Libra Mark Zuckerberg spielt mit dem Feuer

Facebook-Chef Mark Zuckerberg musste vor dem US-Kongress seine Libra-Pläne verteidigen Quelle: REUTERS

Wie US-Präsident Donald Trump bemüht der Facebook-Gründer das Schreckgespenst chinesischer Überlegenheit, um seine Interessen durchzusetzen. Warum das fahrlässig und gefährlich ist.

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Es ist kurz nach zwölf Uhr im US-Kongress in Washington, die Anhörung von Mark Zuckerberg läuft seit fast drei Stunden. Er hat nicht, wie ursprünglich geplant, seine Stellvertreterin Sheryl Sandberg vorgeschickt. Sondern ist persönlich erschienen. Vor allem, um die von seinem Konzern initiierte Digitalwährung Libra zu verteidigen. Höflich, respektvoll und beherrscht hat der Facebook-Gründer die Fragen der Abgeordneten des Finanzausschusses versucht, zu beantworten.

Er musste sich als „Mr. Zuckenburg“ und „Mr. Zuckerman“ ansprechen lassen, wurde von der Abgeordneten Joyce Beatty von den Demokraten wie ein schlecht auf einen Vokabeltest vorbereiteter Schüler abgekanzelt. Sein Vergehen: Er wusste nicht, wieviel Anwaltskanzleien sein Konzern beschäftigt, die von Minderheiten geführt werden. Die in den USA beliebte Höflichkeitsfloskel, wie es ihm gerade gehe, wird er jetzt gefragt. „I am okay“, antwortet Zuckerberg. Im Klartext: Gar nicht gut.

Nun wird sein unternehmerischer Erfolg von einem Abgeordneten der Republikaner auch noch mit dem von Donald Trump gleichgesetzt, „der ja auch Milliardär sei“. Tatsächlich gibt es durchaus Gemeinsamkeiten zwischen dem US-Präsidenten und dem Gründer aus dem Silicon Valley. Wenn es brenzlig wird, bemühen beide das gleiche Schreckgespenst: China.

Zwar beteuert Zuckerberg, dass Facebook Libra nur nutzen werde, wenn die US-Regulierer grünes Licht dafür geben. Das Silicon-Valley-Erfolgsrezept, Fakten zu schaffen und Probleme später anzupacken, ist selbst ihm in diesem Fall zu brenzlig. Zu viele Fragen sind offen, gerade was die Kontrolle der Digitalwährung angeht und wie sich verhindern lässt, dass Kriminelle sie missbrauchen. Doch die Genehmigungsprozesse brauchen Zeit.

Und deshalb schiebt Zuckerberg nach, dass China schon eifrig dabei sei, eine Kopie von Libra auf die Beine zu stellen. Als Teil des Plans der chinesischen Staatsführung, die technologische Führerschaft in der Welt zu übernehmen. Mit anderen Worten: Die Chinesen werden uns plattmachen und innovationsfeindliche Politiker sind schuld daran. Keiner kann abstreiten, dass chinesische Technokraten zielgerichtet vorgehen und bei der Wahl ihrer Mittel nicht zimperlich sind. Ein Großteil ehemaliger deutscher Hochtechnologie ist im Reich der Mitte gelandet, weil weder Politiker noch Wirtschaftsführer gegen Diebstahl oder Aufkauf ernsthaft interveniert haben. So, wie sich die Deutschen im Lauf der Geschichte einst bei britischer Technologie bedient haben und die Amerikaner bei beiden.

Aber nun alle Vorsicht fahren zu lassen, damit die Chinesen nicht zuvorkommen, ist nicht nur undemokratisch, sondern fahrlässig und gefährlich. Es ist schon klar, warum Politiker – nicht nur chinesische – gern eine universelle Währung ohne Reibungsverluste hätten, die Bargeld ersetzt und mit der sich alle Transaktionen nachvollziehen lassen. Geldwäsche und Terrorfinanzierung ließen sich aushebeln. Aber auch der Überwachungsstaat wäre perfekt, politische Gegner ließen sich so nicht nur ausspionieren, sondern sogar wirksam enteignen.

Klar, auch Notenbanken haben ihre Kritiker und Politiker vertreten ihre eigenen Interessen, die nicht immer mit ihren Wählern übereinstimmen. Aber es gibt einen großen Unterschied zu Facebook. Politiker lassen sich abwählen, Regierungen austauschen – zumindest in einer Demokratie. Facebook ist zwar ein an der Börse notiertes Unternehmen. Doch sein Chef Mark Zuckerberg kontrolliert es via Mehrfachstimmrechten, ist also eine Art Diktator. Er kann nicht abgewählt werden, höchstens enteignet. Daran ändert auch der Ethikrat nicht, den das soziale Netzwerk einführen will. Er berät ihn nur.

Deshalb sollte Zuckerberg das Argument mit China fallenlassen und darauf drängen, dass Währungen als Überwachungsinstrument von der Weltgemeinschaft nicht toleriert werden.

Dazu gehört auch die Verpflichtung, die gewonnenen Transaktionsdaten nicht auszuwerten und zu kontrollieren. Wohlgemerkt, kein Versprechen wie einst bei WhatsApp, das angeblich autonom von Facebook operieren sollte. Sondern eine zwingende Auflage.
Auch wenn Facebook damit das Nirwana der Werbewirtschaft verwehrt bleibt, weil sich so nun doch nicht genau nachweisen lässt, welche Werbung tatsächlich die (Calibra) Brieftasche zücken lässt. Was Werbung auf Facebook noch wertvoller und teurer machen würde, ganz zu schweigen von möglichen Provisionen. Aber dafür die Freiheit aufs Spiel setzen?

Zuckerberg spielt mit dem Feuer. Nachdem klar ist, dass seine Plattform dazu missbraucht wird, Meinungen zu manipulieren und so die Gesellschaft zu steuern, ließe sich nun auch noch die Wirtschaft kontrollieren. So eine Machtfülle führt dazu, dass ihr Besitzer irgendwann gestürzt wird.

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