
Die Arbeit der Zukunft wird noch vernetzter, digitaler und flexibler sein als wir sie heute kennen. Arbeit und Freizeit werden noch stärker ineinander übergehen, Mensch und Maschine noch enger zusammenwachsen. Das Bundesarbeitsministerium hat sich daher im April 2015 in einem "Grünbuch Arbeit 4.0" mit den Anforderungen an die Arbeit der Zukunft auseinander gesetzt. Auch wenn noch nicht im Detail abzusehen ist, welche Auswirkungen der industrielle Wandel auf die Arbeitsrealität haben wird, so steht doch fest: Die fortschreitende Digitalisierung ermöglicht und fordert ein "anderes" Arbeiten.
Doch wo bleiben die gesetzlichen Regelungen? Das Arbeitsrecht scheint den Herausforderungen, die die "Arbeitswelt 4.0" mit sich bringen wird, nicht gewachsen. Manche Stimmen sehen darin gar einen "Bremsklotz" der digitalen und industriellen Revolution.
Tatsächlich ist einiger Aufwand nötig, um den Vorstellungen der Arbeitsvertrags-Parteien sowie der Arbeitsrealität mit dem derzeitigen arbeitsrechtlichen "Handwerkszeug" auch künftig gerecht zu werden und praxistaugliche Lösungen zu finden.

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Anschaulich wird dies etwa beim Thema "Mobiles Arbeiten". Denn das vereint gleich eine ganze Reihe regelungsbedürftiger Fragestellungen. Und das Arbeiten jenseits des Büros wird nach Experteneinschätzung bis 2025 bei rund einem Drittel aller Beschäftigten die typische Arbeitsform sein.
Sobald Mitarbeiter von unterwegs (zum Beispiel auf Zugfahrten) oder von zu Hause aus Arbeitsaufträgen nachgehen oder auch nur außerhalb der regelmäßigen Bürozeiten erreichbar sind, stellt sich die Frage, ob sie im herkömmlichen Sinne "arbeiten". Sollte etwa die bloße Erreichbarkeit Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes darstellen, so wäre die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeit zwischen zwei Arbeitseinsätzen faktisch kaum noch möglich. Sollte diese dauerhafte Erreichbarkeit dann auch als Arbeitszeit zu vergüten sein, könnte das die Unternehmen teuer zu stehen kommen.

Hier gelten die folgenden Grundsätze: Erreichbarkeitszeiten, in denen es zu keinem Arbeitseinsatz des Mitarbeiters kommt, sind weder arbeitszeit-, noch vergütungsrechtlich relevant. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber die Erreichbarkeit außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit ausdrücklich eingefordert hat. Demgegenüber sind solche Zeiten für die Einhaltung der gesetzlichen Höchstarbeits- und Ruhezeiten zu berücksichtigen, in denen der Arbeitnehmer tatsächlich mit Kunden telefoniert oder berufliche E-Mails beantwortet hat – diese Zeiten sind auch vergütungspflichtig.
Arbeitsschutz gilt auch im Home Office
Man wird beobachten müssen, wie belastend sich das zunehmende Ineinandergreifen von Arbeitszeit und Freizeit auf die Belegschaft auswirkt. Manche Unternehmen befürchten schon jetzt, dass sich Arbeitnehmer auch in ihrer Freizeit nur allzu bereitwillig für ihre Vorgesetzten verfügbar halten, um ihren besonderen Arbeitseinsatz und ihre Leistungsbereitschaft zu dokumentieren. Zum Schutz der Belegschaft deaktivieren diese Unternehmen beispielsweise die Weiterleitung betrieblicher E-Mails auf die Endgeräte der Arbeitnehmer ab einer bestimmten Uhrzeit oder bringen klar zum Ausdruck, dass eine Erreichbarkeit am Wochenende nicht erwartet wird.
Stichwort "Arbeitnehmerschutz": beim heimischen Arbeitseinsatz in den eigenen vier Wänden ist aus Arbeitgebersicht noch zu bedenken, dass die Einhaltung gesetzlicher Arbeitsschutzvorschriften (zum Beispiel ergonomische Arbeitsplatzgestaltung, strahlungsarme Monitore) auch im "Home Office" sicherzustellen ist.
Einbindung privater Endgeräte birgt Datenschutzrisiken
Ein weiterer Aspekt des mobilen Arbeitens bereitet Arbeitgebern – und hier insbesondere deren IT-Abteilungen – gelegentlich Kopfzerbrechen: Arbeitnehmer bestehen zunehmend darauf, für die mobile Arbeit ihre eigenen elektronischen Geräte zu verwenden (zum Beispiel Laptop, Smartphone, Tablet). Das zusätzliche Mitführen eines "Dienst-Handys" wird von vielen Mitarbeitern als lästig und angesichts des eigenen, oft leistungsfähigeren Smartphones auch als überflüssig empfunden. Die Einbindung privater Endgeräte in die betriebliche EDV des Arbeitgebers ("BYOD", Bring your own device) ist aber in vielfacher Hinsicht problematisch.
Private Elektronikgeräte können ein Einfallstor für Schadsoftware ("Malware") darstellen – ein weiterer Kanal zur Ausspähung von Betriebsgeheimnissen wird geöffnet. Daneben drohen urheberrechtliche Schwierigkeiten, wenn bestimmte Softwareprogramme nur zur Nutzung auf Firmenrechnern lizenziert wurden. Ein wesentliches Problem stellt schließlich der Zugriff des Arbeitgebers auf unternehmensbezogene Daten dar, die auf den privaten Endgeräten der Mitarbeiter abgespeichert sind. (Datenschutz-) Rechtlich einwandfrei zu handhaben sind hier nur solche Software-Lösungen, die private Mitarbeiterdaten klar von solchen mit Unternehmensbezug trennen (zum Beispiel virtuelle Aufteilung des Smartphones in einen privaten und einen dienstlichen Bereich mittels sogenannter Container-Software).
So haben sich Unternehmen auf die Digitalisierung vorbereitet
Mehr als in Drittel aller Unternehmen bereitete sich durch digitales Management der Personalverwaltung vor. In der Studie waren Mehrfachnennungen möglich
Quelle: Edenred-Ipsos-Barometer 2015, "Wohlbefinden & Motivation der Arbeitnehmer"
An zweiter Stelle steht die Virtualisierung der Arbeitsplätze (28 Prozent), etwa durch virtuelle Desktops oder eine Ausstattung für Telefonkonferenzen.
Den dritten Platz teilen sich zwei Maßnahmen: die Einrichtung eines sozialen Firmennetzwerks sowie das Angebot von E-Learning (jeweils 25 Prozent).
18 Prozent der Unternehmen trafen Vereinbarungen zur Telearbeit
16 Prozent der befragten Unternehmen haben an ihrer Webseite gearbeitet.
13 Prozent der Unternehmen haben sonstige Maßnahmen ergriffen
Fünf Prozent der Unternehmen haben eine "BYOD" (bring your own device) Politik eigeführt.
Ein Drittel der befragten unternehmen gab an, keine der aufgeführten Maßnahmen zur Vorbereitung auf die Digitalisierung umgesetzt zu haben
Angesichts dieser technischen und organisatorischen Schwierigkeiten gehen viele Arbeitgeber mittlerweile einen anderen Weg: sie unterbreiten ihren Mitarbeitern eine Auswahl hochwertiger Endgeräte und schaffen das "Wunschgerät" dann zu Firmeneigentum auf eigene Rechnung an ("CYOD", Choose your own device). Zwar entfällt hierbei die Kostenersparnis, welche der betrieblichen "Mitnutzung" schon vorhandener privater Devices innewohnt. Nicht zuletzt die bessere IT-Sicherheitslage wiegt diesen Nachteil jedoch in aller Regel auf.
Auch das sogenannte "Cloud Computing", bei dem Daten auf räumlich ausgelagerten Rechnern und Servern gespeichert werden und auf die über das Internet zugegriffen wird, weist arbeits- und vor allem datenschutzrechtliche Hürden auf. Oftmals wird hier auf externe Dienstleister zurückgegriffen, die beispielsweise anhand der in die "Cloud" eingestellten Daten die zentrale Gehaltsabrechnung für den Arbeitgeber vornehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine solche Übermittlung personenbezogener Arbeitnehmerdaten (zum Beispiel Vor- und Zuname, Geburtstag, Konfession, Staatsangehörigkeit, Familienstand) an externe Stellen – wie schon die Erhebung der Daten beim Vertragsarbeitgeber selbst – der datenschutzrechtlichen Erlaubnis nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) bedarf. Zur Rechtfertigung der Datenübermittlung an professionelle "Cloud-Dienstleister" kommt etwa die ausdrückliche schriftliche Einwilligung der Arbeitnehmer oder der Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung in Betracht.
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Auf welche Bereiche wirkt sich die Digitalisierung im Arbeitsalltag aus?
47 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, dass sich die Digitalisierung positiv auf das eigenständige Arbeiten auswirkt. 37 Prozent spüren keine Auswirkung, zehn Prozent beklagen negative Einflüsse.
Quelle: Edenred-Ipsos-Barometer 2015, "Wohlbefinden & Motivation der Arbeitnehmer"
45 Prozent sagen, dass die Digitalisierung die Zusammenarbeit verbessert, 13 Prozent sehen eine Verschlechterung.
43 Prozent spüren einen positiven Einfluss der Digitalisierung auf ihre Lebensqualität im Job, 36 Prozent merken gar keine Veränderung und 15 Prozent spüren negative Einflüsse auf die Teamarbeit.
Die Zusammenarbeit mit Kunden verbessert sich laut 42 Prozent der Befragten. Neun Prozent sehen hier eine Verschlechterung.
Eine Verbesserung durch die Digitalisierung erleben 41 Prozent, elf Prozent beklagen negative Einflüsse.
43 Prozent sagen, dass die Digitalisierung an den Kompetenzen nichts verändert hat. 40 Prozent sehen einen positiven Einfluss und acht Prozent einen negativen.
40 Prozent fühlen sich durch die Digitalisierung bei der Arbeit motivierter, bei elf Prozent sehe es durch die Digitalisierung schlechter aus mit ihrer Motivation. Für 43 Prozent hat sich durch die Digitalisierung nichts an ihrer Motivation verändert.
Dank der Digitalisierung können 34 Prozent der Befragten berufliches und privates leichter vereinen. Bei 16 Prozent ist es dagegen schwieriger geworden, beides unter einen Hut zu bekommen. 42 Prozent spüren keine Veränderung.
Bessere Chefs dank Digitalisierung? Keine Veränderung bemerkten 42 Prozent. Einen positiven Einfluss glauben 28 Prozent bei ihren Vorgesetzten bemerkt zu haben, eine Verschlechterung beklagten 28 Prozent.
In der Praxis werden zur Legitimierung der Datenübermittlung aber auch oft Vereinbarungen über eine Auftragsdatenverarbeitung abgeschlossen, bei welcher der Empfänger nur in einer ganz bestimmten Art und Weise mit den Daten verfahren darf und sich der Arbeitgeber als eigentlicher "Herr der Daten" die Verfügungsgewalt hierüber bewahrt. Besonders interessant wird es, wenn – wie in der heutigen globalisierten Arbeitswelt nicht unüblich – die Datenübermittlung an im Ausland gelegene Dienstleister erfolgen soll. Dies ist in aller Regel unproblematisch, wenn der Auftragsdatenverarbeiter seinen Sitz im europäischen Ausland hat. Bei einer Datenübermittlung an Cloud-Anbieter oder sonstige Dienstleister außerhalb der EU muss hingegen ein Datenschutzniveau gewährleistet sein, welches dem europäischen Standard vergleichbar ist.
Mitbestimmungsrecht bei Cloud-Anwendungen
Während Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer regelmäßig in Ausübung ihres Direktionsrechts einseitig anweisen können, bestimmte Cloud-Lösungen und -Anwendungen zu nutzen (zum Beispiel um Dokumente auf externen Servern zu archivieren), sind bei der Einführung derselben oft Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Neben Unterrichtungs- und Beratungsrechten ist insbesondere das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Bezug auf technische Einrichtungen zur Mitarbeiterkontrolle einschlägig (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).
Da nach der Rechtsprechung für das Eingreifen des Mitbestimmungsrechts bereits die objektive Eignung einer technischen Einrichtung zur Überwachung der Arbeitnehmer ausreicht, dürfte das Mitbestimmungsrecht bei Cloud-Anwendungen ausnahmslos eingreifen. Denn mit Hilfe der eingesetzten Software lassen sich in der Regel Verhaltens- oder Leistungsdaten der die Cloud nutzenden Arbeitnehmer erfassen und auswerten.
Homeoffice: 10 Regeln für Arbeitgeber
Flexible Arbeitsmodelle erfordern klare Vereinbarungen. Nur wenn die Rahmenbedingungen transparent und Erwartungen eindeutig formuliert sind, kann daraus eine vertrauensvolle neue Arbeitskultur entstehen.
Flexible Arbeitsmodelle eignen sich nicht für alle Aufgaben. Firmen müssen deshalb klare Regeln für den Rahmen für die Nutzung (wer kann flexibel arbeiten) und die Umsetzung (Anwesenheitspflichten, Arbeitsumfang, Verfügbarkeit) vorgeben. Gallup hat in verschiedenen Studien herausgefunden, dass gerade Mitarbeiter im Home-Office häufig nicht genau wissen, was von ihnen erwartet wird. Deshalb müssen Führungskräfte ihre Erwartungen und die Aufgaben besonders deutlich formulieren.
Nicht für jeden Mitarbeiter eignet sich Arbeiten im Home-Office: Jedem Mitarbeiter sollte freigestellt sein, diese Angebote im Unternehmen zu nutzen.
Die Ausschöpfung des vollen Leistungspotenzials hängt stark von der Motivation und persönlichen Stärken ab. Für Personen, die ein sehr großes Bedürfnis nach sozialer Interaktion haben, ist die Arbeit im Home-Office nicht ideal. Ein häufiger Fehler ist, flexible Arbeitsmodelle als „Belohnung“ für besondere Leistungen einzusetzen. Das schafft falsche Anreize. Daher sollte aufgrund der Stärken oder Arbeitsweisen des einzelnen Mitarbeiters entschieden werden, ob dieser Home-Office oder mobiles Arbeiten nutzen kann und darf.
Als Arbeitgeber sollte man seinen Mitarbeitern vertrauen und „loslassen“ können.
Die bloße Anwesenheit ist kein Indikator für die Qualität der Arbeit. Schafft ein Mitarbeiter seine Arbeit zu Hause schneller als im Büro, sollte sich die Führungskraft darüber freuen – und nicht aus Prinzip auf das Erfüllen von Zeitkontingenten bestehen. Generell sollte eine Führungskraft den Rahmen für die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter schaffen, sich selbst einbringen zu können.
Die Leistung von Mitarbeitern muss objektiv definiert und gemessen werden.
Jeder Mensch entwickelt seine eigene Arbeitsweise. Gleiches gilt für die Zeitplanung bei flexiblen Arbeitsmodellen. Starre Zeitkorsetts demotivieren und behindern eine produktive Arbeitseinteilung. Der Mitarbeiter muss an seinen Leistungen gemessen werden. Dies erfordert ein grundlegendes Performance Management im Unternehmen, das Leistungen objektiv definiert und misst.
Aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn: Auch Mitarbeiter ohne permanente Anwesenheit brauchen Führung.
Bei Heimarbeitern sollte das Feedback bewusster und regelmäßiger erfolgen als bei den Kollegen vor Ort. Wenn Führungskräfte ein ehrliches Interesse an ihren Mitarbeitern zeigen, deren Arbeit regelmäßig bewerten und über die persönliche Weiterentwicklung sprechen, können sie die Mitarbeiter auch über große Distanzen hinweg binden.
Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht. Das gilt insbesondere für flexible Arbeitsplatzmodelle.
Wenn der Mitarbeiter spätabends noch E-Mails schreibt, ist er dann überlastet? Oder ist das nur sein persönlicher Arbeitsstil? Um diese Frage zu beantworten, müssen sich Führungskräfte auch für den Mitarbeiter als Menschen interessieren und dessen Stärken, Routinen und familiäres Umfeld kennen. Gallup hat über 10 Millionen Menschen weltweit zum Thema »Mein Vorgesetzter/ Meine Vorgesetzte oder eine andere Person bei der Arbeit interessiert sich für mich als Mensch« befragt. Personen, die diesem Satz zustimmen, bleiben häufiger in ihrem Unternehmen, haben mehr emotional gebundene Kunden, sind erheblich produktiver und erwirtschaften mehr Gewinn.
Neue Meetingkulturen erleichtern effiziente Arbeitsprozesse innerhalb der Teams.
Für ein gemeinsames Verständnis der Ziele und Aufgaben ist ein enger Austausch im Team notwendig. Auch und gerade bei flexiblen Arbeitsmodellen. Häufig sorgen jedoch schwierige Terminabstimmungen oder ungenügende Kommunikationswege für Reibung. Regelmäßige Statusmeetings ermöglichen allen Beteiligten, Projektstände auszutauschen, Ideen vorzustellen, Aufgaben zu besprechen und frühzeitig Schwächen aufzuzeigen.
Den direkten Austausch fördern, sich gegenseitig schätzen – und so das Gemeinschaftsgefühl stärken.
Der Mensch benötigt täglich 6 Stunden soziale Interaktion, um sich wohl zu fühlen und gesund zu bleiben. Wenn Kollegen und Vorgesetzte sich auch über das Berufliche hinaus schätzen, entsteht ein positives Arbeitsumfeld und ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl. Für die zwischenmenschlichen Beziehungen sind regelmäßige persönliche Treffen unverzichtbar.
Mitarbeiter müssen sich im Unternehmen willkommen fühlen und haben ein Anrecht auf einen Arbeitsplatz.
Die Anforderungen an Arbeitsplätze haben sich in den vergangenen Jahren aufgrund neuer Informationstechnologien und Arbeitsmodelle stark verändert. Doch noch immer gilt: Mitarbeiter brauchen eine Arbeitsumgebung, in der sie produktiv arbeiten können, in der sie sich wohlfühlen und willkommen sind. Das gilt ebenso für flexible Arbeitsmodelle. Maximale Flexibilität bedeutet auch, dass ein Mitarbeiter neben dem Arbeitsplatz z.B. im Home-Office auch Zugriff auf einen Arbeitsplatz im Team hat. Wie dieser gestaltet ist (z.B. durch Tablesharing oder Rollcontainer) muss vorab geklärt sein und dem Bedarf angepasst sein.
Neue Arbeitsstrukturen können nur erfolgreich sein, wenn sie mit der Unternehmenskultur und den Unternehmenszielen vereinbar sind.
Mitarbeiter, die der Aussage zustimmen „Die Ziele und die Unternehmensphilosophie meiner Firma geben mir das Gefühl, dass meine Arbeit wichtig ist“, sind produktiver und bleiben ihrem Unternehmen länger treu. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmenskultur und flexible Arbeitsmodelle aneinander angepasst werden: In Unternehmen, in denen ein Kontrollzwang herrscht, werden Home-Office und mobiles Arbeiten nicht zum Erfolg führen. Und wer von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder von Flexibilität spricht, muss dies auch in der Praxis einlösen.
Ein weiterer Trend, der auf dem Weg hin zur "Arbeitswelt 4.0" noch zunehmen wird, ist die Öffnung für neue Führungskonzepte und Organisationsstrukturen, insbesondere in international ausgerichteten Unternehmen und Konzernen. Die Berichts- und Führungslinien machen in sogenannten "Matrix-Strukturen" nicht länger an den eigenen Unternehmensgrenzen halt, sondern erstrecken sich – geordnet nach Fach- oder Themengebieten – über die gesamte Unternehmensgruppe. Die eigentliche Steuerung des Arbeitseinsatzes erfolgt aus Mitarbeitersicht dann nicht durch einen Vorgesetzten, der beim eigenen Vertragsarbeitgeber angestellt ist, sondern durch einen Manager der (oftmals im Ausland ansässigen) Konzernspitze.
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Sofern sich dieser "Line-Manager" auf fachliche oder leistungsbezogene Anweisungen beschränkt, ist dies arbeitsrechtlich zulässig – denn der Vertragsarbeitgeber kann einen Dritten (hier: den Matrix-Manager) dazu ermächtigen, an seiner Stelle den Einsatz seiner Mitarbeiter zu steuern und anzuleiten. Nicht möglich ist es hingegen, dem Matrix-Manager auch die disziplinarische Weisungsbefugnis gegenüber den eigenen Arbeitnehmern einzuräumen. Solche Entscheidungen, die sich auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses auswirken beziehungsweise mit der Arbeitgeberstellung untrennbar verknüpft sind (zum Beispiel Abmahnung, Kündigung, Zeugniserteilung), sollten in den Händen des Vertragsarbeitgebers verbleiben. Andernfalls besteht die Gefahr, dass stillschweigend ein weiteres – zweites – Arbeitsverhältnis zu dem den "Line-Manager" beschäftigenden übergeordneten Konzernunternehmen begründet wird.
Homeoffice: 10 Regeln für Arbeitnehmer
Feierabend und Ferien gelten auch bei flexiblen Arbeitsplatzmodellen.
Feierabend, Wochenende, Urlaube und Krankschreibungen gelten auch bei flexiblen Arbeitsplätzen und sollten respektiert werden. Wer keine klaren Grenzen setzt, darf sich nicht wundern, wenn die Kollegen darauf keine Rücksicht nehmen. Mitarbeiter müssen Eigenverantwortung für ihre Zeiteinteilung übernehmen und Überlastung frühzeitig signalisieren.
Eigene Eignung für flexible Arbeitsmodelle kritisch überprüfen.
Nicht jeder eignet sich für flexible Arbeitsmodelle. Mitarbeiter, die diese Möglichkeiten austesten, müssen ehrlich zu sich selbst und ihrem Arbeitgeber sein. Wer sich zu Hause schnell ablenken lässt oder den regelmäßigen Austausch mit Kollegen benötigt, wird sich damit eher schwer tun. Ebenso können beispielsweise persönliche Rahmenbedingungen wie ein lautes Umfeld für unliebsame Störungen sorgen. Dies wirkt sich nicht nur negativ auf die Arbeit, sondern auch auf das eigene Wohlbefinden und die Motivation aus.
Auch bei flexiblen Arbeitsplatzmodelle hat der Arbeitgeber keinen Anspruch auf ständige Rufbereitschaft.
Eine ständige Rufbereitschaft ist nicht nötig und sogar kontraproduktiv. Auch im Home-Office müssen ungestörte Phasen für konzentriertes Arbeiten eingeplant werden, um effektiv Aufgaben zu erledigen. Eine permanente Erreichbarkeit erzeugt nicht nur zusätzlichen Stress, sondern führt durch Ablenkungen auch zu schlechten Ergebnissen. Mitarbeiter im Home-Office müssen deshalb ihre Bedürfnisse klar und offen äußern können.
Der Mitarbeiter muss unternehmerischer denken.
Jeder Arbeitnehmer im virtuellen Office ist dem Arbeitgeber und seinen Kollegen gegenüber verantwortlich. Flexible Arbeitsmodelle entbinden den Mitarbeiter nicht von seinen Aufgaben. Durch eindeutige Zielvorgaben werden Aufgaben klar definiert und für alle Beteiligten messbar.
Flexible Arbeitsmodelle sind kein Abstellgleis, aber sie erfordern mehr Durchsetzungswillen.
Mitarbeiter, die flexibel oder in Teilzeit arbeiten, werden häufig nicht als Leistungsträger gesehen. Hingegen gelten die ständig anwesenden Kollegen als Top-Performer, die „hart arbeiten“. Um dies zu ändern, muss der flexible Mitarbeiter mehr Durchsetzungswillen und Präsenz gegenüber seinen Vorgesetzen zeigen. Regelmäßige Feedbackgespräche verhindern eine Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Mitarbeiter, die flexibel arbeiten, sollten Maßnahmen zur Weiterbildung einfordern. Oftmals ist hier mehr Nachdruck nötig als bei jemandem, der vor Ort im Büro arbeitet.
Die eigenen Aufgaben, Prozesse und Termine klar kommunizieren.
Eine enge Abstimmung mit Kollegen und Vorgesetzten erleichtert die Kommunikation und sorgt für Verständnis. Wenn für die Kollegen nachvollziehbar ist, wo sich der Kollege gerade aufhält und mit welchen Aufgaben er beschäftigt ist, wächst das Vertrauen. Stundensplittings (z.B. am Nachmittag drei freie Stunden für die Kinder), Mittagspausen und externe Termine sollten daher klar kommuniziert werden. So geht man Missverständnissen und Gerüchten aus dem Weg. Moderne IT kann dabei eine wichtige Hilfestellung sein. Unified Communication-Systeme zeigen an, wann und wie man erreichbar ist.
Der Arbeitsrhythmus sollte an die eigene Produktivität und die persönlichen Bedürfnisse angepasst werden, ohne dabei die Prozesse im Team zu missachten.
Studien zeigen, dass die Produktivität dann am höchsten ist, wenn zwischen zwei und zweieinhalb Tagen im Home-Office gearbeitet und der Rest der Woche für Tätigkeiten und Abstimmungen im Büro genutzt wird. Auch die eigenen Produktivitätszyklen können bei flexiblen Arbeitsmodellen stärker berücksichtigt werden. So arbeiten manche Menschen früh morgens am besten, andere eher am Abend. Aber das erfordert auch Abstimmung: Die Kollegen müssen wissen, wann man erreichbar ist.
Networking ist Pflicht: Die virtuelle Präsenz entbindet den Mitarbeiter nicht von seinen Aufgaben als Teammitglied, dazu zählen nicht nur die reinen Jobkriterien, sondern auch die Sozialkompetenz.
Der Austausch mit den Kollegen sollte sich nicht nur auf das fachliche beschränken. Freundlichkeit, Offenheit, Aufmerksamkeit, Respekt und Hilfsbereitschaft dienen nicht nur dem eigenen Wohlbefinden, sondern unterstützen das ganze Team. Nur in einem Umfeld aus Miteinander und Vertrauen lassen sich virtuelle Teams erfolgreich umsetzen.
Bei virtuellen Teams ist Wissensmanagement mit einem eindeutigen Ablagesystem Pflicht.
Die systematische Speicherung und Aufbereitung von Wissen erleichtert die Arbeit und die Kommunikation in virtuellen Teams. Der aktuelle Stand von Unterlagen muss zentral – die Cloud macht es möglich – abgelegt werden. Alle relevanten Mitarbeiter brauchen Zugriff auf die Ordner. Diese Systeme sichern die Freizeit, denn nur Kollegen, die Zugriff auf alle Unterlagen haben, können auch bei Bedarf füreinander einspringen.
Flexible Arbeitsmodelle verlangen ein hohes Maß an Selbstorganisation.
Wer in flexiblen Arbeitsmodellen arbeitet, muss sich auch zuhause ein produktives Umfeld schaffen (Raum, Technik, Rahmenbedingungen) Um in flexiblen Arbeitsmodellen erfolgreich zu arbeiten, müssen sich Mitarbeiter mit ihren eigenen Stärken und Schwächen auseinandersetzen: Wer gut organisiert und diszipliniert ist, wird in solchen Strukturen bessere Leistungen erzielen.
Neben arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten werfen Matrix-Strukturen aber auch datenschutzrechtliche Fragen auf, die noch nicht abschließend geklärt sind. Entgegen weitverbreiteter Ansicht in der Praxis unterliegt der Austausch personenbezogener Arbeitnehmerdaten zwischen zwei Unternehmen, die demselben Konzern zugehören, keinen erleichterten Bedingungen – das BDSG kennt kein "Konzernprivileg".
Der übergeordnete "Line-Manager" kann aber ohne Zugriff auf die notwendigen Arbeitnehmerdaten seine fachliche Leitungsfunktion kaum sinnvoll ausüben.
Empfehlenswert ist daher die Aufnahme einer sogenannten "Matrix-Klausel" in den Arbeitsvertrag des betreffenden Mitarbeiters, welche diesem den möglichen Einsatz innerhalb einer konzernweiten Matrix-Struktur in Aussicht stellt. Auf diese Weise wird der Matrixbezug des Arbeitsverhältnisses von Anfang an klar kommuniziert, so dass auch eine Datenübermittlung innerhalb der Matrix-Struktur zur Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses (hier: Steuerung des Arbeitseinsatzes durch den "Line-Manager") i.S.d. § 32 BDSG erforderlich ist.
Das Vorstehende zeigt, dass die Herausforderungen der "Arbeitswelt 4.0" ebenso vielfältig wie komplex sind. Unternehmen sind gut beraten, sich diesen Herausforderungen frühzeitig zu stellen, um nicht "den Anschluss zu verpassen". Angesichts des schon heute vielfach geäußerten Wunschs nach größerer Arbeitszeitsouveränität, einer stimmigen "Work-Life-Balance" und dem sparsamen Umgang mit Mitarbeiterdaten dürfte insofern bei der Mehrzahl der Unternehmen bereits jetzt akuter Handlungsbedarf bestehen.
Ob sich das Arbeitsrecht dabei dem Wandel hin zur "Arbeitswelt 4.0" öffnen wird oder sich tatsächlich als "Bremsklotz" der vierten industriellen Revolution erweist, bleibt hingegen abzuwarten.