IT-Branche Kampf um das Milliardengeschäft mit der Cloud

Cloud Computing wird vom Trendthema zum Massenmarkt und der Kampf um den Milliardenmarkt wird härter. Mit Klagen und Übernahmeschlachten streiten IT-Riesen wie Microsoft, Google oder IBM um das Milliardengeschäft.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Microsoft-Chef Ballmer und Quelle: dapd

Ray Ozzies Mail vom 28. Oktober 2005 ist inzwischen legendär. Darin analysierte der Microsoft-Vordenker, dass sich die Computerbranche dramatisch wandle und internetbasierte Dienste immer stärker an Bedeutung gewinnen. Ozzie warnte: Wenn Microsoft sich nicht darauf einstellt, ist „unser Geschäft, so wie wir es kennen, in Gefahr".

Vor kurzem kündigte Microsofts Chef-Software-Architekt aber überraschend seinen Rückzug an. Es wurde in der Branche heftig spekuliert, ob Ozzie der Wandel bei Microsoft nicht schnell genug ging oder ob er seine Mission als erfüllt ansah.

Welchem dieser Erklärungsansätze man auch folgt, klar ist, dass Ozzies Vision nun zum Alltag wird. Kaum ein Thema beschäftigt IT-Konzerne derzeit so, wie das sogenannte Cloud Computing. Damit wird die Auslagerung von Programmen und Daten bezeichnet.

Wie SAP, Amazon und Microsoft am Cloud Computing verdienen

Anstatt mit hohem Aufwand eigene Hardware und Software zu unterhalten, können Firmen so die benötigten Dienstleistung über das Internet mieten - etwa Datenbanken oder Software. Die Vorteile: eine flexiblere Anpassung an den Bedarf und niedrigere Kosten.

Er kenne Unternehmen, die durch Cloud Computing die IT-Kosten um die Hälfte senken  konnten, sagte der Vizepräsident des Marktforschers Gartner Ken McGee. Der Marktforscher setzte Cloud Computing nun schon zum zweiten Mal auf Platz eins seiner jährlichen Liste der zehn wichtigsten IT-Technologien.

Gartner prognostiziert für das Geschäft mit Anwendungen und Diensten aus der Wolke für 2014 weltweit einen Umsatz von 149 Milliarden Dollar – im vorigen Jahr waren es noch 59 Milliarden Dollar.

In Deutschland könnte das Wachstum sogar nach stärker ausfallen: Die hiesigen Umsätze sollen von knapp 400 Millionen Euro in 2010 auf rund zwei Milliarden Euro im Jahr 2014 steigen, prognostiziert der Marktforscher IDC. Das wäre ein jährlichen Plus von 42 Prozent.

SAPs schwere Geburt

Daran kräftig mitverdienen möchte auch der wichtigste deutsche Softwarekonzern SAP. Zwischen ein- und anderthalb Milliarden hat der Konzern dafür in ein neues Produkt gesteckt, das vielleicht anspruchsvollste Projekt der Firmengeschichte. Acht Jahre hat es gedauert, mehrfach stand die Entwicklung fast vor dem Aus und der geplante Starttermin wurde am Ende um zwei Jahre verschoben.

Seit dem Sommer bieten die Walldorfer aber nun ihr Produkt Business By Design an – ein  internetbasiertes Komplettpaket zur Steuerung von Unternehmensprozessen, wie Rechnungswesen, Personalverwaltung oder Finanzbuchhaltung.

Buchpakete von Amazon: Der Quelle: dpa

Ein Unternehmen, dass ebenfalls um die IT-Budgets mit streitet ist Amazon. Unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit hat sich das Online-Kaufhaus zu einer kleinen Cloud-Computing-Macht gemausert. Denn das Unternehmen von Jeff Bezos betreibt für seine Internetplattform große Rechenzentren und beschloss kurzerhand einen Teil der dort nicht genutzten Kapazitäten zu vermieten.

Inzwischen erzielt der Internet-Händlers damit laut einer Studie der Investmentbank UBS Einnahmen von rund 500 Millionen Dollar pro Jahr, bis 2014 soll es auf 2,5 Milliarden Dollar anwachsen.

Das entspricht zwar nur einem Zehntel des heutigen Gesamtumsatzes von rund 25 Milliarden Dollar, doch es ist ein besonders profitabler Teil. Laut UBS-Schätzung liegt die Bruttomarge des Online-Geschäfts bei beeindruckenden 50 Prozent – in seinem Stammgeschäft kommt Amazon nur auf 22 bis 23 Prozent.

"Dampf hinter dem Cloud Computing"

Vom Wachtsumsmarkt Cloud Computing will auch Microsoft etwas abhaben. Im vergangenen Quartal erzielte die Sparte mit Cloud-Dienstleistungen bei dem Unternehmen aus Redmond schon 1,6 Milliarden Dollar Gewinn. „Der Dampf hinter dem Cloud Computing wird sich nicht ändern“, sagt Microsoft-Manager Said Zahedani. „Und wenn der Markt erst richtig in Schwung kommt, dann wird es einen großen Schneeballeffekt geben.“

Inzwischen arbeiteten daher 80 Prozent der Entwickler bei Microsoft für die Cloud. Das Unternehmen will zudem seine Entwickler-Plattform Azure weiter ausbauen. Mithilfe von Azure können Unternehmen eigene internetbasierte Anwendungen entwickeln und diese im Microsoft-eigenen Rechenzentrum gegen Gebühr betreiben.

Seit dem offiziellen Start im Frühjahr habe Microsoft nach eigenen Angaben fast 20 000 Kunden gewonnen, die auf der neuen Plattform ihre Anwendungen entwickeln. Damit hat das Unternehmen die Kundenzahl seit der Testphase verdoppelt.

Zu den neuen Kunden zählen auch illustre Namen wie die Pixar Animation Studios, die Ende der 70er Jahre unter anderen von Apple-Chef Steve Jobs gegründet worden waren. Für die aufwendigen Rechenarbeiten etwa für das Rendering von Animationsfilmen wie Findet Nemo, Ratatouille oder Toy Story wollen die Studios künftig flexibel und je nach Bedarf auf Computer-Leistung und Infrastruktur aus der Microsoft-„Wolke“ zurückgreifen. Damit könne Pixar darauf verzichten, permanent kostenintensive IT-Infrastruktur selber vorzuhalten.

Office-Pakete im Netz

Doch auch im Kerngeschäft ist Microsoft umgeschwenkt: Anfang des Monats präsentierte das Unternehmen seine Office-Suite unter dem Namen „Office 365“ als Abo-Anwendung auch für den deutschen Markt. Damit lassen sich Programme wie Word, Excel oder Powerpoint in abgespeckter Form von jedem beliebigen Rechner aus im Browser nutzen.

Microsoft reagiert damit auch auf die Attacke von Google: Der suchmaschinenriese bietet mit Google Apps (für Privatanwender Google Docs genannt) eine günstige (beziehungsweise kostenlose) Office-Alternative an.

Auch IBM hat mit Lotus Symphony 3 eine kostenlose, Cloud-basierte Office-Alternative vorgestellt.

Rechenzentrum Quelle: obs

Der Wettbewerb um die Kunden wird härter, wie der jüngste Streit zwischen Google und Microsoft zeigt.

Google hat vor einem Bundesgericht Klage gegen das US-Innenministerium eingereicht. Hintergrund ist die Ausschreibung für ein internetbasiertes E-Mail-System, bei dem sich Google gegenüber Microsoft benachteiligt fühlt. „Ein fairer und offener Prozess könnte den amerikanischen Steuerzahler eine zweistellige Millionensumme ersparen und das Ergebnis sei ein besserer Dienst“, teilte Google mit. 

Der strittige Auftrag hat einen Wert von 59 Millionen Dollar für fünf Jahre. Das ist nicht sonderlich fiel, doch es geht darum Claims abzustecken und sich als gleichwertiger Wettbewerber zu präsentieren.

„Wenn das Cloud-Computing in drei bis vier Jahren in großen wie in kleinen Unternehmen selbstverständlich geworden ist, wollen wir - gemessen an Umsatz und Nutzern - die Nummer eins in diesem Markt sein", tönte der Chef der Unternehmenssoftwaresparte, Dave Girouard, kürzlich in der FTD. Nach Angaben von Google nutzen derzeit rund drei Millionen Unternehmen und öffentliche Einrichtungen seine Dienstleistungen über das Internet.

IBM & Co. auf Einkaufstour

Um ihre Positionen zu stärken tobt zudem ein Übernahmekampf in der Branche. Der weltweit zweitgrößte PC-Hersteller Dell kündigte Anfang des Monats an, den Cloud-Computing-Spezialisten Boomi zu kaufen. Zu deren Dienstleistungen gehört es, verschiedene Computerprogramme aufeinander abzustimmen sowie den Datentransfer zwischen ihnen zu erleichtern.

Erst kürzlich hatte Dell in einem milliardenschweren Übernahmepoker den Kürzeren gezogen. Der größere Rivale Hewlett-Packard hatte für 2,4 Milliarden Dollar ein Wettbieten um den Datenspeicher-Spezialisten 3PAR für sich entschieden. 1,5 Milliarden Dollar gab HP für Arcsight aus, einen Experten zum Schutz von Netzwerken. 

Der Chipriese Intel verleibte sich Ende August den Antivirenspezialisten McAfee für 7,7 Milliarden Dollar ein, um Sicherheitslösungen schon auf Chipebene zu integrieren. 

Anbieter von Sicherheitslösungen stehen bei der Suche nach Übernahmezielen derzeit besonders im Fokus. Fast alle Cloud Computing-Anbieter (96 Prozent) sehen die Sicherheit ihrer Angebote als den entscheidenden Faktor für die Zufriedenheit ihrer Kunden an, ergab eine aktuellen Umfrage im Auftrag der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC.

Auch bei den potenziellen Kunden sind Sicherheitsbedenken oft noch die entscheidende Hürde bei der Entscheidung für Cloud Computing Lösungen. „Der Erfolg hängt letztlich davon ab, inwieweit die Anbieter von Cloud-Diensten die Bedenken der Nutzer ausräumen können", erklärt Markus Vehlow, PwC-Experte für Cloud Computing.

Auch IBM ist auf Einkaufstour, ein Schwerpunkte ist dabei das Cloud Computing. Derzeit soll sich der US-Technologiekonzern für Fortinet interessieren, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg. Der Kurs des Spezialisten für Netzwerksicherheit stieg daraufhin um 15 Prozent, Fortinet ist an der Börse fast 2,5 Milliarden Dollar wert.

Im laufenden Jahr übernahm IBM bereits elf kleine und mittelgroße Softwarefirmen, darunter den Cloud-Anbieter Iron Cast Systems. Die letzte große Akquisition von IBM war der Datenbankspezialist Netezza, den das Unternehmen Ende September für 1,7 Milliarden  Dollar kaufte.

Doch das ist erst der Anfang: Bis 2015 will der Konzern rund 20 Milliarden Dollar für weitere Übernahmen ausgeben.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%