55 Prozent der Kommunen in Deutschland haben mit ihrer Digitalisierung noch nicht einmal begonnen. Das ist der zentrale Befund einer Untersuchung unter den 394 größten deutschen Städten, die die Unternehmensberatung Haselhorst Associates aus Starnberg durchgeführt hat und die der „WirtschaftsWoche“ exklusiv vorliegt.
Selbst die Spitzenreiter des Smart-City-Rankings – Hamburg, Köln und München – sind keine durchdigitalisierten Städte. „Es gibt aktuell keine deutsche Stadt, die international Vorbildcharakter für die urbane Digitalisierung der Zukunft hat“, sagt Arno Haselhorst, Chef von Haselhorst Associates. „Das Thema Smart City wird in vielen Kommunen aktuell weniger als Zukunftstrend denn als Marketingmaßnahme angesehen.“
Für das Ranking haben die Unternehmensberater die Städte in sieben Kategorien näher beleuchtet: Digitale Infrastruktur wie etwa die Versorgung der Haushalte mit Glasfaserkabeln, Smart Energy (intelligente Strom-, Gas- und Wassernetze), Smart Mobility (intelligente Verkehrssteuerung), Smart Home & Security (intelligente Überwachungs- und Sicherungssysteme), Smart Health (elektronische Patientenakte, digitale Visite), Smart Government (digitales Bürgerbüro) sowie Smart Education (kollaborative Klassenzimmer).
Hauptgründe für das schlechte Abschneiden der deutschen Städte laut Haselhorst Associates: Sie scheuen die hohen Kosten für den Umbau ihrer Infrastruktur und zeigen nach Ansicht der Experten zu wenig Weitblick für technologische Trends.
Kleinere Städte verfügen dagegen zwar über weniger Steuereinnahmen und damit auch weniger Geld für Investitionen, sie zeichnen sich jedoch durch das pragmatischere Vorgehen aus. Prominente Beispiele dafür sind Darmstadt und Wuppertal: Die mit 160.000 Einwohnern viertgrößte Stadt in Hessen rangiert in zwei von sieben Kategorien der Studie ganz vorn – und im Gesamtranking auf Platz fünf. Vor allem die Energie- und Gesundheitsversorgung gelten in Darmstadt als vorbildlich. Das Klinikum Darmstadt etwa investiert massiv in die Vernetzung aller Krankenhaus-Systeme bis hin zur WLAN-Versorgung am Krankenbett.
Die 350.000-Einwohner-Stadt an der Grenze zwischen dem Rheinland und Westfalen wiederum hat sich mit „Digital 2023“ eine umfassende IT- und Digitalisierungsstrategie für die kommenden fünf Jahre verpasst. Denn das Wirtschaftsministerium NRW hat Wuppertal zur Leitkommune für die Modellregion Bergisches Land ernannt.
Mit Investitionen in Höhe von zehn Millionen Euro will die Stadt die Digitalisierung bis zum Jahr 2023 noch einmal deutlich beschleunigen. Bereits heute kommt Wuppertal auf Platz neun bei der intelligenten Energieversorgung und Platz 12 im Gesamtranking der Untersuchung.
Hier können Sie sehen, wie smart Ihre Stadt ist
Lebensbereich einer Smart City: Das bedeuten die einzelnen Segmente
Die Bereitstellung der notwendigen technischen und sozialen Infrastrukturen durch Kommunen wird durch den demografischen Wandel sowie durch die zunehmende Urbanisierung und Globalisierung zu einer besonderen Herausforderung. Die Positionierung als Smart City ermöglicht es dabei Kommunen, sich als Standort abzuheben und durch intelligente Vernetzung die Attraktivität einer Stadt oder Region sowohl für Bürger als auch für Unternehmen langfristig zu sichern. Eine Smart City beinhaltet grundsätzlich sieben Lebensbereiche sowie die dazugehörige Basis:
- Smart Energy & Environment
- Smart Mobility
- Smart Home, Building & Security
- Smart Health
- Smart Government
- Smart Education
- Digitale Infrastruktur
- (Basis)
Intelligente Strom-, Gas- und Wassernetze, Intelligente Speichertechnologien
Produkte
- Energieerzeugungstechnologien (GuD mit Kraft-Wärme-Kopplung, Photovoltaik, Wind, Brennstoffzelle)
- Power-to-Gas-Technologie
- Speichertechnologien (Batterie, Wärme, V2G etc.)
- Regelbare Transformatoren
- Microgrid Controller
- Wärmepumpen
- Smart Meter Ausbau
- Intelligente Ent-/Bewässerungssysteme
- Intelligente Müllinfrastruktur (Smarte Mülleimer, Smarte Container etc.)
Services
- Virtuelles Kraftwerk
- Smart Meter Steuerung
- Smart Waste Management
- Smart Water Management
Intelligente Verkehrssteuerung, Parkraummanagement, Connected Car, urbane Logistiklösungen.
Produkte
- Digitale Verkehrszeichen
- Ladeinfrastruktur für E-Mobilität
- Digitale Mobilitätskonzepte (Carsharing, Autonome Shuttles & Schienenverkehr etc.)
- Intelligente Straßenbeleuchtung
Services
- Connected Car
- Intelligente Verkehrssteuerung
- Intelligente Parkraumsteuerung
- E-Ticketing
- Urbane Logistiklösungen (Truck Parking, Smart Entrance, etc.)
- Telematik
Intelligente Überwachungs- und Sicherheitssysteme, Energiemanagement, Smart-Home-Technologien, Cyber-Sicherheitslösungen.
Produkte
- Überwachungs- und Sicherheitstechnik
- Biometrische Sicherheitssysteme
- Brand- und Löschschutzsysteme
- Heizungs-, Lüftungs- und Klimasysteme
- Beleuchtung und Beschattung
- Smart Home Geräte
Services
- Gebäudesteuerungssoftware
- Smart Home Software
- Cyber-Sicherheitslösungen
- Gefahrenmanagementsysteme
- Predictive Analytics
Altersgerechte Assistenzsysteme, Telemedizin, elektronische Patientenakte.
Produkte
- Telemedizin
- Quantified Self & Wearables
- Ambient assisted living (ALL)
- Smart pills
Services
- Intelligente medizinische Steuerungssoftware
- mHealth
- Elektronische Patientenakte
Glasfaser, IoT, Blockchain.
Produkte
- Gekapselte Serverinfra-struktur
Services
- Elektronische Verwaltung
- eAkte
- Geoinformationssystem
E-Learning-Plattform, Collaborative Classrooms.
Produkte
- Smart Bags
- Smart Classrooms
- Smart Equipment
Services
- E-Learning-Plattform
- Learning Analytics
- mLearning
Glasfaser, IoT, Blockchain.
Produkte
- Glasfaserausbau
- Mobilfunk
Services
- Blockchain
- IoT
Zentrale Organisationseinheit (zum Beispiel ein ein Chief Digital Officer „CDO“), Implementierungsorganisation, Smart-City-Strategie.