezahlen zu nutzen. Das Problem: Damit all diese Funktionen auch auf den neuen Mates funktionieren, müssen die Entwickler von Android-Apps ihre Handyprogramme um die Anbindung an Huaweis mobile Dienste erweitern.

Weltweit, sagt Yu, sollen bereits mehr als eine halbe Milliarde Menschen aus 140 Ländern Apps nutzen, die an die HMS-Funktionen andocken. Vor allem aber dürften das vor allem Menschen aus China sein, wo Google ja ohnehin keine Rolle spielt. Offiziell bestätigt das in München niemand, es widerspricht aber auch niemand vehement.

Damit sich die Entwicklergemeinde auch außerhalb der Volksrepublik für Huaweis Plattform erwärmt, will der Konzern tief in die Tasche greifen. Immerhin eine Milliarde Dollar werde man in den Aufbau eines breiten, weltweiten Entwickler-Ökosystems investieren, kündigt Yu auf der Bühne an – und bleibt dann aber doch jedes weitere Detail schuldig. Etwa, wann das Programm startet oder auch, wie leicht sich Google-optimierte Apps zusätzlich an die HMS-Plattform andocken lassen.

„Wir haben uns das schon mal näher angeschaut“, sagt Patrick Remy, Entwickler beim deutschen Softwarehersteller Divera. Das Unternehmen aus Wuppertal betreibt eine Plattform, über die Feuerwehren, Rettungsdienste und Katastrophenschutz Einsatzkräfte via Apple- oder Android-Smartphones alarmieren und dabei sofort erfassen können, welche Retter in welcher Zeit und mit welcher Qualifikation verfügbar sind.

Dabei mutieren die Smartphones der haupt- und ehrenamtlichen Helfer zum 2-Wege-Piepser, über den die Rettungskräfte sowohl aktiviert werden, als auch Rückmeldung geben können. „Bisher nutzen wir für die Echtzeitalarme auf Android-Handys Googles Firebase-Dienst“, sagt Remy. Um Alarme auch an Geräte wie die neuen Mates schicken zu können, müsste das Divera-Team, seinen Service auch an die HMS-Plattform anpassen. Das sei, so der Entwickler, nicht ganz trivial. „Ob sich der Aufwand lohnt, müssen wir prüfen.“

Es sind solche Spezialanbieter, die mit der Vielfalt ihrer Apps dafür gesorgt haben, dass sich Apples iOS-Betriebssystem und eben auch die Android-Plattform als Duopol im Handymarkt haben durchsetzen können. Und auch dafür, dass selbst ein früherer Branchenführer wie Blackberry oder ein milliardenschwerer Konzern wie Microsoft mangels ausreichender App-Angebote am Ende mit ihren eigenen Smartphone-Betriebssystemen BB10 und Windows Mobile gescheitert sind.

Ob nun ausgerechnet Huawei genügend Entwickler für sich gewinnen kann, ist also die entscheidende Frage, die auch an Ende der Zwei-Stunden-Schau in der Münchner Messe unbeantwortet bleibt.

Es sei „eher zweifelhaft, dass sich deutsche und internationale Kunden noch annähernd so sehr für die neue Mate-Generation begeistern, wie das bei jeder anderen Neuvorstellung von Huaweis Top-Telefonen der Fall war“, urteilt denn auch Gartner-Expertin Zimmermann, als Huawei-Frontmann Yu die Bühne verlassen hat. „Was er heute gezeigt hat, lässt mich eher skeptisch zurück.“

Nur eines sei klar: Die Aufholjagd, die Huawei in nicht mal einem Jahrzehnt auf Platz zwei des weltweiten Handygeschäfts gebracht hat, die ist bis auf Weiteres vorbei. Konkurrent Samsung, der im Frühjahr noch, vor Trumps Bann, beim weltweiten Smartphone-Absatz bereits in Schlagweite schien, ist erst einmal wieder enteilt. Und es gibt wenig Anlass anzunehmen, dass sich daran kurzfristig irgendwas ändert. Allen noch so beeindruckenden technischen Finessen der neuen Mate-Modelle zum Trotz.

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