Markenimage Twitter zu verstehen, ist schwer

Twitter verzichtet in seinem Logo künftig auf die Darstellung des Firmennamens. Stattdessen soll der stilisierte Vogel zum ultimativen Markenzeichen werden. Eine rätselhafte Entscheidung.

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Welche sozialen Netzwerke wirklich genutzt werden
So lange werden soziale Netzwerke wirklich genutztGoogle+ - Mit allen Mitteln versucht Google sein soziales Netzwerk zum Erfolg zu bringen. Vor allem die Verknüpfung mit den eigenen Diensten wie Google Mail oder Youtube soll Google+ helfen. Seit dem Start haben sich auch immerhin 90 Millionen Nutzer registriert, allerdings bleibt es oft auch dabei. Nach einer Erhebung der US-Marktforscher Comscore haben sich die Nutzer seit September im Schnitt nur drei Minuten pro Monat bei Google+ aufgehalten. Das „Wall Street Journal“ schreibt daher schon von einer „virtuellen Geisterstadt“. Quelle: dapd
Myspace - Selbst das schon oft totgesagte MySpace wird intensiver genutzt – mit acht Minuten sogar fast drei Mal solange wie Google+.
LinkedIn - 17 Minuten pro Monat halten sich die Nutzer des Online-Karrierenetzwerks LinkedIn auf der Seite auf. Für den deutschen Wettbewerber Xing lagen keine Daten vor. Quelle: REUTERS
Twitter - Mit 21 Minuten nur knapp davor liegt der Kurznachrichtendienst Twitter. Allerdings erfasst Comscore nur Besucher der Twitter-Website, gerade die intensiven Nutzer greifen jedoch gern auf spezielle Zusatzprogramme wie Tweetdeck zurück, so dass die echte Zahl höher liegt. Auch die mobilen Zugriffe wurden nicht erhoben, was jedoch alle Netzwerke betrifft. Quelle: dpa
Pinterest - Erstaunlich ist, dass sich zwei relative junge Netzwerke ganz vorn platzieren konnten. So gelang Pinterest mit 89 Minuten der Sprung aufs Treppchen. Auf der Seite können Nutzer Bilder und Netzfundstücke teilen. Pinterest ist derzeit eine der angesagtesten und am schnellsten wachsenden Seiten überhaupt .
Tumblr - Ebenso lange wie Pinterest wird Tumblr genutzt. Der Dienst bietet ist eine besonders schnelle und einfache Art des Bloggens. Auch bei Tumblr werden oft besondere Fotos geteilt – Musikstar Beyonce Knowles veröffentlichte beispielsweise exklusiv Fotos ihres Babys Blue Ivy Carter auf einer eigenen Tumblr-Seite. Beliebt sind auch die „Looking at Things“-Reihen, beispielsweise von Kim Jong-Il oder Christian Wulff.
Facebook - Mit riesigem Abstand steht Facebook an der Spitze: 405 Minuten halten sich die Nutzer im Schnitt jeden Monat in dm Netzwerk auf.     Quelle: dapd

Twitter hat eine ganze Reihe von Baustellen, an denen es arbeiten muss. Konkurrenten wie Facebook und Google+ versuchen von zwei Seiten, den Microbloggingdienst zu bedrängen und dessen Einsatzszenarien selbst abzudecken. Die erste Umsatzmilliarde in Dollar wird erst für 2014 erwartet – acht Jahre nach der Gründung und das, obwohl bereits jetzt über eine Milliarde Dollar an Venturekapital in das Unternehmen aus San Francisco gepumpt worden sind. Auf den Durchbruch in den Mainstream wartet Twitter in vielen Ländern noch immer. Selbst im Heimatmarkt USA nutzen lediglich acht Prozent der Onlinepopulation den Dienst auf täglicher Basis (eine genaue Definition für “Nutzung” existiert nicht). In Deutschland gibt es gerade mal 600.000 aktive Twitter-Konten. Und auch bei seiner Entwicklerplattform hat der Dienst eigentlich alle Hände voll zu tun – während Facebook seine Plattform mit einem App Center auf ein neues Niveau heben will, pflegt Twitter zur Entwicklergemeinde ein eher gespaltenes Verhältnis und lässt an einem Verständnis für die Kraft des Plattformansatzes zweifeln.

Twitter hinkt hinterher

Es gibt also viel zu tun. Umso überraschender ist, mit welchen Nebensächlichkeiten sich das gereifte Startup aus Kalifornien in der vielleicht wichtigsten Phase seiner Geschichte befasst. In einem aktuellen Blogbeitrag gibt der Service bekannt, die Bezeichnung “Twitter” aus seinem Logo zu entfernen und künftig auf den bekannten, hellblauen (oder alternativ weißen) Twitter-Vogel als universelles Markenzeichen zu setzen. Parallel veröffentlicht der Dienst eine Reihe von Richtlinien zur Nutzung des Twitter-Logos im Umfeld von Produkten und Websites. Eine veränderte Darstellung des Zwitschervogels ist genauso unerwünscht wie der Verweis auf Twitter mittels des alten, textbasierten Twitter-Logos, egal ob in ausgeschriebener Form oder abgekürzt mit dem prägnanten blau-weißen “t”.

Nichts gegen eine Modernisierung der Corporate Brand oder des Markenzeichens von Firmen. Aber Twitters aktueller Schritt gibt Rätsel auf.

Twitters Markenbekanntheit in den eigentlich für den Dienst zu gewinnenden Zielgruppen ist nicht groß genug. Werden Eltern und Großeltern beim Besuch auf einer beliebigen Website tatsächlich wissen, was es mit der kleinen, bläulichen Vogelgrafik auf sich hat? Und selbst wenn sie den Zusammenhang herstellen können, besteht die Gefahr, dass ihnen der genaue Name nicht einfällt. Facebooks Like-Button bedarf mittlerweile kaum noch einer Erklärung. Aber Twitter ist nicht Facebook. Im Hinblick auf Twitters Mission, den Mainstream für sich zu gewinnen, wirkt die Entfernung des textbasierten Logos wie eine klare Fehlentscheidung.

Zudem ist verwunderlich, dass sich das Unternehmen überhaupt zum aktuellen Zeitpunkt mit einer derartige Lappalie befasst. Sicherlich, manchmal sind es minimale Modifikationen am äußeren Erscheinungsbild einer Marke, die einen erheblichen Unterschied in der Wahrnehmung der Konsumenten auslösen können. Dass die Hervorhebung des Vogels und die kategorische Abkehr vom Textlogo aber irgendwelche positive Auswirkungen auf die Marktposition von Twitter haben könnte, halte ich für unwahrscheinlich.

Pure Einfallslosigkeit

Auch unter ästhetischen Gesichtspunkten macht die Änderung für mich den Eindruck einer Fehlentscheidung. Ohne das Textlogo “Twitter” neben dem Foto am oberen Bildrand sieht die komplette Startseite auf twitter.com unfertig aus. Minimalismus und Simplizität in allen Ehren, aber man kann es übertreiben. Wer bekommt bei einem Besuch des Angebots eigentlich Lust, sich bei dem Dienst zu registrieren?

Hätte Twitter eine derartige Auffrischung des Logos am 1. April bekanntgegeben – ich hätte es sofort für einen Aprilscherz gehandelt. Doch das Unternehmen meint es ernst. Und offenbart damit eine gewisse Einfallslosigkeit darin, auf welche Weise es seine Position gegen die Konkurrenten absichern und verbessern kann. Eine völlig widersinnige Demontage des Textlogos ist das Letzte, was Twitter derzeit voran bringt.

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