Megaupload Kim Dotcom rechnet mit mauschelnden Staatslenkern ab

Er ist eine der umstrittensten Gestalten der Internetbranche. Für die einen ist er ein Freiheitskämpfer, für andere ein millionenschwerer Betrüger. Nun spricht der gebürtige Kieler über den Prozess, der gegen ihn geführt wird, und den Einfluss, den die US-Regierung und auch der neuseeländische Tourismus auf sein Geschäft haben.

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Kim Schmitz Quelle: dpa

Seit der neue Dienst Mega von Kim Dotcom im Februar an den Markt gegangen ist, ist es relativ still geworden um den Internet-Pionier. Dabei fragen sich nicht wenige, wie das neue Produkt des gebürtigen Kielers angelaufen ist. Und wie geht es ihm eigentlich, nachdem bekannt geworden ist, dass sein Auslieferungsverfahren in die USA erneut verschoben wurde? Kim Dotcom steht vor enormen Gerichtskosten. Wird der inzwischen in Neuseeland lebende Deutsche tatsächlich in die USA ausgeliefert, droht ihm eine Haft von bis zu 20 Jahren. Unter diesen Umständen war es nur eine Frage der Zeit, wann sich das Schwergewicht wieder zu Wort melden würde.

Nun gab er dem US-Fernsehsender ABC ein Interview und teilte in seiner gewohnt ruhigen Art kräftig aus. „Eigentlich müsste man auch YouTube und andere Seiten abstellen, die eine Plattform für Inhalte darstellen“, sagte er. Und: „Wir haben ausschließlich eine Infrastruktur zur Verfügung gestellt.“ Mit den kriminellen Urheberrechtsverletzungen habe er als Gründer nichts zu tun. Im Gegenteil verteidigte er seine Arbeit: „Wir haben illegalen Content zum Teil binnen drei Stunden von der Seite entfernt. Das Gesetz fordert 24 Stunden.“

Das bewegte Leben von Kim Schmitz
Founder of online file-sharing site Megaupload.com Kim Dotcom, a German national also known as Kim Schmitz and Kim Tim Jim Vestor attends a hearing at the North Shore District Court in Aucklan Quelle: Reuters
Kim Schmitz (rechts) wurde in Neuseeland festgenommen. Der deutsche Internet-Unternehmer soll der Kopf hinter Megaupload sein, einem der beliebtesten Musik- und Videoportale im Netz. Doch laut Anklage habe Megaupload der Unterhaltungsindustrie durch Raubkopien einen Schaden von 500 Millionen Dollar zugefügt. Quelle: dapd
Der Zugriff erfolgte in der "Villa Dotcom" im neuseeländischen Coatesville, 300 Kilometer nordwestlich von Auckland. Die Anlage ist mit 25 Millionen Dollar eine der teuersten im Land. Ursprünglich wollte Schmitz die Villa kaufen. Doch Politiker schlugen dazwischen, am Ende musste Kim Dotcom es mieten. Eine Niederlassungs-Erlaubnis erhielt er aber immerhin - dem Vernehmen nach kaufte er zuvor Staatsanleihen für zehn Millionen Dollar und spendete für Opfer des schweren Erdbebens in Christchurch. Er soll zurückgezogen unter dem Schutz von Bodyguards gelebt haben - aber gerne auch mal Riesensummen für ein Silvesterfeuerwerk ausgegeben haben. Quelle: dpa
Es wurde auch Kims gesamter Fuhrpark beschlagnahmt: Neben einem Rolls Royce Phantom und einem rosa Cadillac gleich ein Dutzend Mercedes-Limousinen. Die Kennzeichen der Fahrzeuge lauteten beispielsweise MAFIA, HACKER, STONED oder POLICE. Quelle: dpa
Einen Autofaible hatte Schmitz schon immer, so nahm er mehrfach an der legendären Gumball-Rallye teil, bei der Stars ihre Luxusschlitten unter realen Bedingungen testen. Einmal gewann Schmitz das halblegale Rennen sogar. Schon 1999 stellte Schmitz auf der Cebit gemeinsam mit dem Tuning-Spezialisten Brabus den Megacar vor - einen Mercedes Benz S 500 L mit integriertem Videokonferenzsystem und Internet-Computer.  In die Kopfstützen der Limousine waren Bildschirme sowie Kameras eingelassen, ein 17-Zoll-Flachbildschirm für den Internet-Computer war am Wagenhimmel befestigt. Quelle: dpa
Lange war darüber spekuliert worden, dass Schmitz hinter Megaupload steckt. Vor einigen Wochen tauchte er dann in einem Werbevideo auf. In dem Musikvideo hat Kim Hip-Hop-Superstars wie Kanye West, P.Diddy oder Will.i.am von den Black Eyed Peas um sich versammelt, sie bejubelten Megaupload genauso, wie Alicia Keys, Chris Brown oder Mary J Blidge.
Der 37-Jährige war eine der schillerndsten Figuren der New Economy: Vom Hacker wurde er zum Internet-Star. „Kim Tim Jim Vestor“ sagte gern: "In zehn Jahren will ich zu den reichsten Männern der Welt gehören".

Doch noch einmal zu den Hintergründen: Megaupload stand einst auf Platz 14 der meistbesuchten Websites weltweit und verzeichnete zeitweise vier Prozent des gesamten weltweiten Internet-Datenverkehrs. Die Film- und Video-Plattform Megaupload aus den USA wurde eingestellt, weil Gründer Kim Dotcom mit den dort verbreiteten Raubkopien Millionen verdient haben soll. Eigentlich war bezüglich seiner Auslieferung in die USA eine Anhörung für August angesetzt, nun findet sie erst im November statt. Mehrfach wurde der Termin bereits verschoben. „Je länger sie den Fall in die Länge ziehen, desto mehr Kosten habe ich“, kommentierte Kim Dotcom das Vorgehen der Kläger, das er als Strategie bezeichnet. „Ich werde dehydriert.“

Druck auf Facebook und Google

Um den Gerichtskosten in einer Höhe von geschätzten 50 Millionen Dollar Herr zu werden, zieht Dotcom unter anderem eine „Patentkarte“. Ein neues Identifizierungssystem von Apple und Google stamme eigentlich aus seiner Feder. Er habe es bereits 1997 erfunden. Klagen will Kim Dotcom aber nicht gegen die Megakonzerne. Er habe sie lediglich aufgefordert, ihn in seinem Kampf für die Freiheit des Netzes zu unterstützen. Man habe schließlich die gleichen Interessen.

Der Prozess gegen ihn hat das Leben des Partyliebenden Millionärs radikal verändert. Mit seiner Familie lebt er in einer millionenteuren Villa vor den Toren Aucklands. Als goldenen Käfig bezeichnet er das Haus und das Gelände drumherum. Seitdem das FBI Anfang 2012 seine Villa stürmte und den Geschäftsmann festnahm, hat er Neuseeland nicht verlassen. Damals schlugen die Beamten in der Nacht vor dem 38. Geburtstag Kim Dotcoms zu - so konnten sie sicher sein, dass alle Mitbeschuldigten anwesend sein würden. Dotcom und drei Mitarbeiter wurden verhaftet. 70 Beamte durchsuchten das ausgedehnte Anwesen und stellten Gegenstände und Geld im Wert von sechs Millionen neuseeländischen Dollar (etwa 3,7 Mio Euro) sicher.

Im Zuge des Prozesses stellte Kim Dotcoms Verteidigung klar, dass der vermeintliche Kriminelle entgegen der geltenden Rechtslage vom neuseeländischen Nachrichtendienst GCSB (Government Communications Security Bureau) ausgespäht wurde. Als leidenschaftlicher Computerspieler hatte Dotcom bemerkt, dass seine Hochgeschwindigkeitsverbindung ins Internet immer langsamer wurde.

Dotcom hat es geschafft, dass die Bespitzelung vom Gericht ebenso für illegal erklärt wurde, wie die Razzia vom 20. Januar 2012. Der für den GCSB zuständige Ministerpräsident John Key entschuldigte sich öffentlich.

Film-Industrie auf den Barrikaden

Gerade John Key greift Kim Dotcom im Interview nun wieder an. „Warner Brothers hat die neuseeländische Regierung gebeten, Maßnahmen gegen Megaupload einzuleiten – und das haben sie getan“, sagte er im Interview. Angeblich habe sich das Film-Studio, das für die Verfilmung des Tolkien-Romans „Der Hobbit“ verantwortlich ist, dafür persönlich mit dem Premierminister gesprochen. Weil Key auch für den Tourismus im Land verantwortlich ist, verhandelten die Filmstudios mit ihm über Steuererleichterungen in Höhe von rund 120 Millionen neuseeländischen Dollar. Auch Gesetze sollen gelockert worden sein, um lokalen Arbeitern weniger zahlen zu müssen. Schließlich würden die erfolgreichen Filme den Tourismus im Land beflügeln. „Außerdem wissen wir, dass Key Megaupload als Teil der Verhandlungen auf dem Silbertablett serviert hat“, behauptete Kim Dotcom.

Es ist kein Geheimnis, dass der Onlinedienst gerade den großen Filmstudios ein Dorn im Auge war. Das Finanzierungsmodell der großen Filmproduktionen basiert auf einem Lizenzmodell, das dafür sorgt, dass von Land zu Land neu verdient werden kann. Die öffentliche Verbreitung von Filmdateien im Netz unterwandert dieses Verfahren. Ob Key wirklich so reagiert hat, ist im Moment schwer zu beurteilen. Kim Dotcom hielt sich auf Nachfrage bedeckt. Belege für seine Aussagen wolle er erst in einem Gerichtsverfahren liefern. Ob das schon beim Auslieferungsverfahren im November der Fall sein könnte, ließ der Deutsche offen.

Einige seiner Server sind in den USA noch beschlagnahmt. „Ich warte sehnsüchtig darauf, sie wieder zu bekommen“, sagte er. Darauf habe er alle möglichen Beweise, Email-Verkehr mit nahezu allen großen Film-Studios und Produzenten, die Megaupload begrüßen.

Verschwörungstheorien

Neben John Key stellte Kim Dotcom noch eine Person an den Pranger. Zum wiederholten Male verteidigte er seine Verschwörungstheorie, dass Joe Biden, in Absprache mit Chriss Dodd, für das Schließen von Megaupload verantwortlich sei. Chris Dodd ist der Vorsitzende der Motion Picture Association of America (MPAA) und eng mit Joe Biden, Mitglied in Obamas Kabinett bis 2009, befreundet. Als Beweis brachte Dotcom Besuchsprotokolle aus dem Weißen Haus an.

Die Vorwürfe sind nicht neu. Dotcom hatte sie bereits kurz nach seiner Festnahme geäußerte. Die MPAA tat sie als haltlos ab.

Eins wird auch nach den neuen Äußerungen deutlich: Kim Dotcom ist nach wie vor heftig mitgenommen von dem SWAT-ähnlichen Einsatz, mit dem seine Festnahme vonstatten ging. In den nächsten Tagen will er neues Videomaterial online stellen, das zeigt, wie heftig der Einsatz war. Bereits kurz nach seiner Festnahme hatte er Bilder aus seinen Überwachungskameras zusammenschneiden und online stellen lassen.

Eines sei ihm durch den Angriff auf ihn jedoch deutlich geworden: „Wir brauchen einen sicheren Ort für unsere Dateien, auf den die Regierung nicht zugreifen kann“, sagte er. Aus dieser Überlegung heraus sei Mega entstanden. Die Seite soll vor allem sicher sein. Jeder User erstellt seinen eigenen Schlüssel. Den Link zur Seite kann nur öffnen, wer den passenden Zugangscode besitzt.

Seit den Berichten um die NSA-Bespitzelungen der US-Regierung mit dem Programm PRISM habe der Dienst besonders viele Mitglieder hinzugewonnen, sagt Kim Dotcom.

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