Das Jahr 2015 markiert für Microsoft einen gewaltigen Umbruch. Seine Umsatzmaschine Windows verschenkt der Konzern aus Redmond künftig - um auf anderem Weg daran zu verdienen. Für direkte Einnahmen muss das zweite Massen-Produkt sorgen: Microsofts Bürosoftware.
Wenn das Programm am 22. September 2015 für Windows-Pcs erscheint (für Apples Macs ist es seit Juli verfügbar, für Nutzer von Volumenlizenzen steht das Paket vom 1. Oktober an zum Download bereit), erwartet die Nutzer trotzdem wenig Neues. Microsoft hat aber an einigen Schrauben gedreht. Was Sie jetzt wissen müssen, und wer das neue Office tatsächlich braucht:
Wie Windows wurde, was es ist
Der Urahn des inzwischen meistgenutzten PC-Betriebssystems kam im November 1985 auf den Markt. Damals war Microsoft noch ein Außenseiter, während der Platzhirsch IBM und der Aufsteiger Apple den Kampf um den PC-Markt auszufechten schienen. Anfangs arbeitete sich Windows nur mühsam ins Geschäft – denn Microsoft verzichtete zunächst angesichts eines jahrelangen Patentstreits mit Apple auf grafische Bedienungselemente.
Mit dieser Version lernte Windows 1992, Videos abzuspielen, bekam die ersten integrierten Spiele und neue Schriften. Die Grundansicht mit den überlappenden Fenstern und einem Desktop für Programm-Symbole blieb – mit einigen Design-Änderungen – lange erhalten.
Parallel zu den Consumer-Versionen von Windows entwickelte Microsoft nach dem Scheitern des OS/2-Projektes mit IBM eine Windows-Version mit einem neuen Programm-Kern („Windows New Technology“). NT wurde mit Windows 2000 fortgeführt und ging später in Windows XP auf.
Die radikale Erneuerung von 1995 brachte in Grundzügen das Windows, das heute praktisch jeder kennt. Unter anderem wurde der „Start“-Knopf mit dem Balken am unteren Bildschirmrand eingeführt. Nachdem nachträglich der Web-Browser Internet Explorer zum Windows-Grundpaket hinzugefügt wurde, setzte sich Microsoft zum Ärger der Wettbewerbshüter in diesem Bereich gegen den Pionier Netscape durch. Auf die Version folgten die kleineren Aktualisierungen Windows 98 und ME.
2001 brachte Microsoft die bisher langlebigste Version seines Betriebssystems auf den Markt. Mit Windows XP wurden viele visuelle Effekte hinzugefügt, ebenso wie wichtige Funktionen wie etwa schneller Benutzerwechsel, eine integrierte Firewall für mehr Sicherheit und verbesserter Medienwiedergabe.
Das Betriebssystem Windows Vista sollte XP verdrängen, wurde von den Nutzern aber weitgehend ignoriert. Die 2007 veröffentlichte Version bot zwar neue Bildschirmansichten, aber eine für viele Nutzer verwirrende Rechteverwaltung für Benutzerkonten. Erst mit der Vorstellung von Windows 7 im Oktober 2009 konnte Microsoft die Anwender wieder überzeugen.
Mit Windows 8 rüstet sich Microsoft für den Wandel der Computer-Welt: Die neue Kacheloberfläche ist für Touchscreens ausgelegt und eignet sich damit auch für Tablet-Computer – äußerlich ähnelt das System damit dem Smartphone-Betriebssystem Windows Phone. Microsoft stellte Windows 8 im Oktober 2012 vor. Gerade an der neuen Bedienung wurde jedoch schnell viel Kritik laut.
Ein Update für Windows 8 kam im Oktober 2013 auf den Markt. Das kostenlose Windows 8.1 soll die größten Kritikpunkte an dem Vorgänger ausräumen. So können Nutzer direkt auf den Desktop starten und so die Kacheloberfläche umgehen. Zudem kehrt der Startknopf zurück, wenn auch nicht das klassische Startmenü.
Mit Windows 10 bietet Microsoft eine einheitliche technische Plattform für PCs, Tablets und Smartphones an. Das von Nutzern ersehnte Start-Menü kehrt auf den Desktop zurück. Am 29. Juli 2015 stellte der Softwaregigant das jüngste Betriebssystem vor. Ein Jahr lang war das Upgrade auf Windows 10 für Computer mit Windows 7 und 8.1 kostenlos. Was das neue System bringt und für welche Nutzer es sinnvoll ist, lesen Sie hier.
Was kann Office 2016?
Was man mit einer Büro-Software eben können sollte: Texte verfassen, Excel-Tabellen erstellen zum Beispiel. Enthalten sind traditionsgemäß zum Beispiel Word, Excel, PowerPoint, Outlook, Access und OneNote.
Und was ist wirklich neu?
Auf den ersten Blick wenig. Office 2016 setzt auf eine engere Vernetzung der Nutzer in der Cloud und drängt dazu, sein Dokument im Onlinespeicher OneDrive zu speichern.
Die Office-Programme können über verschiedene Plattformen - vom PC bis zum Smartphone - hinweg verwendet werden. Das gleichzeitige Bearbeiten der Dokumente durch mehrere Nutzer ist ebenfalls möglich. Office 2016 erscheint zudem in speziellen, für den Touchscreen optimierten Mobil-Versionen.
Der Vertraulichkeitsschutz für sensible Informationen in Dokumenten (Data Loss Prevention, DLP) ist künftig auch für Word, Excel und PowerPoint verfügbar.
Mit dem Assistenten kehrt eine Funktion zurück, die an die Büroklammer “Clippy” erinnert und die wohl niemand ernsthaft vermisst hat. Wer in das Suchfeld in der Kopfleiste eine Anfrage wie “Tabelle hinzufügen” eingibt, bekommt eine mehr oder weniger hilfreiche Anleitung - oder wird gleich zur Funktion geführt.
Sonst macht das neue Office die Arbeit an einigen Stellen einfacher, ohne große Sprünge zu wagen. Excel hat ein paar neue Analysemethoden drauf. Outlook kann jetzt direkt Dateien aus OneDrive anhängen.
Daneben gibt’s ein bisschen Kosmetik, neue Themes färben Office wahlweise dunkler oder bunter. Der Ribbon-Look bleibt bestehen.
Wirklich groß ist der Schritt gegenüber dem im Januar 2013 erschienen Office 2013 nicht. Und auch die Cloud-Fokussierung ist spätestens seit der Einführung der Abo-Software Office 365 bekannt, die Web-Anwendung und Office-Software verbindet.
Was das neue Office für Microsoft für eine Rolle spielt
Was kostet es?
Als klassisches Paket wird Office 2016 in zwei Varianten angeboten: Home & Student und Home & Business. Erstere wird von Händlern derzeit für rund 130 Euro gelistet, letztere gibt es für etwa 230 Euro. Besitzer eines Office-365-Abonnements können ohne zusätzliche Kosten auf Office 2016 aktualisieren.
Kostenlos kann Office 2016 auf Mobilgeräten genutzt werden, die eine Bildschirmdiagonale von höchstens 10,1 Zoll haben, für größere Tablets braucht es einen Office-365-Account. Outlook aber fehlt zum Beispiel bei den Umsonst-Versionen. Wirklich konsequent ist Microsoft dabei nicht. Zumindest Android und iOS-Nutzer können sich Outlook als eigenständige, kostenfreie App auf ihre Smartphones und Tablets laden.
Und: Eine Vorschauversion bietet Microsoft derzeit ebenfalls noch gratis an.
Was muss man bei der Installation beachten?
An das System stellt Office 2016 moderate Anforderungen. Es sollte auf den meisten einigermaßen aktuellen Computern laufen. Für die Vorschauversion sind mindestens ein Prozessor mit 1 Ghz, Arbeitsspeicher mit 1 GB RAM und 3 GB Speicherplatz erforderlich.
Für Office 365 wird ein kostenloses Upgrade bereitgestellt. Nutzer von älteren Office-Versionen müssen diese deinstallieren und die 2016er-Version neu aufspielen.
Braucht man dafür noch Windows?
Nein. Für Mac-Rechner hat Microsoft seit Jahren eine eigene Office-Variante produziert. Die jüngste Version, Office Mac 2016 für Apple-Computer ist seit Juli verfügbar. Daneben hat der neue Microsoft-Chef Satya Nadella auch bei den anderen Plattformen und Gerätetypen eine strategische Wende vollzogen.
Word, Excel und PowerPoint finden sich – in den Grundfunktionen zum Anzeigen, Erstellen und Bearbeiten – auch in den App-Stores von iOS und Android. Lauffähig sind die Programme allerdings nur auf Geräten bis 10,1 Zoll Bildschirmgröße. Auf Apples neuem iPad Pro mit 12,9-Zoll-Display wären die Office-Programme also nicht kostenfrei nutzbar.
Für Gerätegrößen oberhalb von 10,1, und auch für den vollen Funktionsumfang der Apps braucht es ein kostenpflichtiges Abonnement von Microsofts Programmvariante „Office 365“ zu Preisen ab zehn Euro im Monat oder 99 Euro im Jahr.
Warum ist Office 2016 für Microsoft wichtig?
Weil der Konzern damit Geld verdient - und zwar direkt, mit jeder verkauften, vollwertigen Softwareversion. Windows 10 gibt der Konzern seit wenigen Wochen gratis aus, in der Hoffnung, das Betriebssystem breit zu streuen und Zusatzangebote zu verkaufen. Office aber soll direkt Umsätze in die Kasse spülen. Mit den konventionellen Softwareboxen aber gelingt das schlechter. Im April meldete Microsoft etwa, dass das Lizenzgeschäft mit den Endkundenversionen von Office im Jahresvergleich um dramatische 41 Prozent eingebrochen ist.
Dass Microsoft in dieser Situation Office-Versionen kostenlos unters Volk bringt, hat gute Gründe. Zum einen hofft der Konzern, dass die Nutzer irgendwann doch auf die kostenpflichtige Vollversion oder das Abo umsteigen, um alle Funktionen zu nutzen. Zum anderen muss Microsoft dafür sorgen, dass seine Bürosoftware die Nummer eins am Markt bleibt. Deshalb setzt der Konzern viel daran, auch auf Smartphones vertreten zu sein, und verschenkt das Programm für kleine Bildschirme. Dass Office stärker in die Cloud wandert, zeichnet sich seit Jahren ab und hilft Microsoft dabei, den eigenen Online-Speicher OneDrive zu vermarkten.
Die Strategie scheint aufzugehen. Zeitgleich mit dem Absatz-Einbruch bei den Office-Paketen für Endkunden meldete Microsoft-Chef Nadella einen neuen Nutzerrekord für die Cloud- und Abo-Variante Office 365. Im ersten Quartal dieses Jahres habe alleine die Endkunden-Version des Abo-Office drei Millionen zusätzliche Nutzer gewonnen – und so die Gesamtzahl der Nutzer auf mehr als 15 Millionen Abonnenten gesteigert.
Bröselnden Umsätzen mit Software-Boxen steht also offenbar wirklich wachsendes Geschäft mit monatlichen oder jährlichen Mietzahlungen statt einmaliger Käufe gegenüber.
Alternativen zu Office 2016
Muss ich wirklich umsteigen?
Als normaler Privatnutzer erst einmal nicht. Wer nicht dringend auf die wenigen Neuerungen angewiesen ist, kann erstmal bei seinem alten Microsoft Office bleiben. Die Versionen sind kompatibel, der Standard-Support für Office 2013 läuft noch bis April 2018, der erweiterte Service, der etwa noch Sicherheits-Updates umfasst, reicht sogar bis April 2023. Ein kurzfristiger Zwang, sich aus Supportgründen von der alten Programmversion zu verabschieden, besteht also nicht.
Wer gerade über die Anschaffung einer neuen Büro-Software nachdenkt, sollte sich Office 2016 oder die die Abo-Variante Office-365 aber genauer anschauen. Deren Nutzer können ohnehin bedenkenlos zuschlagen. Kostet ja nichts extra.
Gibt es Alternativen?
Reichlich. Seit Jahren gelten die freien Büro-Programme Open Office und Libre Office als brauchbarer und kostenloser Ersatz. Apple rüstet seine Macs, iPads und iPhones ohnehin mit einem eigenen Software-Paket namens iWork aus. Und Google Drive bietet Schreib- und Tabellen-Programme mit Cloud-Anbindung auf allen Geräten kostenlos an. Auch das ist – natürlich – ein Grund, warum Microsoft sich von seiner früheren Hochpreisstrategie bei den Office-Paketen verabschiedet hat.
Wer braucht es denn dann überhaupt?
Microsofts Office ist nach wie vor die Nummer eins am Markt. In vielen Unternehmen werden Sie kaum etwas Anderes bekommen. Speziell Geschäftskunden scheuen den Wechsel von einer Software auf ein anderes Programm extrem, weil damit oft erhebliche Kosten zur Umschulung der Mitarbeiter einhergehen.
Statt also zu einem anderen, günstigeren aber kaum weniger leistungsfähigen Office-Paket zu wechseln, zahlen sie lieber weiter an Microsoft und sparen Fortbildung und Produktivitätsverluste beim Wechsel. Abgesehen davon laufen in vielen Unternehmen noch immer zigtausende Unternehmensanwendungen in Form komplexer, sozusagen „handgestrickter“ Excel-Rechnungsbögen. Auch die lassen sich vielfach nicht in andere Softwarewelten übertragen und sorgen so bei Firmenkunden für eine bemerkenswerte Office-Treue zu Microsoft.
Mit den entsprechenden Folgen in der Privatkundenwelt. Denn wer im Büro auf verschiedenen Geräten mit der Software arbeitet, dürfte auch im Privaten aus Bequemlichkeit häufig ganz bei Microsoft bleiben.
Jeder Praxistest zeigt: Mögen die Office-Suiten auch grundsätzlich kompatibel sein - Probleme gibt es immer. Das beginnt bei falsch gesetzten Anführungszeichen und geht bis zu fehlenden Funktionen bei der Tabellen-Kalkulation.
Gerade im Vergleich zu den Gratisprogrammen gelten die Standard-Funktionen von Microsofts Office zudem als zuverlässig. Die Rechtschreibkorrektur etwa gehört eindeutig zu den besseren.
Reicht das, ein (teures) Upgrade auf Office 2016 zu rechtfertigen? Für die Masse der 2013-Nutzer sicher nicht. Für Anwender mit älteren Programmversionen tendenziell eher, wenn sie Wert legen auf die Integration von Cloud-Funktionen wie etwa dem Netz-Speicher OneDrive direkt in die Programme.
Am Office-Grundproblem von Microsoft aber, das schon Nadellas Vorgänger, Steve Ballmer, einmal im WirtschaftsWoche-Interview als größte Herausforderung bezeichnet hat, lösen auch die graduellen Verbesserungen der neuesten Software nichts. „Unser schärfster Gegner,“ sagte Ballmer damals, „sind nicht die Programmierer alternativer Office-Programme, sondern die zufriedenen Nutzer der älteren Versionen unserer eigenen Programme.“