Internet-Wahlkampf Die Lektionen vom Daten-König Obama

US-Präsident Barack Obama verdankt seine Wiederwahl auch dem massiven Einsatz raffinierter Technologien. Was deutsche Politiker davon lernen können.

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Die einflussreichsten Politiker im Internet
Platz 10Der Dienstleister Klout misst den Einfluss von Personen in sozialen Netzwerken auf einer Skala von 1 bis 100. Fabio Reinhardt (Piraten) landet bei Position 69. Quelle: Trockennasenaffe
Platz 9Auch der Bundesumweltminister Peter Altmeier (CDU) liegt auf der Skala bei 69. Quelle: dpa
Platz 8Christopher Lauer (Piraten) hier mit Andreas Baum erhält 70 Punkte auf der Skala. Quelle: dpa
Platz 7Ebenfalls bei den Piraten ist der Musiker und Politiker Bruno Kramm. Auf der Klout-Skala landet er bei 71 Punkten. Quelle: Lilly_M
Platz 6Hubertus Heil, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, landet bei einem Wert von 73. Quelle: dpa
Platz 5Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, ist ebenfalls viel im Netz unterwegs. Er landet bei einem Wert von 74. Quelle: dapd
Platz 4In der SPD kräftig umstritten ist der Schleswig-Holsteiner Ralf Stegner. In den sozialen Netzwerken macht er seinen Einfluss auf jeden Fall geltend. Er liegt bei 76 Punkten. Quelle: AP

Kait Sweeny sitzt vor ihrem Computer. Auf dem Bildschirm sieht sie eine Satellitenansicht der USA. Sie zoomt sich einen Straßenzug heran, darin leuchten blaue und rote Punkte auf. Blau steht für Anhänger der Demokraten, Rot für die der Republikaner. Einen der Punkte identifiziert Sweeney als Jennifer Villar, und auch wenn die Obama-Wahlhelferin Jennifer noch nie in ihrem Leben gesehen hat, so weiß sie doch nach zwei Mausklicks ziemlich viel: ihr Alter (28), ihren Arbeitgeber (eine Nichtregierungsorganisation), wen sie wählt.

„Sie ist Demokratin“, sagt Sweeny, und ihre braunen Augen leuchten. Sie hat bei den vergangenen zwei Wahlen für die Obama-Partei gestimmt, wie auf der Voting List zu sehen ist. Sweeny will wissen, ob die Demokraten auch in diesem Jahr wieder mit Villars Stimme rechnen können. Praktisch, dass ihre Handynummer nur einen Klick entfernt ist.

VoteBuilder heißt die Software, fast 200 Millionen Namen stehen in der gigantischen Datenbank, in der alle verfügbaren Informationen über potenzielle Wähler gebündelt werden: Öffentlich zugängliche Daten wie Wahlregistrierungen werden mit den eigenen Registern der Partei kombiniert, E-Mail-Adressen mit Facebook-Profilen verknüpft, dazu Daten von externen Dienstleistern zugekauft. Der digitale Kampf um Wähler erreicht dabei eine neue, erschreckende Qualität. "Was wir 2008 gemacht haben, ist nach heutigen Standards prähistorisch", sagt Obamas Chefberater David Axelrod.

Die Geschichte von Facebook
April 2013Mark Zuckerberg stellt die neue Funktion Facebook Home vor. Die Software ist für Android verfügbar und legt sich wie ein Filter zwischen das Google-Betriebssystem und den Desktop. Mit der Installation wird der Facebook-Newsfeed zur ersten Benutzeroberfläche. Ein Angriff auf Google. Quelle: AP
Januar 2013Mark Zuckerberg stellt im Rahmen einer Pressekonferenz das neue Tool "Graph Search" vor. Damit steigt Facebook stärker in die Suche ein. Zuckerberg sieht das Produkt neben "Newsfeed“ (Aktivitäten von Freunden und Bekannten) und "Timeline“ (die eigenen Aktivitäten) als dritten großen Eckpfeiler seines Unternehmens. Mehr zum Thema Quelle: REUTERS
30. Januar 2012Facebook wächst weiter und auch die mobile Werbung nimmt Fahrt auf. Doch die Margen schrumpfen, unter dem Strich bleibt weniger übrig. Die Kosten steigen und es wird massiv investiert. Die Börse reagiert mit Verunsicherung. Das Umsatzwachstum im Weihnachtsquartal von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 1,58 Milliarden Dollar übertraf sogar die Analystenschätzungen von im Schnitt 1,53 Milliarden Dollar. Doch dem weltgrößten Social Network laufen die Kosten davon. Der Nettogewinn des Unternehmens aus dem kalifornischen Menlo Park fiel im Jahresvergleich um dramatische 79 Prozent auf nur noch 64 Millionen Dollar. Nachbörslich verlor die Aktie in der Spitze bis zu zehn Prozent, erholte sich später aber wieder leicht. Weitere Informationen. Quelle: REUTERS
24. September 2012: Schwarzer Börsen-TagDie Facebook-Aktie hat einen ihrer schwärzesten Tage seit dem Börsengang im Mai erlebt. Sie verlor bis zum Börsenschluss in New York mehr als 9 Prozent auf 20,79 Dollar. Grund für den Einbruch waren erneut hochgekochte Zweifel daran, dass das Soziale Netzwerk seine überlebenswichtigen Werbeeinnahmen wie erhofft steigern kann. Quelle: dpa
18. Mai 2012Facebook geht erstmalig an die Börse und muss schon wenige Tage später eine Schlappe einstecken. Die Aktie fiel auf 13,1 Prozent. Quelle: dapd
Mann sitzt vor einem Skype-Bildschirm
Facebook-Fanpage der Queen Quelle: rtr

Muster im Verhalten

Mastermind hinter dem Projekt mit dem Codenamen Traumfänger ist Rayid Ghani, ein Spezialist für Datamining. Er hat zuvor als Cheftechniker der Accenture Technology Labs – gleich gegenüber von Obamas Hauptquartier auf der anderen Seite des Chicago River – Muster im Verhalten von Konsumenten identifiziert. Ghani entwickelte unter anderem ein Modell, das den Endpreis einer Auktion bei Ebay mit einer Wahrscheinlichkeit von 96 Prozent prognostizieren kann.

Für Obama ermittelte Ghani, welche Wähler noch überzeugt werden mussten – und vor allem wie. Dazu wurde jeder, der sich für die Obama-Kampagne interessierte, gedrängt, sich mit seinem Facebook-Profil anzumelden. So bekamen die Strategen Zugriff auf deren "sozialen Graph": Informationen über Interessen, politische Äußerungen und Freunde. "Es wurden gezielt Leute gesucht, die Freunde in Swing States haben, und diese dann aufgefordert, für Obama zu werben", sagt Torsten Oltmanns, Berater bei Roland Berger.

Romney patzte beim digitalen Wahlkampf

Diese Netzwerke sind am bekanntesten
Das Netzwerk Facebook kennen 96 Prozent der Deutschen. Quelle: REUTERS
Das Video-Portal Youtube ist 87 Prozent der Deutschen ein Begriff. Quelle: dapd
Den Kurznachrichtendienst Twitter kennen immerhin 80 Prozent der Deutschen, gefolgt von Werkenntwen.de (72 Prozent) und Stayfriends (71 Prozent). Quelle: dpa
Einst waren die VZ-Netze deutlich bekannter als Facebook. Heute liegt das StudiVZ bei 69 Prozent, das SchülerVZ bei 68 Prozent und MeinVZ bei 58 Prozent. Quelle: dpa
MySpace ist 58 Prozent der Deutschen ein Begriff. Quelle: dpa
62 Prozent der Deutschen kennen laut Umfrage MyVideo. Quelle: dpa
Das Karriere-Netzwerk Xing kennen 56 Prozent der Deutschen. Damit liegt das Portal nur knapp hinter Lokalisten.de (55 Prozent). Quelle: dpa

"Letztes Mal hatten wir zwei Kampagnen", sagt Obamas Wahlkampfchef Jim Messina, "die digitale und die am Boden." Diesmal ging es darum, Online-Wahlkampf und traditionelle Methoden zu verknüpfen. So konnte er mithilfe der Datenbank gezielt entscheiden, an wessen Tür die Wahlhelfer noch klopfen müssen, und vor allem, mit welchen Themen sie Unentschlossene überzeugen können.

Hausbesuche machen Tausende von Helfern inzwischen mit Smartphone oder Tablet-PC. Mit der App "Obama for America" rufen sie vor Ort ab, welche Themen den jeweiligen Bürger interessieren und wie er bei früheren Anrufen oder Besuchen argumentiert hat. Im Anschluss werden Reaktionen und die siebenstufige Überzeugungs-Skala direkt aktualisiert.

Auch Spenden sammelte Obama extrem personalisiert. So erhielten der ehemalige Journalistik-Professor Dan Sinker und seine Frau gleichzeitig eine E-Mail: Gegen Spende könnten sie ein Dinner mit Obama gewinnen. Doch der Text unterschied sich deutlich. Sinker entdeckte insgesamt sechs verschiedene Versionen der Mail, manche Empfänger wurden um drei Dollar gebeten, der ehemalige Professor um 20 und seine Frau um 25 Dollar.

Natürlich hat auch das Romney-Lager den Wahlkampf ähnlich digitalisiert. Doch dabei patzte der Republikaner das eine oder andere Mal, wie beim Start seiner Smartphone-App. Beim Namen der Handysoftware war sogar Amerika falsch geschrieben, sie hieß: "A better Amercia".

Dagegen konnte der Amtsinhaber auf eine bessere digitale Infrastruktur zurückgreifen. "Obama hatte einen Informationsvorsprung", sagt Christoph Bieber, Politologe und Experte für Online-Wahlkampf an der Universität Duisburg-Essen. Der Präsident hatte eine größere Vorlaufzeit und konnte auf das Know-how und die riesigen Datenbestände von 2008 aufbauen.

Dieser Vorteil spiegelt sich auch in den sozialen Netzwerken wider. Während Obama noch am Wahltag 32 Millionen Facebook-Fans mehrfach aufforderte, zur Urne zu gehen, kam Romney nur auf zwölf Millionen. Bei Twitter ist die Diskrepanz noch eklatanter, hier beträgt das Verhältnis 21,8 zu 1,2 Millionen.

Wie wichtig der Kurznachrichtendienst Twitter war, zeigte sich in den TV-Debatten. In bis zu 160 000 Tweets pro Minute wurden die Duelle in Echtzeit kommentiert, Minuten später griffen Blogs die Äußerungen auf, und dann folgten auch Nachrichtenseiten, Zeitungen und Fernsehsender. Als "21-Minuten-Nachrichtenzyklus" bezeichnete die einflussreiche Internet-Seite "Politico" diese Entwicklung, bei der die etablierten Medien den neuen hinterherhecheln. "Wir werden später zurückschauen und erkennen, dass das die ersten Twitter-Wahlen waren", schrieb das US-Wirtschaftsmagazin "Businessweek".

Auch in Deutschland wird der Wahlkampf digitaler

Merkel lädt Präsident Barack Obama ein
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den wiedergewählten Präsidenten Barack Obama zu einem Deutschland-Besuch eingeladen: "Es wäre mir eine Freude, Sie bald wieder als meinen Gast in Deutschland begrüßen zu können." In einem offiziellem Brief schreibt die Bundeskanzlerin: "Wir haben in den vergangenen Jahren eng und freundschaftlich zusammengearbeitet". Sie blickt hoffnungsvoll auf die Weiterentwicklung der transatlantischen Beziehungen, "aber auch über die Bewältigung der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, über unser gemeinsames Engagement in Afghanistan oder das iranische Nuklearprogramm. Ich freue mich darauf, dies fortsetzen zu können, damit unsere beiden Länder auch weiterhin Seite an Seite die wichtigen außenpolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, vor denen wir als Freunde und Verbündete stehen, gemeinsam meistern können". Quelle: dpa
Bundespräsident Joachim Gauck wünscht Barack Obama "Glück, Erfolg und Gottes Segen". Der deutsche Staatschef erklärte in dem am Mittwoch veröffentlichten Glückwunschschreibe: "Wir sind gefordert, die globalen Herausforderungen und Bedrohungen für Freiheit, Frieden, Wohlstand und unsere Umwelt anzunehmen. Dazu wird Deutschland an der Seite der Vereinigten Staaten von Amerika auch weiterhin verlässlich seinen Beitrag leisten". Der Bundespräsident hebt die gemeinsamen Werte "der Freiheit, der Menschenrechte und der Demokratie" hervor. "Nie werde ich vergessen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika uns Deutschen unverbrüchlich zur Seite standen, wann immer es um die Freiheit und Einheit unseres Landes ging". Quelle: dpa
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) äußerte sich am Rande eines Besuchs bei den Vereinten Nationen als erstes deutsches Regierungsmitglied zu Obamas Wiederwahl. Westerwelle: „In der Außenpolitik ist mit keinen Brüchen zu rechnen. Wir haben mit der Obama-Regierung sehr gut zusammengearbeitet. Wir haben auch noch vieles gemeinsam vor.“Er appellierte am Mittwoch in New York an die USA, gemeinsam mit Russland nun die „Gunst der Stunde“ für weitere Abrüstungsschritte zu nutzen. Zugleich plädierte er für eine weitere Liberalisierung des Welthandels. „Das ist unsere wichtigste Erwartungshaltung an die USA, dass wir gemeinsam gegen Protektionismus arbeiten und mehr für Freihandel tun.“ Quelle: dpa
Der Präsident der EU-Kommission gratuliert per Twitter: "Warme Glückwünsche für Präsident Barack Obama. Ich freue mich auf eine Fortführung der Zusammenarbeit und ein noch stärkere Partnerschaft." Quelle: dpa
Starinvestor George Soros: "Die amerikanischen Wähler haben extremistische Positionen abgelehnt. Das öffnet die Tür für eine vernünftigere Politik. Die gewählten Republikaner werden in den kommenden Jahren hoffentlich bessere Partner sein - besonders notwendig ist das für die Vermeidung des sogenannten 'fiscal cliff'." Quelle: dpa
Frankreichs Präsident François Hollande hat die Wiederwahl von Barack Obama als „wichtigen Moment nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt“ bezeichnet. Die Wahl sei „eine klare Entscheidung für ein offenes, solidarisches, voll und ganz international engagiertes Amerika“, schrieb Hollande am Mittwoch nach Angaben des Élyséepalastes in Paris an Obama. Er setze auf eine Stärkung der Partnerschaft zwischen beiden Ländern. Gemeinsame Ziele seien mehr Wirtschaftswachstum, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Konfliktlösung vor allem im Nahen Osten. Quelle: dpa
Jerusalem: Der Vize-Außenminister Israels, Daniel Ayalon gratuliert per Twitter: "Präsident Obama wird ein ausgezeichneter Präsident für Israel sein". In den vergangenen Monaten hatte Mitt Romney Israel besucht. Quelle: dapd

In Deutschland ist es dagegen immer noch kurios, wenn SPD-Chef Sigmar Gabriel in diesem Jahr Twitter entdeckt oder mit Peter Altmaier gar ein twitternder Politiker zum Minister berufen wird. Deswegen flogen deutsche Politiker in Scharen über den Atlantik, um sich von den US-Wahlkämpfern einige Kniffe abzuschauen. "Wir werden im Bundestagswahlkampf stärker auf soziale Netzwerke und Internet-TV setzen", kündigt CDU-Bundesgeschäftsführer Klaus Schüler an. Auch Matthias Machnig, derzeit Wirtschaftsminister in Thüringen, war Ende Oktober eine knappe Woche in den USA.

Der SPD-Politiker hat die Schröder-Kampagnen organisiert und mit der legendären Kampa-Wahlkampfzentrale erstmals Methoden des US-Stimmenfangs auf Deutschland übertragen. Nun berät er auch Peer Steinbrück.

Wenig Berührungspunkte

Dennoch wird das Internet hierzulande auch im kommenden Bundestagswahlkampf längst nicht die Rolle spielen, wie in den USA. SPD-Kandidat Steinbrück hat bereits angekündigt, soziale Netzwerke weiterhin zu meiden, und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel wird wohl die Kommunikation via SMS den gleich langen öffentlichen Twitter-Kurznachrichten vorziehen.

"Die meisten Kandidaten haben wenig Berührungspunkte mit dem Internet oder sogar Berührungsängste", sagt Nico Lumma, einer der führenden Social-Media-Experten in Deutschland. Wer sein Publikum erreichen wolle, müsse akzeptieren, dass eine eigene Dynamik entsteht. "Doch dieses Loslassen ist in Deutschland extrem schwierig", sagt Lumma.

Impressionen zur Obama-Wiederwahl
Four more years: Präsident Barack Obama bedankt sich bei seinen Wähler. Es ist die erste Ansprache nach der Wiederwahl. Quelle: REUTERS
So sieht einer Siegerfamilie aus: Ehefrau Michelle, Töchter Malia und Sasha treten in Chicago mit dem neu gewählten US-Präsidenten Obama auf die Bühne. Quelle: REUTERS
Eine Unterstützerin weint während der neugewählte US-Präsident seine Ansprache hält. Quelle: dapd
Zuvor mussten seine Unterstützer noch zittern: Noch bevor die Nachricht der Wiederwahl von Barack Obama in der Welt war, warten seine Unterstützer in Chicago ge. Quelle: REUTERS
Auch in New York sind Menschen am Abend zusammengekommen: Ein Schwulenpaar auf dem Times Square in New York schaut gespannt auf die Bildschirme. Quelle: dapd
Es ist kalt auf dem Times Square, doch die Menschen sind zahlreich erschienen - auch wenn das Transportsystem in Big Apple nach dem Hurrikan Sandy immer noch nicht hundertprozentig funktioniert. Quelle: dpa
Dann kam kurz zur Mitternacht die Nachricht: Barack Obama ist wiedergewählt... Quelle: REUTERS

Ganz anders dagegen Obama, der reihenweise neue Plattformen ausprobierte. Bei Reddit beantwortete der Präsident Nutzerfragen, in seinem Tumblr-Blog teilten Unterstützer besondere Wahlkampf-Fotos, und in dem vor allem bei Frauen beliebten Bildernetzwerk Pinterest postete seine Frau Michelle Rezepte – Süßkartoffelsuppe oder gegrillte Pfirsiche auf Joghurt.

Das mag banal klingen, doch auch scheinbar belanglose Infohäppchen haben eine wichtige Funktion. „Es geht darum, die Basis zu motivieren und Gesprächsstoff zu liefern“, erklärt Geoffrey Skelley, Politikwissenschaftler an der University of Virginia. „Die Nutzer sollen so motiviert werden, im Freundeskreis über die Wahl zu sprechen – und ganz unverdächtig für Obama zu werben.“ Zudem präsentiert sich Obama modern und zeigt dabei ein gutes Gespür dafür, welche Angebote gerade massentauglich werden. „Obama ist ein Indikator dafür, wann Internet-Dienste ihre jeweilige Nische verlassen“, sagt der Internet-Experte Martin Weigert.

Obama war skrupelloser als Romney

Die Pannen bei den Wahlen
Es klingt wie in einem schlechten Film: Im Bundesstaat Pennsylvania leuchtete auf einem Wahlautomat konstant der Name Mitt Romneys auf. Auch dann, als der Wähler auf Obama gedrückt hatte. Ein Behördensprecher versicherte später, die "kleine Macke" sei behoben und der Apparat wieder in Dienst gestellt worden. Quelle: dapd
Wählen, auch wenn die Wahllokale schon geschlossen sind: In Miami-Dade County in Florida standen noch über vier Stunden nach der offiziellen Schließung der Wahllokale Bürger zur Stimmabgabe an, selbst als Präsident Barack Obama längst als Sieger feststand. Auch aus Virginia, South Carolina, Tennessee und anderen Staaten wurden lange Wartezeiten gemeldet. Doch Politiker und Prominente riefen den Bürgern Mut zu: Sie nutzten soziale Netzwerke dazu, die Wahlwilligen bei der Stange zu halten. "Bleibt in der Schlange", appellierte etwa die demokratische Politikerin Tammy Baldwin aus Wisconsin an ihre Wähler. "Wenn ihr bei Schließung eures Wahllokals angestanden habt, habt ihr immer noch das Recht auf Stimmabgabe", twitterte Filmregisseur Spike Lee. In den meisten Staaten dürfen Wartende auch nach der Schließung der Wahllokale noch wählen. Quelle: dapd
Ein weiteres Problem gab es in Pennsylvania nach Angaben der Behörden bei der Zulassung von Wählern. Ein Gesetz, das einen Lichtbildausweis zur Pflicht machte, um wählen zu können, wurde erst kurz vor der Wahl von einem Richter aufgehoben. In mehreren Wahllokalen sollen Helfer aber trotzdem Lichtbildausweise verlangt haben. Es war nicht klar, wie viele Wähler deshalb abgewiesen wurden. Auch in anderen Bundesstaaten wurde von ähnlichen Vorfällen berichtet. Eine Wahlrechtsgruppe bekam deswegen im Laufe des Tages bis zu 71.000 Anrufe, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet. Pennsylvania ist einer von neun US-Bundesstaaten, die Gesetze zur Identifizierung der Wähler verabschiedet hatten. In 17 Staaten müssen die Wähler irgendeine Art von Lichtbildausweis vorlegen. In den Vereinigten Staaten gibt es keinen Personalausweis (wie im Bild) im eigentlichen Sinne. Als Identifikation wird entweder der Führerschein oder die Sozialversicherungsnummer angegeben. Quelle: dpa
In Pinellas County im Bundesstaat Florida erhielten laut Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg mehr als 12.000 Wähler einen automatisierten Anruf vom zentralen Wahlbüro. Die Benachrichtigten hätten bis um sieben Uhr abends Zeit, noch wählen zu gehen. Und zwar bis Mittwoch, dabei dürfen die Wähler im Normalfall nur am Dienstag ihre Stimmen abgeben. Das Wahlbüro tätigte nochmal einen Anruf - und teilte den Wählern die richtigen Informationen mit. Auch in Washington ereilte ein automatisierter Anruf der demokratischen Partei einige Bürger, mit der Information, auch am Mittwoch wählen zu gehen. Die Partei korrigierte daraufhin die Informationen. Quelle: dpa
In New Jersey scheiterte die American Civil Liberties Union dabei, für Opfer des Hurrikan Sandys eine Verlängerung für die Stimmenabgabe zu erlangen. Ein Richter stoppte die Forderung der Organisation, wonach obdachlose Wähler bis zum 9. November Zeit gehabt hätten, um ihre Stimme gültig abzugeben. Quelle: Reuters
Der von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als Wahlbeobachter zur US-Wahl entsandte Bundestagsabgeordnete Jürgen Klimke äußerte sich gegenüber der Zeitung "Die Welt" kritisch über die Wahlabläufe. Klimke, der sich in den Staaten Virginia, Maryland und Washington D.C. ein Bild von den Wahlabläufen machte, beklagte, dass die OSZE-Vertreter in ihrer Arbeit eingeschränkt wurden. "Wir durften nicht so agieren wie bei Wahlbeobachtungen in anderen Ländern". Normalerweise bekomme er eine Liste von Wahllokalen und entscheide selbst, in welches er gehe. "Das ist hier nicht möglich", sagte der CDU-Politiker. Den Wahlbeobachtern seien die Wahllokale vorgegeben worden, die man besuchen dürfe. "Eine breite Überprüfung war damit gar nicht möglich", sagte Klimke. Die OSZE hat nach Angaben Klimkes 80 Wahlbeobachter zur US-Wahl entsandt. Quelle: REUTERS

Gerade ist Big Data, das Sammeln und Analysieren riesiger Datenmengen, nach Cloud Computing und Social Media der neueste Technikhype. Mithilfe der dabei gewonnenen Informationen präsentierten die Parteien maßgeschneiderte Anzeigen im Internet. Fast ein Drittel der Wähler schaue keine Fernsehsendungen mehr live, erklärt Zac Moffatt, Chef von Romneys Digitalkampagne. Sie zeichnen Sendungen höchstens auf oder gucken Filme gleich online. Da traditionelle TV-Spots diese Menschen nicht erreichen, setzten die Wahlkämpfer auf Internet-Werbung. 160 Millionen Dollar wurden nach Schätzungen dafür ausgegeben, vor vier Jahren waren es nur 20 Millionen Dollar.

Die Cookies des Präsidenten

Von dem Erfolgsrezept wollen auch deutsche Parteien profitieren. „Gezielte Online-Werbung wird auch für uns ein großes Thema“, sagt der Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek. Der CDU-Politiker hat schon vor vier Jahren als einer der ersten deutschen Politiker Werbung bei Facebook geschaltet. Zur Bundestagswahl will Jarzombek das noch intensivieren. „Wir müssen die Werbung besser darauf zuschneiden, wo die Leute wohnen und was da die Themen sind“, sagt der Politiker. Auch er will sich dazu in den USA informieren, allerdings erst jetzt – nach der Wahl.

„Man wird darüber noch einiges mehr erfahren, als bisher nach außen gedrungen ist“, vermutet Malte Spitz, Netzpolitiker der Grünen, der den Wahlkampf ebenfalls genau beobachtet hat. Er betrachtet Obamas Kampagne allerdings nicht als Vorbild. „Als Datenschützer stehe ich solchen Praktiken mehr als skeptisch gegenüber.“

Die Skurrilitäten der US-Präsidenten
Die 44 Präsidenten, die die USA bislang sahen, bilden ein buntes Bild: Emsige und Faulpelze, Asketen und Schwelger, Langeweiler und Trunkenbolde. Quelle: AP
Einer der großen Präsidenten der amerikanischen Geschichte war William Howard Taft (1909 bis 1913) sicher nicht. Aber der schwerste. Mit gut 150 Kilo schaffte er etwas, was keinem anderem Präsidenten gelang: Er steckte in der Badewanne des Weißen Hauses fest. Die Mitarbeiter mussten ihn mit Butter einschmieren und befreien. Quelle: dpa
Zu den Stilleren gehört zweifelsohne Calvin Coolidge (auf dem Bild mittig mit Ball und Hut). Er galt als guter Redner - aber miserabler Smalltalker. Bei einem Essen saß die Schriftstellerin Dorothy Parker neben „Silent Cal“ und sagte, sie habe gewettet, mehr als zwei Worte aus ihm herauszubekommen. Coolidge guckte sie an, sagte nur „Wette verloren“ - und schwieg den Rest des Abends. Parker rächte sich 1933. Als sie vom Tod Coolidges erfuhr, sagte sie trocken: „Woran habt Ihr gemerkt, dass er tot ist?“ Quelle: dapd
Wenige Wochen später wurde Franklin D. Roosevelt Präsident der USA (hier auf einer Bank mit Winston Churchill (links) und Josef Stalin (rechts). Er war reich, brauchte aber die Reichen als Wahlkampfspender. Als einer im Gegenzug Botschafter in London werden wollte, sagte Roosevelt, er solle die Hosen runterlassen. Der verblüffte Millionär tat es, weil er den Posten unbedingt wollte. Roosevelt sagte, er habe nur die Beine prüfen wollen, schließlich müsse der Botschafter vor dem König Kniebundhosen tragen „und Du bist der krummbeinigste Mann, den ich je sah, Joe“. Der Mann bekam den Job, aber es war eine gezielte Demütigung gegen einen Emporkömmling, den Roosevelt hasste: Joseph Kennedy, Vater des späteren Präsidenten John F. Kennedy. Quelle: dpa
Roosevelt war auch der Präsident mit der längsten Amtszeit: Vier Wahlperioden, auch wenn er zu Beginn der vierten starb. Die kürzeste hatte William Henry Harrison (auf dem Bild als Wachsfigur rechts). Er war 1841 mit 68 Jahren der älteste Präsident, den die USA in ihren ersten 200 Jahren hatten. Erst Ronald Reagan war 1981 ein Jahr älter. Um seine Robustheit zu beweisen, hielt Harrison seine gut zweistündige Rede zur Amtseinführung ohne Hut und Mantel. Eine schlechte Idee: Der geschwächte Senior holte sich später eine Lungenentzündung und starb - nach gerade einmal 30 Tagen im Amt. Quelle: WirtschaftsWoche
Bei James Buchanan (1857-1861) weiß man hingegen, was zu seinem Tod zumindest beitrug: Buchanan nutzte seine sonntäglichen Ausritte, um sich volllaufen zu lassen. Auch sein Vorgänger trank. Dieser Franklin Pierce (1853-1857) hatte jedoch auch Schicksalsschläge hinnehmen müssen: Alle seine drei Söhne starben noch als Kinder. „Es gibt nichts mehr zu tun, als betrunken zu werden“, sagte er resignierend. Für spätere Präsidenten war Alkohol im Weißen Haus hingegen tabu, selbst bei Staatsempfängen. Eine der eifrigsten Verfechterinnen war Präsidentengatin Lucy Webb Hayes - in die Geschichtsbücher eingegangen als „Lemonade Lucy“. Quelle: dpa/dpaweb
Einem Nachfolger wurde neun Jahre später hingegen Wärme zum Verhängnis. Zachary Taylor nahm am 4. Juli 1850 in brütender Hitze die Parade zum Nationalfeiertag ab. Nach der stundenlangen Zeremonie kippte der Ex-General Eiswasser in sich hinein und aß unreifes Obst. Seine Verdauung rebellierte und fünf Tage später war Taylor tot. Bis heute halten sich Gerüchte, der Präsident sei mit Gift gemeuchelt worden. Eine Exhumierung 1991 brachte aber keine Hinweise. Quelle: REUTERS

Selbst in den USA könnten die Werbemethoden des Präsidenten noch für Diskussionen sorgen. Schließlich waren es vor allem Demokraten, die im US-Senat einen besseren Schutz der Privatsphäre von Internet-Nutzern forderten. Debattiert wurde dabei insbesondere die Do-not-track-Initiative: Unternehmen wie Microsoft ermöglichen ihren Nutzern dabei, die Überwachung des Surfverhaltens einfacher abzuschalten. Es sind vor allem die Cookies, kleine Programme auf dem Rechner, die jede aufgerufene Internet-Seite speichern und an die Werbevermarkter weitergeben.

Doch wenn es um den eigenen politischen Erfolg geht, ist Datenschutz für Obama ein Fremdwort.

Beim Einsatz der Spähprogramme war der Präsident viel skrupelloser als die vermeintlich so rabiate Ex-Heuschrecke Romney: Gleich 87 solcher Cookies platzierte sein Team auf den Rechnern von Besuchern der Seite von BarackObama.com. Wahlverlierer Romney begnügte sich mit gut der Hälfte, und selbst viele Unternehmen sind bei der Nutzerverfolgung deutlich zurückhaltender.

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