Internet-Fernsehen Wird Netflix zum Opfer seines Erfolgs?

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Deutsche TV-Dauerschauer

Dabei hätte Netflix die Präsenz gut getan. Der deutsche Markt steht exemplarisch für die lokalen Besonderheiten, die Netflix weltweit bewältigen muss: Erstes, Zweites, Drittes, RTL, ProSieben, Sat.1, wenn es um frei empfangbare Sender geht, ist der hiesige TV-Markt dicht besiedelt wie kein anderer. Zu den öffentlich-rechtlichen Programmen und ihren Ablegern im Dritten sowie im Internet kommen unzählige Privatsender. Den meisten Zuschauern reicht, was da pausenlos an Shows, Soaps und Spektakeln über die Mattscheibe rauscht. 2015 hingen die Deutschen täglich im Schnitt 259 Minuten vor dem Fernsehschirm.

Und das, obwohl auch hierzulande längst eine parallele TV-Welt entstanden ist: Die Zahl derer steigt stetig, die sich ihr Programm aus Mediatheken, Onlineangeboten wie YouTube und Bezahlsendern selber basteln. Die alternativen Anbieter registrierten laut Branchenverband VPRT gut 7,4 Millionen Abonnenten, die für 2,5 Milliarden Euro Umsatz sorgten, Tendenz steigend.

Anlass zu Wachstumsträumen gibt das für Netflix aber keineswegs. Die Umsätze im Bezahlfernsehen erreichen gerade mal gut 16 Prozent des deutschen Gesamtfernsehmarktes. Und mit durchschnittlich nur elf Minuten schauen Deutsche pro Tag verschwindend wenig Onlinevideos verglichen mit dem oft totgesagten linearen Fernsehen und seinen starren Programmen.

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Immerhin: Bei Zuschauern bis 49 Jahren werden Abruf-Angebote immer beliebter. Und bei jüngeren Filmfans hat Hastings’ Videoportal die besseren Karten: Laut dem Meinungsforscher Appinio nutzt von den befragten 20- bis 24-Jährigen On-Demand-Zuschauern fast jeder zweite Netflix. Ab 30 aber dominiert Konkurrent Amazon.

Wie kein Zweiter macht der Konkurrent aus Seattle Netflix die Bildschirme streitig. Und anders als die verschlafenen Kabelkonzerne ist Amazon technologisch Avantgarde. So sind die US-Konzerne die einzigen Anbieter, von denen auf der IFA Videostreams in der aktuell höchstverfügbaren Auflösung und Farbenpracht über die Monitore flimmern.

Vor allem aber wandelt sich Amazon zum aggressivsten Nachahmer von Netflix’ Geschäftsmodell: Denn auch Amazon setzt auf Eigenproduktionen. Wie „The Grand Tour“; unter dem Titel startet im Herbst ein PS- und Boliden-Spektakel eigener Art bei Prime Video. Damit will der Ex-BBC-Starmoderator Jeremy Clarkson an den Erfolg seiner Kultsendung „Top Gear“ anknüpfen. Die Auto-Parade hätte auch Netflix-Boss Hastings gern gezeigt. Doch Amazon köderte Clarkson für geschätzte 190 Millionen Euro. Hastings räumte ein: „Sie haben halt mehr geboten.“ Ansonsten sei Amazon aber auch nur „ein Konkurrent unter vielen“.

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