Jeff Bezos Die irren Ideen des Amazon-Gurus

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Knapp dem Tod entgangen

Der Vater von Bezos’ Mutter Jacklyn leitete das Regionalbüro der US-Atomenergiekommission. Jeff verbrachte stets seine Sommerferien mit ihm auf der Familienranch im texanischen Cotulla, wo ihm sein Großvater beibrachte, Zäune und Traktoren zu reparieren. Und er fuhr ihn zur örtlichen Bücherei, die über eine reiche Auswahl an Science-Fiction-Literatur verfügte, in die sich Bezos vertiefte und von Ausflügen ins All träumte.

Der hochintelligente Bezos studierte später Informatik in Princeton und entdeckte Anfang der Neunzigerjahre, damals Analyst bei einem New Yorker Hedgefonds, die Wachstumschancen des Internets – und sein ganz persönliches Lotterielos, um seine Träume umzusetzen. Was folgte, ist heute amerikanische Wirtschaftsfolklore.

von Stephan Happel, Henryk Hielscher, Matthias Hohensee

Der frischvermählte Informatiker kündigte seinen Job und zog mit seiner Frau McKenzie gen Westen, im Gepäck den halb fertigen Geschäftsplan für einen Online-Händler. In Seattle, am anderen Ende der USA, gründete er vor 20 Jahren in einer Garage Amazon, startete mit dem Verkauf von Büchern, die er höchstpersönlich in seinem Privatwagen zum Versand bei UPS ablieferte.

Vom Start weg offerierte er eine 30-tägige Umtauschfrist, obwohl seine Mitarbeiter das für verrückt hielten. Doch die Retouren hielten sich, wie von Bezos erwartet, in Grenzen. Fünf Jahre später, 1999 setzte sein Start-up eine Milliarde Dollar um. Im nächsten Jahr werden es voraussichtlich 100 Milliarden Dollar sein.

Aktien-Info Amazon. (zum Vergrößern bitte anklicken)

„Ich habe die Lotterie gewonnen“, witzelt Bezos gern, gefolgt von stoßartigen Lachern, für die er berüchtigt ist und die seine Zuhörer irritieren. Das große Los, das ihm erlaubt, seine Ideen und Visionen zu verwirklichen – auf der Erde und im All.

Im Januar ist Bezos 50 geworden. Das Alter hat seine Ambitionen nicht gedämpft. Rückschläge kalkuliert er ein. Noch immer führt er Amazon mit strenger Disziplin, gewürzt mit gelegentlichen Wutausbrüchen.

Hubschrauber-Absturz

2001 – kurz nach dem Platzen der Dotcom-Blase – verhinderte er den Beinahe-Bankrott seines damals noch jungen Imperiums nur knapp. 2003 überlebte er einen Hubschrauber-Absturz in Texas. Bei dem Unfall habe er gedacht, „was für eine dumme Art zu sterben“, erzählte Bezos später. Mit dieser Lebenserfahrung, vier Kindern, einem verschworenen Familienclan und einem Vermögen von gut 30 Milliarden Dollar kann ihm herzlich egal sein, was seine Kritiker von ihm halten.

Vita: Jeff Bezos

Gradatim Ferociter – Schritt für Schritt, aber beharrlich. Dieser lateinische Spruch könnte das Lebensmotto von Bezos sein. Kein Wunder, dass es das Wappen von Blue Origin, seinem ambitioniertesten Vorhaben, ziert. Lange war die 2000 gegründete Firma ultrageheim, deren Hauptsitz sich gegenüber vom internationalen Flughafen Seattles befindet. Das Gebäude ist gespickt mit Requisiten der Star-Trek-Filme.

Hier verwirklicht er seinen Kindheitstraum: Das Start-up und seine angeblich 400 Mitarbeiter – so viel ist bisher bekannt – entwickeln eine Raumfähre, die Astronauten und Weltraumtouristen ins All befördern.

Sein Finanzier lüftete erst etwas den Schleier des Geheimnisses, nachdem Elon Musk mit SpaceX ins Weltraumgeschäft einstieg. Der ist ebenfalls Internet-Milliardär, der Bezahldienst PayPal hat ihn reich gemacht, und nebenbei noch Gründer des Elektroauto-Pioniers Tesla Motors.

Musk verfolgt einen ähnlichen Kindheitstraum wie Bezos, nur konkreter. „Ich will dabei helfen, den Mars zu besiedeln“, sagt er.

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