Klickbetrug Betrüger entdecken Online-Werbung als neue Spielwiese

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Doch das System hat eine gravierende Schwachstelle: „PPC ermöglicht auch Betrug“, sagt Harald Fortmann, Vizepräsident des BVDW und Spezialist für Suchmaschinen-Marketing. „So haben Klickbetrüger etwa die Möglichkeit, Kampagnen von Konkurrenten zu torpedieren oder gleich einen Teil der Werbegelder auf die eigenen Konten abzweigen.“ Vor allem Ersteres ist extrem einfach, wie Fortmann, zugleich Deutschlandchef des Online-Marketingdienstleisters Advertising.com, erläutert. „Ein Kunde wunderte sich, warum seine Anzeigen kaum auf den Suchseiten erschienen, das Budget für die Kampagne aber binnen weniger Tage verbraucht war.“ Mittels einer speziellen Software zur Kontrolle von Herkunft und Qualität der Werbeklicks entdeckte Fortmann, dass ein Konkurrent die Anzeige so oft aufgerufen hatte, bis das Kostenlimit für den Tag erreicht war und die Suchmaschine die Reklame bis zum Folgetag nicht mehr einblendete. „Wir haben eine Abmahnung geschickt, dann war der Spuk vorbei.“ Die zweite Spielart des Klickbetrugs funktioniert komplizierter. Hier nutzen die Gauner sogenannte Werbepartnerprogramme wie etwa Googles Adsense-Dienst oder das von Yahoo in den USA betriebene Yahoo Publisher Network. Dabei platzieren die Suchmaschinen die Anzeigen auch auf Web-Seiten von Partnern, die zum Inhalt der Werbung passen. Auf diese Weise wird eine noch größere Öffentlichkeit erreicht. Auf den ersten Blick profitieren alle Beteiligten: Der Werber erhöht seine Reichweite deutlich, die Suchmaschine ihren Umsatz. Und der Betreiber der Partnerseite bekommt einen Teil der Suchmaschinenprovision gutgeschrieben, wenn seine Besucher auf die Anzeige klicken. Doch die anscheinende perfekte Win-Win-Situation ist zugleich ein virtueller Selbstbedienungsladen für Online-Betrüger. Sie melden sich im Partnernetz der Suchmaschinen mit einer thematisch passenden Web-Seite an, lotsen so die Anzeigen auf ihre Homepage und klicken sie an. Schon fließt ein Teil der Umsätze in ihre Kassen. Um das Geschäft zu beleben, haben sich Betrügernetzwerke organisiert, die gegenseitig Anzeigen aufrufen. Bei der Analyse der Werbeabrufe eines Versichungsberaters in den USA stießen die Analysten von Click Forensics auf eine Vielzahl von Besuchern aus Bulgarien, Tschechien, Ägypten und der Ukraine. Im Durchschnitt blieb keiner länger als sechs Sekunden auf der Seite. Längst geschieht der Betrug nicht mehr nur in Handarbeit. „Inzwischen haben findige Programmierer Software entwickelt, die das automatisch erledigt“, sagt Branchenexperte Fortmann. „Die sogenannten Click-Bots ahmen sogar menschliches Surfverhalten nach.“ Dennoch geben sich die Internetwerber nach außen betont gelassen. „Gemessen an der Masse aller Anzeigen und der Vielzahl der Werbeklicks ist die Zahl betrügerischer Abrufe marginal“, heißt es bei Google in Deutschland. Und auch in der Münchner Dependance von Yahoo spricht man von Klickbetrug „allenfalls im Promillebereich“. Beide Anbieter verweisen zudem darauf, dass es den Werbepartnern ausdrücklich verboten sei, selbst auf die bei ihnen platzierten Anzeigen zu klicken. Google-Chef Schmidt versichert, „Leute, die gegen die Regeln verstoßen, umgehend aus unseren Systemen auszuschließen“. Zudem betreiben die Suchdienste mehrstufige Filtersysteme, um Betrügern auf die Spur zu kommen. Stammen etwa wiederholte Klicks auf eine Anzeige von ein und derselben Internetadresse, zählt nur der erste Aufruf. „Zweifelhafte Klicks“, heißt es in den deutschen Niederlassungen von Google und Yahoo, „werden den Werbekunden gar nicht erst berechnet.“ BVDW-Spezialist Fortmann bestätigt das. „In aller Regel gibt es zudem anstandslos Rückzahlungen, wenn wir dubiose Klicks monieren.“ Die Behauptung, die Betrugsquote läge im Promillebereich, akzeptierte er aber nicht. „Welche Bank kommuniziert schon die Höhe des Kreditkartenbetrugs.“ Gestützt auf Umfragen im Verband kalkuliert Fortmann „mit aktuell maximal drei Prozent betrügerischen Klicks in Deutschland, bei deutlichen Schwankungen, je nach Suchbegriff und Branche“. Wie stark die Schwankungen ausfallen können, hat Christian Bennefeld, der Chef von Etracker, untersucht. Im Auftrag von Kunden wie der Bahn, OBI@OTTO oder T-Online analysiert er das Surfverhalten von Internetnutzern. Mithilfe einer speziellen Kontroll-Software untersuchte er über sechs Monate, wie sich Besucher auf mehreren Tausend Kunden-Web-Sites verhielten. Bennefeld und sein Team entdeckten bei den Klick-Kunden teils drastische Abweichungen vom Normalverhalten: „Bei Banken oder Versicherungen zum Beispiel gehen wir davon aus, dass fast jeder vierte Anzeigenabruf, der von Suchmaschinenpartnern kam, einen betrügerischen Hintergrund hatte“, urteilt der Analytiker. Bei den direkt auf Suchmaschinen geschalteten Anzeigen „erreichte die Quote, etwa bei Versandhändlern, mehr als elf Prozent“. Der Trend zwingt die Suchmaschinenbetreiber – allen Beschwichtigungen zum Trotz – nun zum Gegensteuern. Anfang August gründeten Google, Yahoo, Microsoft und weitere Partner die Click Measurement Working Group. Sie soll jetzt den Kampf gegen den Klickbetrug koordinieren.

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