Jeff Bezos Die irren Ideen des Amazon-Gurus

Gründer und CEO Jeff Bezos sieht seinen Internet-Giganten Amazon längst als einen gigantischen Lotteriegewinn. Der Multimilliardär kann so seine exotischen und utopischen High-Tech-Projekte finanzieren.

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Visionär oder Spinner? Bezos will den Weltraum erobern - und sich damit einen Kindheitstraum erfüllen. Quelle: dpa

Mal eben 126 Millionen Dollar Verlust im gerade vergangenen Quartal – was soll’s? Im laufenden Quartal könnte das Minus sogar auf bis zu 810 Millionen Dollar wachsen. Die Amazon-Aktie stürzt um fast zehn Prozent ab – wen kümmert es außer ein paar kurzsichtigen Aktionären? Schlechte Arbeitsbedingungen in den Warenlagern, vom hessischen Bad Herzfeld bis nach Breinigsville im US-Bundesstaat Pennsylvania – lästige Kleinigkeiten.

Jeff Bezos, Gründer und CEO des größten Online-Händlers der Welt, scheint all das nicht zu interessieren. Die Mühe, schlechte Zahlen und Nachrichten zu erklären, macht er sich jedenfalls schon lange nicht mehr.

Seine nicht gerade wenigen Kritiker halten den drahtigen 50-Jährigen längst für einen skrupellosen Hasardeur, der seine mittlerweile 20 Jahre alte Kreation Amazon um jeden Preis immer größer machen will – ohne Rücksicht auf Aktienkurs und Rendite. Der selbst langjährige Partner wie derzeit den französischen Großverlag Hachette oder die deutschen Verlage Ullstein und Carlson der Bonnier-Gruppe rücksichtslos an die Wand spielt. Für seine Feinde ist er ein Ausbeuter, den der Internationale Gewerkschaftsbund gerade zum schlimmsten Chef der Welt gekürt hat, weil er seine Lagerarbeiter „wie Roboter behandle“.

Amazon-Gründer Jeff Bezos hat sich an einem Sammelsurium von Unternehmen beteiligt

Wer ist dieser Mann? Was treibt ihn an? Ist der wahre Bezos womöglich ein verkannter Wohltäter, ein Segen für die Allgemeinheit? Schließlich will er das Weltall besiedeln und damit die Menschheit retten, zumindest zwei bis drei Millionen Vertreter des Homo sapiens.

Sind Amazon sowie Bezos’ umfangreiche Beteiligungen an hoch bewerteten Internet-Unternehmen wie der Bettenbörse Airbnb, dem Kurznachrichtendienst Twitter und der Taxi-App Uber nur simple Geldmaschinen, um diesen visionären Plan zu finanzieren? Ist kleinkarierte Kritik deshalb völlig unangebracht?

Die simple Antwort für Bezos: ja. „Seine Internet-Aktivitäten sind Mittel für noch ambitioniertere Ziele“, meint der Trendforscher Mark Anderson aus Seattle, der Bezos’ Imperium genau studiert hat.

Reisen ins All und künstliche Intelligenz

Der Online-Pionier hat sich im Laufe der Jahre an einem bunten Sammelsurium von Firmen beteiligt (siehe Kurztextgalerie), für das kein Problem der Menschheit zu groß ist: Mit Juno Therapeutics will er den Krebs besiegen, mit Vicarious künstliche Intelligenz schaffen und mit General Fusion per Kernfusion die Energieprobleme der Welt lösen. Und da ist Bezos’ Liebling Blue Origin, mit dem er seinen Jugendtraum – günstige Reisen ins All – verwirklichen will.

Aus seinen Absichten hat er nie einen Hehl gemacht. Zumindest das können ihm seine Kritiker nicht vorhalten. 1997 postulierte der damals 33-Jährige in seinem ersten Schreiben an die Amazon-Aktionäre seine Prinzipien. „Alles ist langfristig ausgerichtet“, erklärte er. „Weil wir uns darauf fokussieren, mögen wir anders entscheiden und Konflikte anders angehen als einige andere Unternehmen.“

Auch seine Vision vom Besiedeln des Weltraums hat er nie verheimlicht. 1982 gab der künftige Mogul als Jahrgangsbester seiner Highschool dem „Miami Herald“ ein Interview. Und erklärte darin selbstsicher, dass er im All Hotels, Vergnügungsparks und Kolonien für zwei bis drei Millionen Menschen errichten wolle. Hirngespinste eines glühenden Star-Trek-Fans?

Bezos war damals 18 Jahre alt und wirkte schon als Zwölfjähriger erwachsen. Geboren ist er in Albuquerque, New Mexico. Zwei Vorbilder prägten seine Jugend: sein Stiefvater Miguel Bezos, der im Alter von 16 Jahren aus Kuba flüchtete, zum Ingenieur im Erdölkonzern Exxon aufstieg und seinem Sohn einschärfte, wie bedeutend Freiheit für das persönliche Schicksal ist. Und sein Großvater Preston Gise.

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