Kait Sweeny sitzt vor ihrem Computer. Auf dem Bildschirm sieht sie eine Satellitenansicht der USA. Sie zoomt sich einen Straßenzug heran, darin leuchten blaue und rote Punkte auf. Blau steht für Anhänger der Demokraten, Rot für die der Republikaner. Einen der Punkte identifiziert Sweeney als Jennifer Villar, und auch wenn die Obama-Wahlhelferin Jennifer noch nie in ihrem Leben gesehen hat, so weiß sie doch nach zwei Mausklicks ziemlich viel: ihr Alter (28), ihren Arbeitgeber (eine Nichtregierungsorganisation), wen sie wählt.
„Sie ist Demokratin“, sagt Sweeny, und ihre braunen Augen leuchten. Sie hat bei den vergangenen zwei Wahlen für die Obama-Partei gestimmt, wie auf der Voting List zu sehen ist. Sweeny will wissen, ob die Demokraten auch in diesem Jahr wieder mit Villars Stimme rechnen können. Praktisch, dass ihre Handynummer nur einen Klick entfernt ist.
VoteBuilder heißt die Software, fast 200 Millionen Namen stehen in der gigantischen Datenbank, in der alle verfügbaren Informationen über potenzielle Wähler gebündelt werden: Öffentlich zugängliche Daten wie Wahlregistrierungen werden mit den eigenen Registern der Partei kombiniert, E-Mail-Adressen mit Facebook-Profilen verknüpft, dazu Daten von externen Dienstleistern zugekauft. Der digitale Kampf um Wähler erreicht dabei eine neue, erschreckende Qualität. "Was wir 2008 gemacht haben, ist nach heutigen Standards prähistorisch", sagt Obamas Chefberater David Axelrod.
Muster im Verhalten
Mastermind hinter dem Projekt mit dem Codenamen Traumfänger ist Rayid Ghani, ein Spezialist für Datamining. Er hat zuvor als Cheftechniker der Accenture Technology Labs – gleich gegenüber von Obamas Hauptquartier auf der anderen Seite des Chicago River – Muster im Verhalten von Konsumenten identifiziert. Ghani entwickelte unter anderem ein Modell, das den Endpreis einer Auktion bei Ebay mit einer Wahrscheinlichkeit von 96 Prozent prognostizieren kann.
Für Obama ermittelte Ghani, welche Wähler noch überzeugt werden mussten – und vor allem wie. Dazu wurde jeder, der sich für die Obama-Kampagne interessierte, gedrängt, sich mit seinem Facebook-Profil anzumelden. So bekamen die Strategen Zugriff auf deren "sozialen Graph": Informationen über Interessen, politische Äußerungen und Freunde. "Es wurden gezielt Leute gesucht, die Freunde in Swing States haben, und diese dann aufgefordert, für Obama zu werben", sagt Torsten Oltmanns, Berater bei Roland Berger.