Internet-Wahlkampf Die Lektionen vom Daten-König Obama

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Auch in Deutschland wird der Wahlkampf digitaler

Merkel lädt Präsident Barack Obama ein
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den wiedergewählten Präsidenten Barack Obama zu einem Deutschland-Besuch eingeladen: "Es wäre mir eine Freude, Sie bald wieder als meinen Gast in Deutschland begrüßen zu können." In einem offiziellem Brief schreibt die Bundeskanzlerin: "Wir haben in den vergangenen Jahren eng und freundschaftlich zusammengearbeitet". Sie blickt hoffnungsvoll auf die Weiterentwicklung der transatlantischen Beziehungen, "aber auch über die Bewältigung der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, über unser gemeinsames Engagement in Afghanistan oder das iranische Nuklearprogramm. Ich freue mich darauf, dies fortsetzen zu können, damit unsere beiden Länder auch weiterhin Seite an Seite die wichtigen außenpolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, vor denen wir als Freunde und Verbündete stehen, gemeinsam meistern können". Quelle: dpa
Bundespräsident Joachim Gauck wünscht Barack Obama "Glück, Erfolg und Gottes Segen". Der deutsche Staatschef erklärte in dem am Mittwoch veröffentlichten Glückwunschschreibe: "Wir sind gefordert, die globalen Herausforderungen und Bedrohungen für Freiheit, Frieden, Wohlstand und unsere Umwelt anzunehmen. Dazu wird Deutschland an der Seite der Vereinigten Staaten von Amerika auch weiterhin verlässlich seinen Beitrag leisten". Der Bundespräsident hebt die gemeinsamen Werte "der Freiheit, der Menschenrechte und der Demokratie" hervor. "Nie werde ich vergessen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika uns Deutschen unverbrüchlich zur Seite standen, wann immer es um die Freiheit und Einheit unseres Landes ging". Quelle: dpa
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) äußerte sich am Rande eines Besuchs bei den Vereinten Nationen als erstes deutsches Regierungsmitglied zu Obamas Wiederwahl. Westerwelle: „In der Außenpolitik ist mit keinen Brüchen zu rechnen. Wir haben mit der Obama-Regierung sehr gut zusammengearbeitet. Wir haben auch noch vieles gemeinsam vor.“Er appellierte am Mittwoch in New York an die USA, gemeinsam mit Russland nun die „Gunst der Stunde“ für weitere Abrüstungsschritte zu nutzen. Zugleich plädierte er für eine weitere Liberalisierung des Welthandels. „Das ist unsere wichtigste Erwartungshaltung an die USA, dass wir gemeinsam gegen Protektionismus arbeiten und mehr für Freihandel tun.“ Quelle: dpa
Der Präsident der EU-Kommission gratuliert per Twitter: "Warme Glückwünsche für Präsident Barack Obama. Ich freue mich auf eine Fortführung der Zusammenarbeit und ein noch stärkere Partnerschaft." Quelle: dpa
Starinvestor George Soros: "Die amerikanischen Wähler haben extremistische Positionen abgelehnt. Das öffnet die Tür für eine vernünftigere Politik. Die gewählten Republikaner werden in den kommenden Jahren hoffentlich bessere Partner sein - besonders notwendig ist das für die Vermeidung des sogenannten 'fiscal cliff'." Quelle: dpa
Frankreichs Präsident François Hollande hat die Wiederwahl von Barack Obama als „wichtigen Moment nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt“ bezeichnet. Die Wahl sei „eine klare Entscheidung für ein offenes, solidarisches, voll und ganz international engagiertes Amerika“, schrieb Hollande am Mittwoch nach Angaben des Élyséepalastes in Paris an Obama. Er setze auf eine Stärkung der Partnerschaft zwischen beiden Ländern. Gemeinsame Ziele seien mehr Wirtschaftswachstum, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Konfliktlösung vor allem im Nahen Osten. Quelle: dpa
Jerusalem: Der Vize-Außenminister Israels, Daniel Ayalon gratuliert per Twitter: "Präsident Obama wird ein ausgezeichneter Präsident für Israel sein". In den vergangenen Monaten hatte Mitt Romney Israel besucht. Quelle: dapd

In Deutschland ist es dagegen immer noch kurios, wenn SPD-Chef Sigmar Gabriel in diesem Jahr Twitter entdeckt oder mit Peter Altmaier gar ein twitternder Politiker zum Minister berufen wird. Deswegen flogen deutsche Politiker in Scharen über den Atlantik, um sich von den US-Wahlkämpfern einige Kniffe abzuschauen. "Wir werden im Bundestagswahlkampf stärker auf soziale Netzwerke und Internet-TV setzen", kündigt CDU-Bundesgeschäftsführer Klaus Schüler an. Auch Matthias Machnig, derzeit Wirtschaftsminister in Thüringen, war Ende Oktober eine knappe Woche in den USA.

Der SPD-Politiker hat die Schröder-Kampagnen organisiert und mit der legendären Kampa-Wahlkampfzentrale erstmals Methoden des US-Stimmenfangs auf Deutschland übertragen. Nun berät er auch Peer Steinbrück.

Wenig Berührungspunkte

Dennoch wird das Internet hierzulande auch im kommenden Bundestagswahlkampf längst nicht die Rolle spielen, wie in den USA. SPD-Kandidat Steinbrück hat bereits angekündigt, soziale Netzwerke weiterhin zu meiden, und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel wird wohl die Kommunikation via SMS den gleich langen öffentlichen Twitter-Kurznachrichten vorziehen.

"Die meisten Kandidaten haben wenig Berührungspunkte mit dem Internet oder sogar Berührungsängste", sagt Nico Lumma, einer der führenden Social-Media-Experten in Deutschland. Wer sein Publikum erreichen wolle, müsse akzeptieren, dass eine eigene Dynamik entsteht. "Doch dieses Loslassen ist in Deutschland extrem schwierig", sagt Lumma.

Impressionen zur Obama-Wiederwahl
Four more years: Präsident Barack Obama bedankt sich bei seinen Wähler. Es ist die erste Ansprache nach der Wiederwahl. Quelle: REUTERS
So sieht einer Siegerfamilie aus: Ehefrau Michelle, Töchter Malia und Sasha treten in Chicago mit dem neu gewählten US-Präsidenten Obama auf die Bühne. Quelle: REUTERS
Eine Unterstützerin weint während der neugewählte US-Präsident seine Ansprache hält. Quelle: dapd
Zuvor mussten seine Unterstützer noch zittern: Noch bevor die Nachricht der Wiederwahl von Barack Obama in der Welt war, warten seine Unterstützer in Chicago ge. Quelle: REUTERS
Auch in New York sind Menschen am Abend zusammengekommen: Ein Schwulenpaar auf dem Times Square in New York schaut gespannt auf die Bildschirme. Quelle: dapd
Es ist kalt auf dem Times Square, doch die Menschen sind zahlreich erschienen - auch wenn das Transportsystem in Big Apple nach dem Hurrikan Sandy immer noch nicht hundertprozentig funktioniert. Quelle: dpa
Dann kam kurz zur Mitternacht die Nachricht: Barack Obama ist wiedergewählt... Quelle: REUTERS

Ganz anders dagegen Obama, der reihenweise neue Plattformen ausprobierte. Bei Reddit beantwortete der Präsident Nutzerfragen, in seinem Tumblr-Blog teilten Unterstützer besondere Wahlkampf-Fotos, und in dem vor allem bei Frauen beliebten Bildernetzwerk Pinterest postete seine Frau Michelle Rezepte – Süßkartoffelsuppe oder gegrillte Pfirsiche auf Joghurt.

Das mag banal klingen, doch auch scheinbar belanglose Infohäppchen haben eine wichtige Funktion. „Es geht darum, die Basis zu motivieren und Gesprächsstoff zu liefern“, erklärt Geoffrey Skelley, Politikwissenschaftler an der University of Virginia. „Die Nutzer sollen so motiviert werden, im Freundeskreis über die Wahl zu sprechen – und ganz unverdächtig für Obama zu werben.“ Zudem präsentiert sich Obama modern und zeigt dabei ein gutes Gespür dafür, welche Angebote gerade massentauglich werden. „Obama ist ein Indikator dafür, wann Internet-Dienste ihre jeweilige Nische verlassen“, sagt der Internet-Experte Martin Weigert.

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