Kommunikation Der ewige Kampf gegen die Kakerlake E-Mail

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Handyfoto statt Formular per Post

Bisher aber erweist sich die E-Mail, auch 47 Jahre nachdem der amerikanische Informatiker Ray Tomlinson das erste Exemplar an einem privaten Forschungsinstitut verschickte, als ziemlich zäh – mehr noch: Die Zahl der versandten Mails steigt. In deutschen Postfächern landeten allein im vergangenen Jahr etwa 771 Milliarden. „Die E-Mail ist ein nützliches Tool in der Kommunikation, weil sie so einfach ist und erlaubt, relativ schnell große Datenmengen auszutauschen“, sagt Guido Hertel, Professor für Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Universität Münster. „Daher wird die E-Mail auch in Zukunft fester Bestandteil in den Unternehmen bleiben – selbst wenn die Nutzung zugunsten von Alternativen wie Slack zurückgeht.“ Zwar können Unternehmen, die Slack nutzen, mittlerweile auch andere Unternehmen wie ihre Zulieferer über eigens dafür aufgesetzte Kanäle einbinden. Dennoch eignen sich solche Dienste vor allem für den Austausch innerhalb der Firma. Seltener für den mit Geschäftspartnern. Noch seltener für den mit Kunden.

Slack-Manager Henderson macht sich keine Illusionen. Sein Postulat: „Die E-Mail ist die Kakerlake des Internets. Man kann sie bekämpfen – ausrotten kann man sie nicht.“

Im Kampf gegen diese Kakerlake will Henderson zunächst alle gewinnen, die ohnehin bereits privat oder beruflich via Kurznachrichtendiensten wie WhatsApp oder Facebook Messenger kommunzieren: Ihnen fällt der Umstieg auf Slack leichter, und sie sind in der Regel elektronische Teamarbeit gewöhnt. Deren Zahl schätzt er weltweit derzeit auf mindestens 100 Millionen.

Die meisten Kunden hat Slack bisher in den USA. Einer der ersten Anwender in Deutschland ist ein Mittelständler: der Baustoffhändler Kemmler mit einer Zentrale in Tübingen und 22 weiteren Standorten in Baden-Württemberg und Bayern. Das Unternehmen hat Slack bereits vor drei Jahren in einem ersten Pilotprojekt ausprobiert. Mittlerweile sind die Standorte und alle 1300 Mitarbeiter angeschlossen. 500 verschiedene Kanäle hat sich das Unternehmen auf der Plattform eingerichtet – jeder einzelne Mitarbeiter muss sich aber bloß auf die für ihn wichtigsten fünf konzentrieren. Und behält so den Überblick.

Selbst Lagerarbeiter, die bisher nicht mal in das E-Mail-System eingebunden waren, können sich nun einbringen: Bemerkt beispielsweise ein Gabelstaplerfahrer ein defektes Produkt im Lager, kann er den Schaden per Smartphone fotografieren und auf Slack hochladen. Früher musste er dazu ein Formular auf Papier ausfüllen und konnte es dann erst zeitversetzt im Büro abgeben. „Unsere interne Kommunikation hat sich dank Slack deutlich verbessert – auch wenn die E-Mail allein schon wegen der externen Kommunikation mit Kunden bleiben wird“, sagt Sascha Füseler, der sich um die Einführung des neuen Dienstes gekümmert hat.

Antwortzeiten drastisch verkürzt

Diese Erfahrung machen auch andere Unternehmen, die versuchen, der wachsenden E-Mail-Flut Herr zu werden. Der französische IT-Dienstleister Atos mit 12.000 Mitarbeitern allein in Deutschland hat sich dazu bereits vor sieben Jahren ein ambitioniertes Ziel gesteckt: Die internen E-Mails wollte Vorstandschef Thierry Breton vollständig aus den Büros verbannen und führte unternehmensweit das soziale Netzwerk Blue Kiwi ein, das Atos kurze Zeit später übernommen hat. „Wir wollten den Kreislauf des immer weiter steigenden E-Mail-Aufkommens durchbrechen – das ist uns gelungen“, sagt Marc Bovens, der für die Zusammenarbeit und den Wissenstransfer bei Atos verantwortlich ist. Neue Tools wie etwa Gruppen und Beiträge im sozialen Intranet haben die Kommunikation deutlich effizienter gemacht. „Bei manchen Projekten haben sich die Antwortzeiten von zwei Tagen auf zwei Stunden beschleunigt“, sagt Bovens. Komplett auf null reduzieren konnte das Unternehmen die E-Mail aber bisher nicht.

Bei den Stadtwerken Düren verrichtet seit Mitte vergangenen Jahres Uschi ihren Dienst: Der Name steht für „unser schnelles Intranet“, ein firmeninternes soziales Netzwerk, gebaut mit der Software Coyo. „Wir wollten ein Produkt, das ähnlich funktioniert wie Facebook und WhatsApp, die die meisten unserer Mitarbeiter ja auch privat verwenden“, sagt Jürgen Schulz aus dem Geschäftsführungsstab. Statt wie früher bei Projekten diverse E-Mails auszutauschen, können Mitarbeiter nun beispielsweise eine konkrete Fragen posten, die dann alle Mitarbeiter lesen und beantworten können. Oder sie eröffnen eine Gruppe zu einem bestimmten Thema mit einem abgegrenzten Kreis von Teilnehmern.

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